Dortmunds Geschäftsführer Michael Meier gibt die Zügel aus der Hand: "Das Schicksal des Traditionsclubs liegt in der Hand der Gläubiger", sagte er, nachdem der Verein am Donnerstag einräumen musste, vor dem Aus zu stehen.
Nach monatelanger Verschleierungstaktik mit diversen Dementis hat der einstige Branchenriese erstmals einen tiefen Einblick in seine desaströsen Bilanzen gewährt. Demnach hat sich die finanzielle Krise des Traditionsclubs dramatisch zugespitzt.
Nur eine Zustimmung der Gläubiger zu dem am Donnerstag vorgestellten Sanierungskonzept kann den sechsmaligen deutschen Meister noch vor der Pleite bewahren.
Reaktionen
Peer Steinbrück (Ministerpräsident von NRW): "Wir sollten keine Insolvenz herbeireden. Ich werde jede Gelegenheit nutzen, um an einer Lösung mitzuwirken, damit der BVB am Ball bleibt."
Tom Bender
(Sprecher der DFL): "Wir beobachten die Entwicklung beim BVB mit großer Sorge. Wie es sich auf die Lizenzvergabe für die Spielzeit 05/06 auswirkt, können wir noch nicht beurteilen."
René C. Jäggi
(Chef des 1. FC Kaiserslautern): "Natürlich hätten es alle am liebsten, wenn es vor der WM in Deutschland keine weiteren schlechten Fußball-Nachrichten geben würde. Klar ist auch, dass durch solche Vorkommnisse die Liga aufgerufen sein wird, bei Bilanzen und Gerantien noch mehr Transparenz einzufordern."
Felix Magath
(Trainer von Bayern München: "Die Situation ist nicht neu. Alle wussten, dass Borussia in Schwierigkeiten steckt. Ich gehe davon aus, dass Dortmund die finanziellen Probleme in den Griff bekommen wird."
Torsten Frings
(FC Bayern München): "Es wäre ein großer Verlust für die Bundesliga und den deutschen Fußball, wenn Dortmund nicht mehr da wäre."
"Ich mache ich mir große Sorgen aufgrund der Ad-hoc-Mitteilung des Vereins", sagte der Vorsitzende der Deutschen Fußball-Liga (DFL), Werner Hackmann, dem "Tagesspiegel". Er hat stellte Dortmund jedoch finanzielle Hilfe in Aussicht gestellt. "Wir haben für solche Fälle einen Solidaritätsfonds eingerichtet, um sicherzustellen, dass alle Bundesligisten die Saison zu Ende spielen können", sagte er dem "Tagesspiegel".
Die DFL hat sich aus Sicht Hackmanns nichts vorzuwerfen, was die Lizenzerteilung für die laufende Saison angeht. "Wir haben den Fall Dortmund sehr sorgfältig geprüft und analysiert und erst dann unter Auflagen und Bedingungen die Lizenz für die laufende Saison erteilt. Und wir verfolgen sehr genau, wie Dortmund mit diesen Bedingungen umgeht", sagte Hackmann.
Das Sanierungskonzept der Borussia will die DFL beim Lizenzierungsverfahren für die kommende Bundesliga-Saison mit aller Sorgfalt prüfen. "Wir kannten die Eckdaten des Konzepts. Wie es sich auf die Lizenzvergabe für die Spielzeit 2005/2006 auswirkt, können wir heute noch nicht beurteilen", so DFL-Pressesprecher Tom Bender. Die Lizenzunterlagen müssen die Profi-Clubs bis zum 15. März einreichen.
Eine Pflichtmitteilung des Unternehmens am frühen Donnerstagmorgen versetzte den durch den Wettskandal erschütterten deutschen Profi-Fußball erneut in helle Aufregung. "Für die Borussia Dortmund GmbH & Co. KGaA ist eine existenzbedrohende Ertrags- und Finanzsituation eingetreten", gab der BVB bekannt. Keine acht Jahre nach dem umjubelten Triumph in der Champions League haben die Sünden der Vergangenheit den Club endgültig eingeholt.
