Johannesburg Eine Stadt bricht auf

Wer Südafrika bereist, meidet häufig Johannesburg. Dabei zeigt sich die positive gesellschaftliche Entwicklung des ganzen Landes nirgendwo so deutlich, wie in der Stadt mit dem schlechten Image.

Das Image von Johannesburg könnte gar nicht schlechter sein. Es rangiert in Deutschland auf einem Level mit Teheran oder Lagos. Nur Bagdad wird noch eine Stufe tiefer angesiedelt. Spannend zu erfahren, warum das so ist. Wird über Kapstadt in den höchsten Tönen geschwärmt, findet Johannesburg einfach gar nicht statt. So als ob die 9 Millionen Metropole gar nicht auf der Landkarte wäre. Wenn doch die Sprache auf die nach Kairo zweitgrößte Stadt Afrikas kommt, dann ausschließlich im Hinblick auf die lebensbedrohliche Situation für alle Touristen weißer Hautfarbe. So, als hätte man schon unzählige Schießereien vor Ort selbst erlebt. Interessant ist, was sich auf Nachfrage herausstellt: Dass die meisten Kapstadtbesucher über Johannesburg sprechen, ohne jemals dort gewesen zu sein. Für mich ein zwingender Anlass, mir selbst ein Bild von Johannesburg zu machen. Eines sei vorweggenommen: Johannesburg ist landschaftlich bezaubernd. Ja, es gibt eine Menge Probleme. Aber es gibt auch Lösungsansätze. Die Stadt bietet Herausforderungen und viele der Bürger nehmen sie an. Sie sehen ihre Chance und nutzen sie – unabhängig von der Hautfarbe.Um das heutige Johannesburg verstehen zu können, muss man die Vergangenheit beleuchten. Johannesburg war eine blühende Stadt. Scheinbar unerschöpfliche Gold- und Diamantenvorkommen bildeten das Fundament für den unglaublichen Reichtum einer weißen Minderheit. Es wurde viel Geld verdient und auch ausgegeben. Als die westliche Welt das unmenschliche Apartheitsregime mit Sanktionen belegte, traf es die Wirtschaftsmetropole Johannesburg besonders hart. Die Hotels standen leer, das große Wirtschaftsrad hörte auf sich zu drehen. Die Innenstadt verwaiste zusehens, die Büros in den gläsernen Wolkenkratzer standen zunehmend leer. Die Mieten sanken dramatisch. Johannesburg wurde Ziel illegaler Einwanderer. Drogenkartelle und Revolverbanden gewannen in manchen Stadtteilen die Oberhand. Der Stadtteil Hillbrow beispielsweise ist bis heute ein von nigerianischen Einwanderern dominiertes und quasi rechtloses Territorium. Es leben mehr Weiße im Township Soweto als hier. In der Dunkelheit fahre ich über die "Murder Mile" nach Hillbrow hinein. Tausende Menschen drängen sich auf den Bürgersteigen und Straßen. Kriminelle Energie und Aggressivität sind körperlich spürbar, eine unvorstellbare Anarchie jenseits von Recht und Gesetz.

Der Geist eines erfolgreichen Aufbruchs

Hillbrow ist im weitesten Sinne vergleichbar mit den Bronks in New York. Wie in Manhattan gibt es in Johannesburg aber auch bessere Viertel. Nördlich der Innenstadt hat sich eine neue Inftrastruktur rund um die traditionellen, wohlklingenden Villenviertel gebildet. Ob Hyde Park, Westcliff, Rosebank oder Houghton: Überall spürt man alten Glanz und den Geist eines erfolgreichen Neubeginns. Das gilt ganz besonders für Sandton. Als erstes hat die Börse der Innenstadt spektakulär den Rücken gekehrt und in Sandton einen neuen Standort gefunden. Viele Banken folgten. Heute ist der Nelson Mandela Square, ehemals Sandton Square, ein riesiges Einkaufsparadies für Markenfetischisten. Von Gucci bis Prada gibt es kaum eine renommierte Modefirma, das nicht präsent ist. Wer nach einem Gang durch die Gemeinde immer noch Kaufgelüste verspürt, kann im nicht weit entfernten Hyde Park Shopping Center nahtlos anschließen. Die Menschen in Johannesburg wollen es wissen. Sie fahren schneller Auto als die Leute in Kapstadt, sie reden schneller, sind ungeduldiger. Aber sie tragen die Nase nicht so hoch, wie die erste Garde der Gesellschaft rund um den Tafelberg. Die Menschen sind sehr direkt und offen, sie wollen Kontakte knüpfen, Sie wollen Geld verdienen. Sie sind heiß auf Erfolg. Hier wird gezeigt, was man hat. Manch einer mag das anstößig finden oder neureich. Ein wenig von diesem Geist würde auch Deutschland nicht schaden.

