Es ist dieses eine Tor, das sich einem ins Gedächtnis gebrannt hat, wenn man die Karriere von Claudio Pizarro verfolgt hat. Werder empfing im Februar 2001 Schalke 04 im Weserstadion. Mladen Kristajic spielte einen langen Pass über die Schalker Abwehr. Pizarro nahm den Ball im vollen Lauf an, ließ ihn ein Mal auf der Fußspitze tänzeln und hob ihn über Oliver Reck im Tor der Schalker hinweg. Das Tor war formvollendet und von größtmöglicher Eleganz. 22 Jahre war der Peruaner damals jung und spielte in seiner zweiten Saison in Bremen, bevor er im Sommer zum FC Bayern wechselte. Es war ein Tor, das man nie vergisst.
Mittlerweile ist Pizarro 41 Jahre und verabschiedet sich mit dem letzten Bundesliga-Spieltag am Samstag in den Ruhestand. Dass er in den vergangenen zwei Jahren bei seinem fünften Engagement in Bremen überhaupt spielte und sogar noch fünf Tore schoss, setzt der außergewöhnlichen Karriere die Krone auf.
Trauriger Abschied ohne Fans im Stadion
Leider wird es mit hoher Wahrscheinlichkeit ein ziemlich trauriger Abschied werden. Denn es fehlen nicht nur die Fans, die ihm in einem voll besetzten Weserstadion im letzten Saisonspiel gegen den 1. FC Köln einen rauschenden Abschied bereiten würden, sondern am Ende des Tages wird Bremen sich mit hoher Wahrscheinlichkeit in der 2. Liga wiederfinden.
Sie hoffen zwar auf ein Wunder von der Weser, um sich auf den Relegationsplatz zu retten. Doch selbst kühnste Optimisten mögen nicht so recht daran glauben, weil Bremen es nicht mehr selbst in der Hand hat. Gewinnt Konkurrent Fortuna Düsseldorf gegen Union Berlin, ist eh alles aus. Bei einem Unentschieden der Düsseldorfer, braucht Bremen einen Sieg mit vier Toren Differenz. Verliert Düsseldorf, reicht ein einfacher Sieg. Die Offensivschwäche des Teams lässt kaum große Hoffnung aufkommen.
Pizarro wird die sportliche Tragödie von der Bank aus verfolgen. Ob Trainer Florian Kohfeldt ihm einen letzten Einsatz gönnt, ist nicht vorhersehbar. Wenn überhaupt, läuft er noch einmal für zehn oder fünfzehn Minuten auf.

Mit Ailton bildete er den legendären "Pizzadienst"
So wird das Karrieende des einstigen Weltklassestürmers, den sie in Bremen so sehr verehren, zum Sinnbild für den Niedergang der Grün-Weißen. Seit die Bundesliga existiert, hat Werder nur die Saison 1980/81 in der zweiten Liga verbracht, kein Verein hat mehr Bundesliga-Spiele absolviert. Pizarro war in seinen insgesamt zehn Jahren in Bremen ein Teil davon und verkörperte die einstige Klasse, von der nichts mehr übrig ist. Pizarro hört auf und Bremen versinkt (vermutlich) endgültig in der Bedeutungslosigkeit im Unterhaus.
Dennoch wird Pizarro in der Kabine "seine Rolle spielen", so wie er es immer getan hat in Bremen und bei den Bayern: "Er wird (…) daran erinnern, dass wir auch spielen müssen, nicht nur kämpfen, kratzen und beißen", sagte Kohfeldt auf der Pressekonferenz vor der Partie. Zu seinen Fähigkeiten gehörte und gehört es, dass er ein positiver Typ ist, ein Filou und ein "Schlawiner", wie er sich in einer NDR-Dokumentation selbst bezeichnete. Selbstverständlich mit einem Lächeln im Gesicht, wie man es von ihm kennt. Sein früherer Trainer Thomas Schaaf nannte ihn einen "absoluten Menschenfänger" und "alles außer gewöhnlich". Werder Aufsichtsratsboss Marco Bode beschrieb ihn als "Gesamtkunstwerk".

Dass er überhaupt seinen Weg in die Bundesliga fand, verdankte Pizarro Werders damaligen Vorsitzenden Jürgen L. Born. Der hatte viele Jahre als Banker in Südamerika gearbeitet und war auf das Talent von Alianza Lima aufmerksam geworden. 1999 verpflichteten sie Pizarro für 1,6 Millionen D-Mark. In den zwei ersten Jahren in Bremen bildete er mit Ailton ein kongeniales Sturmduo, "Pizza Toni" genannt, bevor er zu den Bayern wechselte und seitdem, mit einer glücklosen Zwischenstation beim FC Chelsea und einem Kurzstopp beim 1. FC Köln, zwischen den Klubs hin und her pendelte. Zehn Jahre war er in Bremen, neun in München. Dort ist der "Pizzadienst" genauso beliebt, auch wenn er beim FC Bayern natürlich nicht die herausragende Stellung einnimmt wie im kleineren Bremen. Sein ehemaliger Teamkollege Philipp Lahm schwärmt noch heute von dem "genialen Fußballer, einen grandiosen Fußballer, mit dem es eine Freude war zusammenzuspielen".
Titel sammelte er mit den Bayern
Titel gewann er, bis auf den DFB-Pokalsieg 2009 mit Werder, ausschließlich mit den Bayern. Seine Bilanz: sechs deutsche Meisterschaften, sechs Pokalsiege und einmal die Champions League 2013.
Pizarro wird nach dem Ende der Karriere zu seiner Familie zurück nach München ziehen. Sie haben ihm beim FC Bayern einen Job als Markenbotschafter angeboten, seine Entscheidung steht aus. Sicherlich wird er seine riesige Pferderanch in Peru regelmäßig besuchen, wo er Rennpferde züchtet, die "Oktoberfest" oder "Klassenerhalt" heißen. Und vielleicht schaut er sich, wenn es sein Terminkalender zulässt, Spiele von Werder in der zweiten Liga an.
Quellen: "NDR Sportclub", "Kicker", DPA