Verschwenderische Ausgabenpolitik
Die verschwenderische Ausgabenpolitik der Geschäftsführung hat den Club an den Abgrund geführt. Allein für das erste Halbjahr des Geschäftsjahres 2004/2005 ist mit einem operativen Verlust von 27,2 Millionen Euro zu rechnen. Bleiben Sanierungseffekte aus, droht der Gesellschaft im Planungszeitraum bis zum 30. Juni 2006 ein Schuldenstand in Höhe von 134,7 Millionen Euro.
Mit Leichenbittermiene warb Michael Meier auf einer Pressekonferenz um die Gunst der Gläubiger. "Die zentrale Botschaft ist, dass wir alle Verbindlichkeiten zurückführen werden. Das Unternehmen Borussia Dortmund ist sanierungs- und lizenzfähig", so der Geschäftsführer.
Bei der Suche nach Wegen aus der Schuldenfalle kann der BVB jedoch nicht auf weitere finanzielle Hilfe der Politik hoffen. "Der BVB darf nicht aus der Bundesliga verschwinden. Aber wir dürfen keine öffentlichen Gelder einsetzen, um die Millionengehälter von Profis abzusichern", sagte NRW-Sportminister Michael Vesper (Grüne).
Das von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft RölfsPartner vorgelegte Sanierungskonzept setzt allerdings das Wohlwollen aller Gläubiger voraus. "Deren überwiegende Mehrheit hat die Zustimmung bereits zugesagt", sagte Meier, "mit lediglich drei Finanzgläubigern werden gegenwärtig noch weiterführende Verhandlungen geführt." Das Konzept sieht laut Meier unter anderem "eine Stundung der landesverbürgten Darlehen" und eine 2Teilrückabwicklung des Verkaufs der Anteile an der Westfalenstadion GmbH & Co KG" vor.
Fehlbetrag von 68,8 Millionen Euro
Das noch vor wenigen Monaten vom Verein mit viel Optimismus vorgestellte Restrukturierungsprogramm allein kann dem Verein nicht aus der Bredouille helfen. Für das gesamte Geschäftsjahr 2004/2005 muss ohne Sanierungsmaßnahmen mit einem Fehlbetrag von insgesamt 68,8 Millionen Euro gerechnet werden. Unter Berücksichtigung kumulierter Verluste aus Vorjahren seien rund 79 Prozent des eingezahlten Kapitals der Aktionäre in Höhe von 179,5 Millionen Euro "durch Verluste aufgezehrt".
Wie das Unternehmen einräumte, steht derzeit kein Geld für Zahlungsverpflichtungen in Höhe von 29,7 Millionen Euro bis Ende Juni 2005 zur Verfügung. Die gegenwärtigen Engpässe sollen durch "Überbrückungsdarlehen einzelner Gläubiger aufgefangen werden, entsprechende Absichtserklärungen liegen der Gesellschaft bereits vor". Die leere Vereinskasse bringt selbst den WM-Standort Dortmund in Gefahr. Schließlich muss der Verein nach Einschätzung von Meier knapp fünf Millionen Euro aufbringen, um das Westfalenstadion für die vorgesehenen sechs WM-Spiele im kommenden Jahr zu modernisieren.
Großaktionär Florian Homm, der 26 Prozent der Anteile hält, will helfen. "Im Falle einer möglichen Illiquidität ist Geld vorhanden - aber nur unter härtesten Bedingungen", sagte er dem Wirtschaftsmagazin "Capital". Im Notfall will er den Traditionsclub umbenennen. "Dann heißt der Verein künftig eben FC Dortmund", so Homm.
Auch der Londoner Finanzinvestor Stephen Schechter, der am Mittwoch alle Kontakte zur Borussia abgebrochen hatte, brachte sich wieder ins Spiel. "Wir können die Restrukturierung schaffen", sagte er dem Handelsblatt.