Wirtschaftsminister Guttenberg Held oder Honk

Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg - was der Schutzpatron aller Ordnungspolitiker und Steuerzahler wirklich taugt, wird sich schon sehr bald zeigen. Nach Opel kommt der Stresstest Arcandor. Ein Kommentar von Jan Rosenkranz.

In der Opel-Frage lag er richtig. Der Investor trage kaum Risiko, der Steuerzahler viel, befand der junge Held mit Gel im Haar. Darum wollte er das Magna-Konzept eigentlich nicht mittragen, ja, angeblich bot der Aufrechte der Kanzlerin in tiefer Nacht gar seinen Rücktritt an. So schwer lastete das ordnungspolitische Gewissen. Merkel lehnte freilich ab, doch ein Held ward geboren. Ein Schutzpatron der Steuerzahler. Ein Gralshüter der Ordnungspolitik. In der heimischen CSU freute man sich gar so sehr über den neuen Star, dass man darüber fast vergaß, dass es doch eigentlich eine recht herbe Schlappe für den Wirtschaftsminister war, die er vergangenen Freitag erleiden musste. Was hatte er denn schon erreicht? In der Sache nichts. Magna soll Opel übernehmen, der Staat schießt Geld vor, übernimmt riesige Bürgschaften - und das Risiko trägt der Steuerzahler.

Was der Held nun wirklich taugt, muss sich also noch erweisen. Und schneller als ihm recht sein dürfte. Erste Nagelprobe: Arcandor. Der Essener Handelsriese, dem neben Karstadt auch das Versandhaus Primonda (ehemals Quelle) und der Tourismusanbieter Thomas Cook gehören, braucht dringend frisches Geld: 650 Millionen Euro Bürgschaft und 200 Millionen Kredit. Weil die eigenen Banken nichts mehr rausrücken wollen, soll der Staat einspringen.

Arcandor ist nicht zu helfen

Ginge es allein nach dem Minister, sieht es eher schlecht aus für die 50.000 Angestellten des Konzerns. Karstadt muss sich wohl einen Käufer suchen, der in Form des Konkurrenten Metro auch schon ante portas stünde - eine Option, die zu Guttenberg favorisiert. Doch bislang ist nichts entschieden, weder in die eine noch in die andere Richtung. Zwar befanden zu Guttenbergs Wirtschaftsprüfer intern längst, dem Konzern sei nicht mehr zu helfen, die Substanz sei aufgebraucht. Und auch die EU-Kommission äußerte am Mittwoch schwere Bedenken, wonach sich der Konzern schon lange vor der Krise auf Schlingerkurs befand, mithin keine staatliche Hilfe bekommen dürfe. Und schließlich hat sogar Guttenbergs Chefin, Angela Merkel angedeutet, was sie von Arcandors Hilfsersuchen hält - nämlich gar nichts.

Doch Guttenberg ist nicht allein Minister. Er ist Christsozialer und als solcher weniger Frau Merkel treu ergeben als seinem Parteichef Horst Seehofer. Und der ist wiederum vor allem Ministerpräsident von Bayern. In der Opel-Frage waren dem rebellischen Regenten Guttenbergs Gewissensbisse mehr als recht. Es gibt schließlich kein Opel-Werk in Bayern, das es zu retten galt, dafür aber solche von BMW und Audi, die angesichts gigantischer Überkapazitäten auf dem Weltmarkt für Automobile mit dem Ableben eines Konkurrenten sicher ihren Frieden hätten machen können.

Die bayrische Arcandor-Fraktion

Bei Arcandor sieht die Sache freilich etwas anders aus. Es geht um viele Tausend Arbeitsplätze, hat Seehofer da plötzlich entdeckt. Der Landesvater ist in Sorge. Allein im fränkischen Nürnberg, dem Sitz der Zentrale des Versandhauses, sind mehrere Tausend Jobs bedroht. Inzwischen dürften ihn außerdem auch die zahlreichen Unterstützer-Briefe erreicht haben, die die Oberbürgermeister betroffener Städte in den vergangenen Tagen in die Post geworfen haben. Allein aus Bayern kam da einiges zusammen, angefangen beim Münchener OB Christian Ude über die Amtskollegen in Ausgsburg, Nürnberg, Bayreuth, Landshut bis hinunter nach Rosenheim.

Vor der Europa-Wahl am kommenden Sonntag kann Seehofer in Bayern keinen Aufstand brauchen. Es geht um viel für die Partei. Noch nie war es so schwer für sie, allein in Bayern die bundesweit fünf Prozent zu holen, die sie braucht, um weiterhin in Europa eine Rolle zu spielen. Vielleicht nur Zufall, aber doch ganz praktisch, dass die Causa Aarcandor wohl erst Anfang nächster Woche abschließend entschieden wird.

Dann allerdings wird zu Guttenberg zeigen müssen, ob er tatsächlich auf Ludwig Erhards Spuren wandeln darf. Oder auf denen seines unglücklichen Vorgängers Michael Glos. Held oder Honk - manchmal kann die Verwandlung verdammt schnell gehen.