Nein, Österreich ist beileibe kein Fußball-verrücktes Land. Das merkt man an diesen Tagen in der Alpenrepublik ganz besonders. Es ist EM, ja und? So richtig scheint das die Menschen in unserem Nachbarland nicht zu interessieren. Die Innenstädte von Klagenfurt, Wien, Innsbruck und Salzburg sind zwar überfüllt - aber eben nur wegen des Ansturms der ausländischen Fans. Von Euphorie oder gar einem Zusammenrücken einer ganzen Nation, wie vor zwei Jahren in Deutschland, ist nicht einmal ansatzweise etwas zu spüren.
Das mag in erster Linie an der nicht vorhandenen Stärke der österreichischen Mannschaft liegen. Wobei die gegen Kroatien trotz der 0:1-Niederlage gar nicht mal so schlecht ausgesehen hat. Dass Österreich bei dieser EM im eigenen Land nicht über die Rolle des aufmüpfigen Underdogs (wenn überhaupt!) hinauskommen würde, das war im Vorfeld klar. Aber dass die - zugegeben wenigen - positiven Erkenntnisse aus dem Kroatien-Spiel in der Öffentlichkeit fast ausnahmslos ausgeklammert werden, mutet schon merkwürdig an.
Jürgen Macho als Sündenbock
Deutschland ist 2006 als krasser Außenseiter ins Turnier gestartet. Keiner wusste, wo Klinsmanns Truppe vorher stehen würde. Mit ihrem erfrischenden und unbekümmerten Stil spielte sich die Mannschaft dann in die Herzen ihrer Fans. Der Funke war gezündet. Der weitere Verlauf ist bekannt. In Österreich hat man das Gefühl, dass die eigenen Landsleute ihren Harniks, Machos und Prödls von Anfang an rein gar nichts bei dieser EM zugetraut haben. Schwerer kann man es einer Gastgebermannschaft kaum machen.
Und die Presse? Die tut ihr Übriges dazu. Seit zwei Tagen wird vogelfrei nach den Ursachen der Kroatien-Pleite geforscht. Viele Gazetten haben den armen Tropf im Tor der Österreicher, Jürgen Macho, als Sündebock für die Niederlage ausgemacht. Der hätte beim entscheidenden Elfmeter von Luca Modric gefälligst auf der Linie stehen bleiben sollen. Ist klar! In anderen Blättern wird Teamchef Hickersberger vehement dafür angegangen, dass er Sturm-Tank Stefan Maierhofer von Rapid Wien nicht nominiert und stattdessen einen weiteren Verteidiger mit ins Aufgebot geholt hat. Maierhofer hätte mit seiner Kopfballstärke ganz sicher gegen Kroatien getroffen, heißt es da. Hätte, wäre, könnte. Einfallsreich und konstruktiv sieht anders aus!
Entscheidung fällt im Elfmeterschießen
Jetzt müssen die bedauernswerten Jungs im rot-weiß-roten Dress also Polen schlagen, um sich die winzige Chance aufs Weiterkommen zu wahren. Gar nicht auszudenken, wenn es im letzten Gruppenspiel gegen die ungeliebten Piefkes für Österreich um Alles oder Nichts gehen sollte. Da kann man richtig Mitleid bekommen.
Aber Halt! Stopp! Die "Kronen-Zeitung" hat die Hoffnung tatsächlich noch nicht aufgegeben. Das Boulevardblatt schwimmt gegen die Stimmung in der Öffentlichkeit und will das eigene Team partout nicht begraben. Es baut auf ein Elfmeterschießen gegen Deutschland. Sie haben richtig gelesen. Wie das gehen soll? "Schlagen wir die Polen 2:0 und verlieren die Deutschen 0:1 gegen Kroatien, gehen beide Teams mit drei Punkten und 2:1 Toren in die Partie. Endet diese dann unentschieden, müsste ein Elfmeterschießen über den Aufstieg ins Viertelfinale entscheiden"! Ein verrücktes Volk, diese Österreicher.