Sicher ist die Chancengleichheit zwischen schwarz und weiß im täglichen Leben auch in Johannesburg noch nicht annähernd umgesetzt. Aber es gibt sichtbare Chancen, die dankbar ergriffen werden. In Johannesburg gibt es im Gegensatz zu Kapstadt viele vermögende Schwarze. Auf meinem Weg nach Soweto erinnert mich das ehemals berüchtigte Township in weiten Teilen an eine betuliche Wohngegend der Mittelschicht. Sogar weiße Putten findet man in den geleckten Vorgärten vor. Es kommt mir eher dörflich vor. Auch wenn in Soweto 3,5 Millionen Menschen leben. Wer es bis ganz nach oben geschafft hat, wohnt in der "Diepkloof Extension", dem Luxusviertel von Soweto. Wer seine Haushaltskasse schonen will, kauft auf dem Markt von Soweto für einen Bruchteil herkömmlicher Preise ein. Gut, einfach und preiswert essen kann man in "Wandies Place", dem ersten Restaurant in Soweto. Seit 20 Jahren kocht Wandie selbst, es gibt immer noch die gleiche Karte. Man sieht ihm die Arbeit an, das frühe Aufstehen, die langen Nächte. Aber auch den Erfolg. Das Gefühl, es geschafft zu haben. Das gönnende Lächeln eines Siegers.

Zwischen Elend und Nobelpreisträgern

Trotz aller Fortschritte ist auch in Soweto das Elend immer noch vorhanden und sichtbar. In den Baracken ehemaliger Minenarbeiter hausen auch heute noch Menschen ohne Strom und fließend Wasser. Gegenüber liegt die einzige Straße der Welt, die zwei lebende Nobelpreisträger hervorgebracht hat: Bischof Tutu und Nelson Mandela. Mandel ist in der ganzen Stadt präsent, besonders stark aber im edlen "Saxon Hotel". Hier hat Nelson Mandela seinen Roman "A long way to freedom" geschrieben. Das heutige sehr stilvolle Hotel war früher das Privathaus eines Freundes von Mandela. Außen dominieren klare Formen in der Architektur, eine Art afrikanischer Bauhausstil. Innen herrscht größte Exklusivität. Wer nicht im Hotel wohnt, sondern nur mal auf einen Kaffee vorbeikommen will, wird schon an der Einfahrt freundlich, aber bestimmt abgewiesen. Gäste wie Oprah Winfrey möchten manchmal einfach nicht "erkannt" werden. Wer den früheren kreativen Geist des New Yorker Stadtteils Soho inspirierend fand, wird Mellville lieben. Im Viertel, in dem auch die Universität liegt, reihen sich entlang der 7th Avenue, Restaurants und Bars, kleinen Galerien und Geschäften aneinander. Besonders zu empfehlen: "Springbock" im Garten des "Café Mezza Luna" oder das "Soi", wo es neben der hervorragenden vietnamesische Küche auch die beste Musik der Stadt gibt. Wer in Mellville übernachten möchte, findet nur wenige Schritte vom quirligsten Nachtleben von Johannesburg eine schicke Unterkunft: Das "Space Guest House" oder das "Guesthouse 61 On 5th" glänzen durch zeitgenössische Architektur und puristischem Innenleben.

