Kontakte zu Neonazis Wiese, Werder und die Nazis: Wie eine Vereinsikone ihre Glaubwürdigkeit verspielt

Der frühere Werder-Torwart Tim Wiese bei einem Kick der DFB-Traditionsmannschaft im Juli 2022
Der frühere Werder-Torwart Tim Wiese bei einem Kick der DFB-Traditionsmannschaft im Juli 2022
© Action Press
Werder Bremen hat sich von seinem früheren Torwart Tim Wiese distanziert, weil der zu offensichtlich Kontakte in die rechtsextreme Szene pflegt. Überraschend kommt das nicht. Der Vereinsführung war der dubiose Umgang der Vereinsikone lange bekannt.

Tim Wiese war schon immer ein Typ, der provozierte. Für die Anhänger von Werder Bremen ist er einer der verehrungswürdigen Helden einer glorreicheren Vergangenheit. Für Nicht-Tim-Wiese-Fans war der muskelbepackte und sonnenstudiogebräunte Ex-Torwart die personifizierte Ausgeburt des arroganten Angeber-Profis, der gern ein anstrengendes Selbstbewusstsein zu Schau stellte. Jetzt hat Wiese allerdings ein Problem. Werder Bremen hat sich ganz offiziell von seinem einstigen Spieler distanziert. Wiese wird nicht mehr zu offiziellen Veranstaltungen eingeladen und darf auch nicht in der Werder-Traditionsmannschaft auflaufen. Ganz rausgeworfen hat man früheren Fan-Liebling aber nicht. Ins Stadion zum Spiele gucken darf er noch.

Der Grund für die Distanzierung der Klubikone: Wiese pflegt offenbar einen zu engen Umgang mit Neonazis. In den vergangenen Wochen waren Fotos in sozialen Medien aufgetaucht, die die freundschaftliche Verbundenheit zu Größen aus der rechtsextremen Szene belegen sollen.

Wieses Nähe zu Rechtsextremisten war Werder länger bekannt

Wieses Hang zu rechten Freunden war der Bremer Führung schon länger bekannt. Schon im März hatte es nach Auskunft des Klubs ein Gespräch der Vereinsführung mit dem Ex-Torwart gegeben. Zuletzt spitzte sich die Situation zu. Vor dem Abschiedsspiel von Claudio Pizarro Ende September im Weserstadion waren Fotos aufgetaucht, die Wiese mit Heiko Dörfer zeigen. Dörfer ist laut Auskunft von Wiese Besitzer des Fitnessstudios, in das er seit Jahren gehe. "Heiko betreibt seit 25 Jahren ein Fitnessstudio in Lilienthal. Dort haben wir uns vor Jahren kennengelernt, weil ich dort intensiv trainiere. Wir sind befreundet. Heiko ist nicht rechtsradikal, in sein Studio gehen doch ganz viele Leute - Omas, Opas, alle," sagte Wiese zu seiner Verteidigung noch Anfang Oktober dem Internet-Portal "Deichstube".

Dörfer ist zudem Gründer des Motorradklubs Radikal Kameraden Bremen, der ebenfalls dem rechten Spektrum zugeordnet wird. Ein offenbar älteres Bild aus dem Jahr 2014 zeigt Wiese mit Dörfer und einer dritten Person. Der heute 40-Jährige trägt ein schwarzes Trägershirt mit dem Logo des Motorradklubs, darauf sind Eichenlaub und Schlagringe zu sehen, zwei der am häufigsten verwendeten Symbole der extremen Rechten. Dörfer soll auch Kontakte zu bekannten Neonazi-Größen wie Heiko Ostendorf haben, Sänger der Neonazi-Combo Kategorie C. Dörfer selbst behauptet, lediglich patriotisch zu sein.

Beim Abschiedsspiel von Claudio Pizarro gab es deswegen neben viel Applaus schon Pfiffe gegen Wiese. Die Vereinsführung wollte diesen Auftritt offenbar bereits verhindern, aber Pizarro soll auf die Teilnahme des früheren Teamkollegen bestanden haben. Anfang Oktober hielten Fans während des Heimspiels gegen Borussia Mönchengladbach ein Banner hoch, auf dem sie ein Stadionverbot für Wiese forderten: "Wer mit Nazis abhängt, hat im Weserstadion nichts zu suchen – keine Bühne für Tim Wiese!".

Tim Wiese: "Absoluter Schwachsinn"

Daraufhin suchte Clemens Fritz, Leiter Profifußball und Scouting, der früher mit Wiese zusammengespielt hatte, erneut das Gespräch, der frühere Torwart stritt aber jede Nähe zum Rechtsextremismus ab: "Das, was er damals medial herausgegeben hat, hat er auch mir versichert, nämlich, dass er sich komplett von der rechten Szene distanziert. Das habe ich so hingenommen", sagte Fritz.

Wiese reagierte ebenfalls mit deutlichen Worten: "Das ist absoluter Schwachsinn. Ich habe nichts mit der rechten Szene zu tun und positioniere mich auch ganz klar gegen Rechts“, betonte er auf Nachfrage der "Deichstube": "Jeder, der mich näher kennt, weiß doch, dass ich mit vielen Migranten befreundet bin. Einige instrumentalisierende Möchtegern-Fans haben deshalb auch schon spekuliert, dass ich mit irgendwelchen Clans kooperiere. Das ist doch alles Unsinn."

Zwei Wochen nach Wieses energischer Distanzierung tauchten erneut Bilder auf, aber diesmal ganz aktuelle vom Bremer Freimarkt. Darauf ist Wiese im Gespräch mit einem Stefan Ahrlich zu sehen, der als stadtbekannter Rechtsextremist gilt. Ahrlich ist Mitglied der Standarte Bremen, einer rechten Hooligantruppe.

Werder hatte keine andere Wahl

Danach blieb den Werder-Verantwortlichen keine andere Wahl mehr. Wiese erhielt am Montagnachmittag einen Anruf der Geschäftsführung, in dem ihm mitgeteilt wurde, dass er bei Werder-Veranstaltungen vorerst nicht mehr erwünscht sei. Dazu wurde eine offizielle Mitteilung herausgegeben. "Uns bleiben trotz seiner Aussagen Zweifel, dass Tim sich diesen Kreisen nicht zugehörig fühlt", sagte Werder-Präsident Hubertus Hess-Grunwald.

An dem Tag ließ es sich Wiese dennoch nicht nehmen, auf dem Bremer Freimarkt eine kleinen Auftritt im Festzelt hinzulegen, so als sei gar nichts passiert. Zum Ballermann-Kracher "Mama Lauda" heizte Wiese den Fans ein, wie Twitter-Videos zeigen.

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