Trotz aller Bedenken wegen der angespannten Weltlage werden die Schumacher-Brüder beim Großen Preis der USA antreten. Ihr Manager Willi Weber hat einen Startverzicht der beiden Formel-1-Piloten aus Kerpen am kommenden Wochenende ausgeschlossen. »Wenn Indianapolis stattfindet, dann fahren Michael und Ralf auch«, erklärte Weber in der »Bild am Sonntag«. Gerüchte über einen angeblichen Rücktritt des viermaligen Weltmeisters bezeichnete der Manager als »völligen Blödsinn«. Jaguar-Teamchef Niki Lauda billigte Schumacher und allen anderen Piloten zwar »einen persönlichen und emotionalen Standpunkt« zu, plädierte aber für einen Start. »In Indianapolis sollten ... alle Piloten fahren, auch Michael Schumacher«, forderte er in seiner Kolumne in der »Welt am Sonntag«.
»Die eigene Meinung zählt nicht«
Bereits zu Beginn der Woche hatte Michael Schumacher zu Spekulationen, er starte wegen der Terroranschläge nicht in den USA, auf seiner Homepage erklärt: »Dort nicht zu fahren, daran denke ich im Moment nicht.« Sein Bruder Ralf, beim Großen Preis von Italien einer der schärfsten Kritiker einer Fortsetzung des normalen Rennzirkusses, hatte bei der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) in Frankfurt erneut den Druck durch Max Mosley, den Präsidenten des Internationalen Automobil-Verbandes (FIA), und Formel-1-Chef Bernie Ecclestone beanstandet. »Die eigene Meinung zählt nicht«, klagte der Williams-BMW-Pilot: »Bernie und Max haben entschieden, dass wir auch in Indianapolis fahren. Also werden wir fahren.«
Michael Schumacher stand in Monza wie unter Schock und konnte seine tiefe Betroffenheit über die Anschläge und den schweren Unfall Alessandro Zanardis beim ChampCar-Rennen in der Lausitz kaum in Worte fassen. Der Rheinländer verkroch sich regelrecht in ein emotionales Schneckenhaus und flüchtete vor den Medienvertretern. Seit dem Italien-Grand-Prix hatte der Ferrari-Star keinen öffentlichen Auftritt mehr. Er verzichtete im Gegensatz zu seinem Bruder sogar auf die Testfahrten. Wie alle anderen Piloten will Schumacher so spät wie möglich in die USA fliegen und die politische Entwicklung abwarten.
»Damit ist der 'Gerechtigkeitsfanatiker' nicht fertig geworden«
Weber beschrieb die Seelenlage seines Schützlings so: »Es waren die Brutalität, die brutalen Bilder im Fernsehen und die Tatsache, dass so viele unschuldige Menschen auf solche Weise sterben mussten, die den sehr dünnhäutigen Michael erschüttert haben.« Damit sei der »Gerechtigkeitsfanatiker« nicht fertig geworden. »Dazu kommen die Gedanken an die eigene Familie, die für Michael extrem wichtig ist, und auch Ralf wird ja bald Vater. Es war das erste Mal in beider Leben, dass sie so etwas Abscheuliches erlebt haben.«
Start der Schumi-Brüder »keine Frage«
Zugleich stellte Weber gegenüber dem Blatt klar, dass es weitergehen müsse: »Was jetzt in der Welt passiert, ist einmalig. Dass sich die Politiker endlich einmal einig sind, die geschlossene Haltung gegen den Terror - das gibt den Menschen Stärke. Da schließen wir uns an.« Deshalb sei der Start der Schumacher-Brüder beim 16. und vorletzten Saisonrennen »auch gar keine Frage«.
Als »völligen Blödsinn« bezeichnete Weber Meldungen, »Schumi I« könne seine Karriere beenden. »Es war sicher ein einschneidendes Erlebnis, aber er ist auch Profi genug, dies nicht als Grund zum Aufhören zu nehmen. Dazu hat er generell immer noch viel zu viel Spaß am Fahren«, versicherte er: »Er wird seinen Vertrag bis 2004 bei Ferrari mit Sicherheit erfüllen. Vielleicht fährt er sogar noch weiter.«
Lauda: Keine Sicherheitsbedenken wegen Indianapolis
Lauda äußerte »Verständnis« für die ganzen Diskussionen. »Die Terrorkatastrophe in den USA hat uns alle geschockt. Viele sind verunsichert. Jetzt schlagen unsere Emotionen Purzelbäume«, schrieb der Österreicher in der »Welt am Sonntag«. Für ihn sei die Sicherheit aller Beteiligten entscheidend. »Da habe ich beim Grand Prix in Indianapolis ... keinerlei Bedenken.« Als rational denkender Mensch unterstütze er Ecclestone, der alle Fahrer zum Start dränge, aus drei Gründen: Erstens sei das Sicherheitsrisiko in den USA »sehr gering«, zweitens bestünden die US-Veranstalter selbst darauf, das Rennen auszutragen, drittens sei die FIA als oberster Gesetzgeber im internationalen Motorsport gegen eine Absage.