Ich habe schon Hunderten von Passagieren beim Einchecken an Berlins neuen Hauptstadtflughafen zugesehen. Sie denken jetzt: Der ist total durchgeknallt, der fantasiert. Nein. Ich beschreibe auch nicht meine Träume, sondern eine Szene im April 2012.
Damals genügten ein Anruf und eine E-Mail bei der Pressestelle der Berliner Flughäfen, um mit wenigen Tagen Vorlaufzeit einen Rundgang durch "Europas modernsten Flughafen", so der damalige Werbe-Claim, zu vereinbaren. Stolz führte mich ein Pressesprecher durch den Terminal, wir fuhren aufs Vorfeld und rasten über die neue südliche Startbahn.
Überall wurde gewerkelt, 5000 Arbeiter legten letzte Hand an. Was mich besonders beeindruckte: die Architektur. Die klar strukturierte Haupthalle, die mich in ihrer Formensprache sofort an die Neue Nationalgalerie in Berlin von Mies van der Rohe erinnerte - eine von den BER-Architekten Gerkan, Marg und Partner beabsichtigte Referenz an die großen Baumeister der klassischen Moderne.
Absage der Inbetriebnahme
Nur noch sieben Wochen waren es bis zum geplanten Eröffnungstermin. In der Abflughalle herrschte dichtes Gedränge. Dort gab es bereits mehr Passagiere als Bauarbeiter. Berliner, die sich freiwillig gemeldet hatten, spielten an den Countern mit Bergen von Koffern den Check-in durch und hielten ihre ausgedruckten Bordkarten in Händen.
Doch ihre giftgrünen Warnwesten hätten mir ein Zeichen sein sollen: Es handelte sich nicht um einen "Probebetrieb" mit Komparsen, sondern nur um eine Simulation. Das Spiel in einem mehrere Milliarden Euro teuren Flughafenmodell-Wunderland im Maßstab ein zu eins. Denn der Großflughafen sollte nie eröffnet werden.
Was mich noch überraschte: Noch nie habe ich bei einer Betriebsbesichtigung einen so nervösen Pressesprecher erlebt. Bei der dreistündigen Führung über die Baustelle klingelte dauernd sein Telefon. Bei jedem Gespräch ging er sofort auf Distanz. War da etwas, was ich nicht mitbekommen sollte?
Nur wenige Tage nach meinen Besuch auf dem BER-Gelände bei Berlin-Schönefeld wurden wir alle eines Besseren belehrt. Am 8. Mai 2012 platzte die Bombe, keine vier Wochen vor der Eröffnung. Auf einer Pressekonferenz sagten die Länderchefs Matthias Platzeck aus Brandenburg und Bürgermeister Klaus Wowereit den mit viel Prominenz geplanten Start des neuen Hauptflughafens einfach ab. "Berlin kriegt keinen hoch", titelte damals die "Taz".

Vom Prestigeobjekt zur Lachnummer
Die Gründe sind hinreichend bekannt, wie die hochkomplexe Brand- und Sprinklerschutzanlage, die unsachgemäße Verkabelung und die Probleme mit 1000 Automatiktüren. Noch vor fünf Jahren glaubte jeder, dass es sich nur um eine Verzögerung von wenigen Monaten handelte. Weit gefehlt. Das Trauerspiel begann erst. Fünfmal wurden die Eröffnungstermine bereits verschoben.
In den vergangenen fünf Jahren rollten Köpfe. Geschäftsführer, Architekten und Technikchefs wurden gefeuert, der Ausrüster Imtech ging Pleite, eine Führungskraft ließ sich bestechen, und auch Subunternehmer wurden wegen Korruption verurteilt.
Doch dann trat ein Retter auf: Ich erinnere mich noch, wie sich während der Berliner Tourismusbörse im März 2013 die Ankündigung wie ein Lauffeuer verbreitete, dass Hartmut Mehdorn, der damals Air Berlin sanieren wollte, zum Geisterflughafen BER wechseln sollte. Die Nachricht sorgte in Fachkreisen für Gelächter. Auch er konnte das Chaos mit seinem "Sprint" genannten Beschleunigungsprogramm nicht richten. Nur zwei Jahre, bis März 2015, blieb er Flughafenchef, bis er sich mit dem Aufsichtsrat überworfen hatte.
Sein Vorgänger Rainer Schwarz, der 2013 seinen Hut nehmen musste, klagte erfolgreich gegen die Kündigung und erstritt vor Gericht noch 1,2 Millionen Euro an ausstehenden Gehältern. Doch er machte Karriere, zu funktionierenden Flughäfen in der Provinz: zunächst als Chef von Rostock-Laage und seit diesem Jahr vom Airport Münster-Paderborn.
Eröffnung von BER 2018, 2019 oder 2021?
Das Bittere für alle Beteiligten und indirekt auch für jeden Steuerzahler: Jeder Monat Verzug kostet angeblich 17 Millionen Euro. Hochrechnungen gehen für die Dauerbaustelle von bisherigen Kosten in Höhe von 6,5 Milliarden Euro für aus.
Der seit März 2017 amtierende Flughafengeschäftsführer Engelbert Lütke Daldrup, der als Flughafenkoordinator des Landes Berlin im Aufsichtsrat der Flughafen Berlin Brandenburg schon seit 2015 mit dem Thema vertraut ist, will sich besser nicht auf einen neuen Eröffnungstermin festlegen. Noch im April 2016 antwortete der damals neue Pressechef Daniel Abbou auf die brennende Frage: "Glauben Sie mir, kein Politiker, kein Flughafendirektor und kein Mensch, der nicht medikamentenabhängig ist, gibt Ihnen feste Garantien für diesen Flughafen." Das war zu viel an Wahrheit. Er wurde sofort gefeuert.
Gerne hätte ich die mehr als zehn Jahre alte Dauerbaustelle auch zum fünfjährigen Jubiläum der Nichteröffnung erneut besucht, um zu sehen, wo Fortschritte erzielt wurden. Doch auch mit drei Wochen Vorlaufzeit gelang es der Pressestelle nicht, mir einen konkreten Besichtigungstermin zu nennen. Trotz mehrmaliger Telefonate nur ein Mauern und Hinauszögern.
Egal, ob Rundgang auf der Baustelle oder nicht: Für mich hat sich BER zu einem Alptraum entwickelt. Ich frage mich, ob ich dort als Passagier jemals einchecken werde und abfliegen kann?
Mein Beitrag erschien bereits am 5. Juni 2017 unter dem Titel: "Fünf Jahre BER-Nichteröffnung: Vorwärts nimmer, rückwärts immer" im Blog "Follow Me". Der Artikel wird sicherlich noch ein weiteres Mal zu einem runden Jubiläum der Nicht-Eröffnung erscheinen. Denn nach den jüngsten Meldungen über gravierende Mängel auf der Baustelle dürfte mit einer Inbetriebnahme nicht vor dem Jahr 2021 zu rechnen sein.