Ein kapitaler Fehler von Torhüter Oliver Kahn hat den FC Bayern München um die Champions-League-Sensation gegen Real Madrid gebracht. Beim 1:1 (0:0) im Achtelfinal-Hinspiel ließ der Kapitän, der trotz Rückenbeschwerden spielte, in der 83. Minute einen unspektakulären 30-Meter-Freistoß von Roberto Carlos unter dem Körper durchrutschen. Fassungslos verfolgten die 59 000 Zuschauer im ausverkauften Olympiastadion und Trainer Ottmar Hitzfeld am Spielfeldrand Kahns Fehlgriff. Acht Minuten zuvor hatte Roy Makaay mit seinem sechsten Tor im siebten Champions-League-Spiel den Bundesliga-Zweiten nach einer Fülle vor Torchancen in Führung geköpft.
"Das ist bitter"
"Das ist bitter und bedauerlich für Oliver Kahn. Wir hätten den Sieg verdient gehabt", sagte Hitzfeld: "Wir haben trotzdem eine Chance in Madrid und können stolz auf die Leistung sein." Für Real Madrid war es nach sieben Europacup-Niederlagen in München das erste Unentschieden.
Reaktionen zum Fehler von Oliver Kahn
Franz Beckenbauer: "Ich kann nur hoffen, dass der Oliver Kahn in Madrid so gut hält, dass er den Fehler wieder gut macht."
Rudi Völler:
"Den Fehler kann man mit dem im WM-Finale nicht vergleichen. Keiner wird sich mehr ärgern als der Olli. Da muss er halt in Madrid eines seiner Superspiele machen und ein paar Unhaltbare halten, um das wieder gut zu machen."
Lothar Matthäus:
"Kein Profi spielt für den anderen. Jeder spielt für sich selbst, aber nicht für Oliver Kahn. Er hat die Mannschaft in den letzten Jahren oft kritisiert, das bleibt in den Köpfen hängen. Er wird vor allem verfolgen, was da jetzt aus England kommt. Da wird einiges kommen. Das ist für Jens Lehmann ein gefundenes Fressen. Oliver Kahn wird keine ruhigen Tage haben in nächster Zeit."
Karl-Heinz Rummenigge:
"Keiner macht Oliver Kahn einen Vorwurf. Man muss ihn nach diesem Fehler nicht aufbauen. Er ist jetzt sauer. Er hat uns schon so viel gewonnen, er wird uns auch das Spiel in Madrid gewinnen, davon bin ich überzeugt."
Uli Hoeneß:
"Dem Olli ist keiner böse. Er hat uns schon so viele Spiele gewonnen. Ich glaube nicht, dass der Fehler mit dem Rücken zu tun hatte. So was kommt in hundert Jahren einmal vor, und es ist halt heute passiert."
Ottmar Hitzfeld:
"Das ist ein Schicksal für Oliver Kahn. Das ist bitter. Er hatte gut trainiert, er hatte keine Beschwerden mehr. Er hat sich fit gefühlt, von daher war er auch einsatzfähig. Man darf ihm nicht so große Vorwürfe machen. Er war schon so oft der Held."
Michael Ballack:
"Wir haben den Oliver schon aufgemuntert. Er ist direkt weg. Das ist für ihn persönlich bitter. Wir waren geschockt. Das passiert im Fußball, da muss er durch. Wir sind eine Mannschaft. Noch ist nichts verloren."
Roy Makaay:
"Wir sind sauer über das Ergebnis. Ein 1:1 macht eine Mannschaft kaputt. Aber das hat nichts mit Oliver Kahn zu tun. Das kann passieren. Es geht weiter, und der Olli muss sich keine Gedanken machen."
David Beckham:
"Gegen Oliver Kahn kann man nichts sagen. Er ist einer der besten Torhüter der Welt, das hat er so oft gezeigt. Ein dummer Fehler kann jedem mal passieren."
Luis Figo:
"Kein Profi-Fußballer wünscht sich so etwas. Für ihn ist das ziemlich schlimm, denke ich."
Bayern war Madrid mehr als ebenbürtig
Die Partie verlief von Beginn an in Bahnen, die kaum jemand erwartet hatte. Der FC Bayern war nicht der "adäquate Spielpartner", wie es sich Präsident Franz Beckenbauer erhofft hatte, sondern die klar spielbestimmende Elf. Und diese präsentierte sich gegenüber den zuletzt teilweise jämmerlichen Darbietungen auf nationaler Ebene endlich wieder als Mannschaft. Angeführt vom wieder genesenen Michael Ballack, der in etlichen harten Zweikämpfen Präsenz demonstrierte, kauften die Münchner den «Königlichen» mit enormem Einsatz und großer Disziplin den Schneid ab. Zum ersten Mal in diesem Jahr präsentierte sich der Bundesliga-Zweite als Team mit Format.
Zudem zahlte sich Hitzfelds taktischer Schachzug aus, mit der Hereinnahme von Martin Demichelis anstelle von Hasan Salihamidzic das zentrale Mittelfeld zu stärken. Der Argentinier engte als Staubsauger vor der Abwehr die Kreise von Raul ein. Da auch Owen Hargreaves das Duell gegen den französischen Superstar Zinedine Zidane für sich entschied, kam das Aufbauspiel von Real nicht auf Touren. Zudem zeigten sich David Beckham und Luis Figo beeindruckt von der körperbetonten Spielweise des FC Bayern.
Mangelhafte Chancenauswertung
Allerdings versäumte es der Bundesliga-Zweite, seine Feldüberlegenheit frühzeitig in Zählbares umzumünzen. Zwar brachten die Hausherren die alles andere als sattelfest wirkende Real-Abwehr immer wieder ins Schwimmen, doch fehlte es im Abschluss an der letzten Konsequenz. Nach einem Fast-Eigentor von Roberto Carlos (2.), der einen rabenschwarzen Tag erwischte, verfehlte zunächst der spielfreudige Claudio Pizarro (15. und 19.) zweimal sein Ziel. Danach scheiterten Ze Roberto (24.) und Owen Hargreaves (36.) am reaktionsschnellen Torhüter Iker Casillas. Real Madrid hatte seine erste nennenswerte kurz vor der Pause, als Ronaldo aus spitzem Winkel Keeper Oliver Kahn prüfte.
Auch in der zweiten Halbzeit, in der Salihamidzic für den verletzten Bixente Lizarazu (Muskelfaserriss im Oberschenkel) auf die ungewohnte linke Seite rückte, waren die Bayern die bessere Elf und erhöhten sogar noch der Druck. Doch der ersehnte Führungstreffer wollte trotz Chancen im Minutentakt nicht fallen. Beim Kopfball von Makaay nach toller Flanke von Ze Roberto (56.), bei Pizarros Aufsetzer (57.) und Ballacks Fernschuss (58.) fehlte nur wenige Zentimeter. In der 63. Minute rettete zudem Iker Casillas gegen Salihamidzic.
Als Makaay nach toller Flanke von Pizarro endlich das 1:0 gelang, schienen die Bayern für ihren Aufwand belohnt. Auch danach hatte Madrid keine echte Chance und machte dank Roberto Carlos und Kahn doch noch das 1:1.