Die schönsten Golfplätze des Landes

Sport hat in Johannesburg eine Tradition, die besonders gepflegt wird. Von Fußball bis Polo scheinen alle Jungs verrückt nach irgendeinem Ballspiel zu sein. So gibt es in ganz Südafrika über 500 Golfplätze von denen einige der besten in Johannesburg und Umgebung liegen. Leicht hügelig und ungeheuer Grün bietet die nähere Umgebung der Stadt optimale Voraussetzungen für das Spiel mit Drive, Chip and Put. Ein Highlight ist der 1923 eröffnete "Houghton Golfclub". Der parkähnliche Meisterschafts-Kurs liegt in einem dicht bewaldeten Vogelparadies mit vielen Seen, Teichen und blühenden Sträuchern am Rand des Grüns. Das ist zwar sehr schön für das Auge, aber schlecht für verzogene Bälle. Der 1890 eröffnete "Royal Johannesburg Golf Club" liegt östlich der Stadt auf einem felsigen Gebirgskamm. Er verfügt über zwei 18-Loch-Plätze ist einer von nur zwei südafrikanischen Golfplätzen, die im "World Atlas of Golf" verzeichnet sind. Die saftigen, über Hügelkämme fließenden Fairways sind immer in gutem Zustand und werden von alten, majestätischen Bäumen mit tief hängenden Ästen umrahmt. Den königlichen Titel "Royal" erhielt der Club 1931 von König George V. verliehen. Sein britisches Ambiente hat der Club sich bis heute bewahrt. Der "River Club" hat seinen Namen vom Fluss "Braamfontain Spruit", der den mit Eichen bewachsenen Kurs durchzieht und ihm seinen einmaligen Charakter verleiht. Der Platz darf nur von Mitgliedern und ihren Gästen bespielt werden.

Die Innenstadt erwacht zum Leben

Das Projekt Newtown ist von zahlreichen Initiativen, die Innenstadt von Johannesburg wiederzubeleben. In der Gegend rund um das Afrikanischen Museum werden kulturellen Einrichtungen wie etwa das "Market Theatre" gebaut. Ein riesiges altes Warenhaus wird gerade entkernt und instand gesetzt. Nach der Fertigstellung soll es Anziehungspunkt für Galeristen und deren Kunden werden. Nachholbedarf gibt es auch in Sachen Kaffeekultur. Aktuell gibt es in Downtown Johannesburg nur ein einziges Café! Es liegt gegenüber dem "Supreme Court", dem Gericht. Anwälte und Richter besuchen es in den Pausen - und sichern damit seine Existenz. Denn bis die Innenstadt belebt ist, findet das urbane Leben in der Vorstadt statt. Man trifft sich beispielsweise im prachtvollen Hotel Westcliff, das einen atemberaubenden Ausblick von Terrasse und Pool über die grüne Seite der Stadt bietet. Als toskanisches Dorf in den Villenhügeln von Saxonwold angelegt, ist es auch Anziehungspunkt von internationalem Geld. Am Frühstückstisch sieht man in italienische Designerlabels gehüllte Chinesen, etwas rustikaler wirkende Amerikaner sowie indische Stahlbarone. Obwohl sie mit Familie reisen, geht es eigentlich ums Geschäft. Denn das Westcliff ist bekannt als Kontaktbörse. So machen auch deutsche Firmen hier gute Geschäfte. BMW hat seine größte Niederlassung nach München in Johannesburg. Viele Mittelständler und Zulieferer lassen hier produzieren. Wer müde vom Geschäft ist und Golfen langweilig findet, kann binnen einer Stunde in den großen Nationalparks und Wildreservaten auf Abenteuersuche gehen.Der alte Reichtum Südafrikas sitzt in Kapstadt. Auch die Art-Decco Türme der "Anglo American Corporation" im Stadtzentrum Johannesburgs versprühen noch den Charme der Gründerzeit, als Sir Ernest Oppenheimer durch die Schätze in den Minen zu märchenhaftem Reichtum gelangte. Bei 28 Grad und stahlblauem Himmel erinnern nur die Weihnachtsbäume vor dem Gebäude an das Wetter in Deutschland. Und vielleicht wird auch in Johannesburg in ein paar Jahren kein Wachpersonal für die Weihnachtsdekoration mehr notwendig sein. In Johannesburg, der Stadt des Aufbruchs.

Oliver Jacobi

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