Ein neuer Fahrer, ein neuer Reifenpartner - und ein süffisanter Konter in Richtung Michael Schumacher: Mit einer frühen Präsentation und einer souveränen Rückgabe an den Weltmeister hat McLaren-Mercedes 42 Tage vor dem Beginn der Formel-1- Saison die Jagd auf den Ferrari-Star eröffnet. »Der Weltmeister hat immer Recht. Wollen wir ihn in dem Glauben lassen und dann schauen, wie es läuft«, sagte Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug in Barcelona als Reaktion auf die Einschätzung Schumachers, wonach er Williams-BMW für den stärksten Konkurrenten hält.
Geglückte Jungfernfahrt
Zumindest bei der Präsentation hat McLaren-Mercedes die Konkurrenz überholt. So früh wie noch nie präsentierte das schwäbisch-englische Team den neuen Siberpfeil MP 4-17. Williams-BMW folgt am 25. Januar, Ferrari erst am 6. Februar. Die Jungfernfahrt glückte auf Anhieb: Testpilot Alexander Wurz blieb bei den ersten Runden auf dem »Circuit de Catalunya« in 1:22,6 Minuten nur rund 1,5 Sekunden über dem Grand-Prix-Rundenrekord. Am Sonntag übernahm David Coulthard den neuen Dienstwagen. Alle erforderlichen Crash-Tests hat das Auto bestanden. Bis zum Saisonbeginn am 3. März in Melbourne haben die Silbernen noch einiges vor. Haug: »Es ist nicht so, dass wir uns sechs Wochen vor der Saison schon in die Hängematte legen können.«
Unbeeindruckt von Schumis Aussagen
Auch Coulthard, der erstmals den jungen Kimi Räikkönen als Teamkollegen zur Seite hat, gab sich relativ unbeeindruckt von der Tatsache, dass Schumacher ihn offenbar nicht an erster Stelle auf der Rechnung hat. Er fühle sich nicht beleidigt dadurch, versicherte der Schotte: »Ich schätze Michaels Meinung über Strecken oder Sicherheit. Aber bei der Einschätzung von Fahrern ist es nicht wichtig, was Michael sagt.« Schumacher hatte vor allem seinen Bruder Ralf und dessen kolumbianischen Williams-Teamkollegen Juan Pablo Montoya als seine Hauptrivalen genannt.
Optimismus ist da
Angesichts von vier Silberpfeil-Siegen und zehn Defekten in den Grand Prix 2001 hält Haug diese Einschätzung für okay. Er schob die Favoritenrolle der Konkurrenz zu. »Favorit ist ganz klar der Gewinner des Vorjahres«, meinte er. Als »Favorit Nummer zwei« nannte er Williams-BMW als das aufstrebendste Team 2001. »Wir sind sicherlich die Nummer drei, was die äußere Betrachtungsweise angeht.« Das ändert aber nichts an den großen Plänen der Silbernen: »Unser Ziel ist es, um die Weltmeisterschaft zu kämpfen.« McLaren-Chef Ron Dennis erklärte: »Das Team geht optimistisch in die Saison.«
Noch stärkerer Motor
Die Piloten enthüllten in Barcelona vor rund 250 Medienvertretern einen brandneuen Silberpfeil mit einem noch stärkeren und kompakteren Motor sowie einer veränderte Frontpartie mit einer tiefer gezogenen, schmaleren »Nase«, einer anderen Vorderradaufhängung und einer veränderten Heckpartie. Der Mercedes-Motor mit dem unspektakulären Namen FO110M V10 hat einen neuen Zylinderwinkel, was laut Haug einen »enormen Schritt« bei der Drehzahl bedeutet.
Reifenpoker
Die großen Unbekannten beim letztjährigen WM-Zweiten sind der noch unerfahrene Räikkönen als Nachfolger des Routiniers Mika Häkkinen sowie der Wechsel des Reifenpartners. Ausgerechnet Williams ist das Entwicklungsteam von Michelin, das nun auch McLaren-Mercedes ausrüstet. »Wenn man schon dran ist, etwas neu zu machen, dann kann man gleich alles neu machen«, scherzte Haug. Bisher ließ sich die Zusammenarbeit mit Michelin gut an, versicherte er.
Lehrzeit für Räikkönen
Über Räikkönen, der zuletzt beim Testen in Valencia einen Rundenrekord erzielt hatte, waren die Chefs auch voll des Lobes, auch wenn man ihm, so Haug, »eine gewisse Lehrzeit einräumen« muss. Der 22-jährige Finne, der nach einer Debüt-Saison bei Sauber direkt zu McLaren kam, gab sich gewohnt zurückhaltend, formulierte aber selbstbewusst und klar sein Saisonziel: »Ich möchte mindestens ein Rennen gewinnen und so viele Punkte wie möglich sammeln.«
Von Andrea Wimmer (dpa)