Nach der Absage von Wunschkandidat Marco Kurz begann sich das Gerüchtekarussell am Millerntor zu drehen: Michael Oenning, Thomas Wolter, Peter Neururer - und sogar Toni Polster waren nur einige, der kursierenden Namen. Doch der neue Mann an der Seitenlinie des FC St. Pauli heißt Michael Frontzeck. Er erhält einen Vertrag bis 30. Juni 2014.
Ob der 48-jährige Ex-Nationalspieler allerdings der richtige Mann ist, um die Braun-Weißen aus der Krise zu führen, muss sich erst zeigen - die Statistiken sprechen gegen ihn. Die bisherigen Engagements als Cheftrainer gingen gehörig in die Hose: Gleich in seiner ersten Trainersaison 2006/2007 stieg er mit Alemannia Aachen in die 2. Bundesliga ab und trat unmittelbar danach von seinem Amt zurück. Die darauffolgenden Stationen bei Arminia Bielefeld und Borussia Mönchengladbach verliefen ähnlich enttäuschend und endeten - nachdem er beide Vereine auf einen Abstiegsplatz geführt hatte - mit einer Entlassung. Und ausgerechnet dieser Michael Frontzeck soll den FC St. Pauli zurück auf die Erfolgsspur führen? Ausgerechnet er, der sein letztes Spiel als Coach (von Mönchengladbach) gegen St. Pauli (1:3) verloren hatte?
Hat er aus der Vergangenheit gelernt?
Was für Frontzeck spricht ist seine Erfahrung als Spieler: Nach 436 Bundesligapartien, 12 Einsätzen in der englischen Premier League für Manchester City und 19 Auftritten in der deutschen Nationalmannschaft kann der ehemalige linke Verteidiger aus einem großen Erfahrungsschatz schöpfen. Aber das war der Spieler. Was spricht für den Trainer Frontzeck? Mit gutem Willen könnte man ihm anrechnen, dass er sich mit Krisen auskennt. Er ist mit der Situation vertraut, ein Team zu leiten, dass um den Abstieg kämpft. Die Frage ist nur: Hat er aus der Vergangenheit gelernt?
Etwas aus der jüngsten Vergangenheit gelernt hat hoffentlich der FC St. Pauli. Das Hin-und-Her um Trainer André Schubert und die überraschende Entlassung von Sportdirektor Helmut Schulte im Mai diesen Jahres sorgten für Unruhe am Millerntor und färbten schließlich auch negativ auf die Mannschaft ab.
Trainer-Chaos führte zum Fehlstart
Nach dem haarscharfen Verpassen der Relegation (nur ein Punkt fehlte), schienen die Tage von Schubert als Trainer der Braun-Weißen gezählt - trotz guter Saison. Marco Kurz, der zuvor beim 1. FC Kaiserslautern gehen musste, wurde bereits als neuer Coach gehandelt. Doch dann überschlugen sich die Ereignisse: Die Vereinsführung machte einen Rückzieher und hielt an Schubert fest. Für den damaligen Sportchef und St. Pauli Legende Helmut Schulte ein Schlag ins Gesicht - war er doch bereits mit Kurz in Verhandlungen getreten. Als Vertrauensbeweis forderte er einen neuen Vierjahresvertrag, der ihm jedoch versagt wurde. Schulte ging, Rachid Azzouzi übernahm und Schubert blieb, vorerst.
Nach dem verkorksten Saisonstart, erwischte es André Schubert Ende September schließlich doch noch. Sechs Punkte aus sieben Spielen und Tabellenplatz 13 waren eine zu große Hypothek für den Trainer. Kaum war Schubert weg, wurde das vakante Traineramt erneut mit Marco Kurz in Verbindung gebracht. Doch der winkte dankend ab: "Das Interesse ehrt mich. Aber ich habe mich nach reiflicher Überlegung entschieden abzusagen", erklärte Kurz gegenüber dem Express.
Die Notlösung hieß Thomas Meggle. Der bisherige Co-Trainer leitete ab sofort das Training zusammen mit Timo Schultz und Matthias Hain. Das Interims-Trio sollte der Mannschaft neue Stabilität verschaffen. Doch der blamable 0:3-Auftritt beim Aufsteiger SSV Jahn Regensburg und der Fall auf Rang 15 wirkten alles andere als entschärfend auf die prekäre Situation. Ein neuer Coach musste schnell her - nicht nur weil den Interimstrainern die nötigen Lizenzen fehlen und sie lediglich noch für das Spiel gegen Union Berlin (Freitag, 18.00 Uhr) auf der Bank Platz nehmen dürfen.
In den Fan-Foren herrscht Skepsis
Die Partie gegen Berlin wird noch ohne Frontzeck stattfiinden, er wird das Training erst ab Montag übernehmen. Bis dahin wird die Troika Meggle, Schultz, Hain die Mannschaft weiterhin trainieren. Für die Verantwortlichen hat das kommende Heimspiel oberste Priorität. Ein sofortiger Beginn Frontzecks könnte die hohe Konzentration, die die Mannschaft in den letzten Trainingseinheiten an den Tag gelegt hat, stören, erklärt Sportchef Rachid Azzouzi diese Entscheidung. "In nur zwei Trainingseinheiten kann man nichts bewegen. Michael hat sich mit den Co-Trainern bereits getroffen, wesentliche Eckpunkte der künftigen Zusammenarbeit besprochen. Wir wollen einen sauberen Einstieg am Montag, dann sind zwei Wochen Zeit bis zum nächsten Punktspiel in Paderborn", so Azzouzi weiter.
Ob sich in der Person von Michael Frontzeck tatsächlich der erhoffte Erlöser verbirgt, der dem FC St. Pauli zurück zum Erfolg verhelfen kann, bleibt fraglich. Sein Misserfolg als Trainer wiegt sehr hoch. Hört man sich in den verschiedenen Fan-Foren des Klubs um, herrscht große Skepsis. Geht es nach Kapitän Fabian Boll, komme es nun gerade besonders auf die Fans an: "Was uns in den zurückliegenden Jahren ausgezeichnet hat, ist, dass wir gerade auch in schwierigen Phasen enger zusammengerückt sind. Das müssen wir gegen Union Berlin auch beweisen. In der jetzigen Phase sind wir auf die Unterstützung, den Support unserer Fans angewiesen.“