EM 2016 Ein frühes Aus? So ein Quatsch, darum holt Deutschland den Titel!

Die EM 2016 startet und als amtierender Weltmeister malt sich Deutschland gute Chancen auf den Titel aus. Völlig zu Recht, meint unser Autor: Dieses Team wird alle Probleme mit seiner fußballerischen Klasse lösen.

Noch nie durften Fans der deutschen Fußball-Nationalmannschaft auf derart hohem Niveau meckern. Zugegeben: So richtig in die Gänge sind die Weltmeister in den vergangenen zwei Jahren seit dem Titelgewinn von Brasilien nicht gekommen. Eine mittelmäßige Qualifikation, in der zu keinem Zeitpunkt die nötige Spannung aufgebaut werden konnte; ein Vorbereitungsspiel der chaotischen Sorte gegen die Slowakei - und ein paar verletzte Spieler weniger könnten es auch sein. Gründe genug, um zu fragen: Wo soll das bloß hinführen beim Turnier in Frankreich? Antwort: geradewegs auf den europäischen Fußball-Thron!

Es heißt ja immer: Deutschland ist eine Turniermannschaft - steigert sich von Spiel zu Spiel, kämpft sich gegen alle Widrigkeiten durch, hat das nötige Glück. Die Stars, das sind die anderen. So konnte, zum Beispiel, eines der vermeintlich schwächsten deutschen WM-Teams aller Zeiten 2002 trotzdem bis ins Finale gelangen. Ob ihrer limitierten fußballerischen Fähigkeiten (einzige Ausnahme: die deutschen Europameister von 1972) wurde die deutsche Mannschaft trotz aller Erfolge im Ausland stets gleichzeitig belächelt und gefürchtet. Das hat sich in der Ära Löw komplett gewandelt. Die DFB-Elf wird längst auch für ihren spielerischen Glanz bewundert. Eine Turniermannschaft, die auch noch kicken kann? Das ist eine unschlagbare Kombination.

Zum ersten Mal werden Deutschlands kämpferische Qualitäten nicht ausschlaggebend sein. Die Spielkultur ist inzwischen so hoch, der Kader so tief, auch die nachrückenden Talente schon so stark, dass man sich nicht mehr - wie früher - auf Faktoren wie Glück, Kampfkraft und Beharrlichkeit verlassen muss oder darauf, dass ein einsamer Leitwolf liefert wie zu Zeiten von Ballack oder Kahn. Der Ausfall von Marco Reus ist menschlich eine Tragödie, fußballerisch ist er bei einem Offensivaufgebot mit Klasseleuten wie Özil, Müller und Götze locker aufzufangen. Der personelle Engpass auf der Innenverteidigerposition macht auf den ersten Blick Sorgen - dabei ist es letztlich egal, wer an der Seite des seit Jahren weltweit herausragenden Boateng über sich hinauswachsen wird: Mustafi, Höwedes, Tah. Den defensiven Rest besorgt Manuel Neuer, der sich allerdings tatsächlich auf keinen Fall verletzen darf. Mit den turnierunerfahrenen Ersatztorhütern ter Stegen und Leno geht Löw tatsächlich ein großes Risiko ein, das hoffentlich keine Rolle spielen wird.

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Das starke Team der alten Säcke

Deutschland vor der EM: Meckern auf hohem Niveau

Wie gesagt: meckern auf hohem Niveau. Denn ein Blick auf das ungewohnt üppige Teilnehmerfeld offenbart vor allem eines: Die Klasse war in der Breite noch nie so hoch, aber an der Spitze war die Luft für die meisten Teams auch selten so dünn. Die üblichen Verdächtigen sind schwer einzuschätzen: Können die auf Vereinsebene so dominanten Spanier noch mal an alte Klasse anknüpfen oder fehlt ihnen womöglich ein richtiger Torjäger? Sind die Engländer so stark wie sie scheinen oder noch nicht so weit? Hat Italien nicht gar einen der schwächsten Kader seit Jahrzehnten oder wurschteln sie sich doch wieder von Runde zu Runde? Sind die begnadeten Belgier denn auch echte Gewinnertypen oder reicht es am Ende bei allem Hype wieder nicht für den ganz großen Wurf? Und wie gut sind potenzielle Überraschungsteams wie Österreich, Kroatien oder Island, wenn es drauf ankommt? Die schlichte Antwort auf diese Fragen lautet: Frankreich scheint neben Deutschland der einzig wirklich heiße Titelanwärter zu sein - und würde im direkten Duell unterliegen, weil es im späteren Turnierverlauf immer auf Erfahrung und defensive Stabilität ankommt. Beides hat die deutsche Mannschaft dem Gastgeber voraus.

Natürlich macht sich das Fehlen der Weltmeister-Achse immer noch bemerkbar: Einen adäquaten Ersatz für Philipp Lahm hat Bundestrainer Joachim Löw außen in zwei Jahren nicht gefunden. Aber Per Mertesacker war bei vielen Beobachtern schon zu seiner aktiven Zeit nie unumstritten, zumindest fußballerisch sind seine Nachfolger deutlich begabter. Und auch wenn Mario Gomez von der mitreißenden Mannschaftsdienlichkeit des legendären Miro Klose meilenweit entfernt ist, so kann seine aktuelle Treffsicherheit als Besiktas-Stürmer (die er hoffentlich ins Nationalteam importiert) zumindest mit dem 2014er-Klose mithalten.

Es gibt also keinen Anlass zu übertriebener Skepsis. Wenn es um die deutschen Titelchancen geht, hört man in den letzten Tagen häufig den Satz: "Ich glaub da noch nicht dran." Ja, noch. Aber das wird sich schon mit dem ersten Gruppenspiel gegen die Ukraine ändern. 2014 startete man mit einem 4:0 gegen Portugal ins Turnier, ein ähnliches Ergebnis zum Auftakt wird auch 2016 viele Zweifler besänftigen. Es wird der Startschuss für vier erfolgreiche Wochen, inklusive Happy End. Deutschland wird Europameister, weil die traditionelle Turniermannschaft der kompletten Konkurrenz zum ersten Mal auch spielerisch überlegen ist. Zusammen mit der Fähigkeit, im Verlauf eines Turniers zur eingeschworenen Gemeinschaft zu werden, lassen sich so alle Unwägbarkeiten einer EM überwinden.

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Das sind die schönsten Spielerfrauen der EM

EM 2016: Ohne Elfmeterschießen zum Titel

Alle Unwägbarkeiten? Fast alle, denn hier lauert auch die einzige Gefahr auf dem Weg zum Titel: Die deutsche Mannschaft verliert kein Elfmeterschießen, so lautet ein ungeschriebenes Fußballgesetz. Warum? Na, weil sie eben seit 1976 keins verloren haben. Genau das birgt aber ein psychologisches Problem: Irgendwann reißt auch die längste Serie und die Mischung aus trügerischer Sicherheit und der Tatsache, dass diese Ansammlung brillanter Fußballer mit ihrer Feinsinnigkeit im negativen Sinne geradezu prädestiniert scheint, mit dieser vermeintlich unbesiegbaren Elfmetertradition zu brechen, könnte im entscheidenden Moment zum Verhängnis werden. Zumindest wäre es eine dieser typischen "Geschichten, die nur der Fußball schreibt."

Aber zum Glück wird diese Mannschaft ja gar kein Elfmeterschießen brauchen, wie schon bei der WM 2014 nicht. Sie wird es fußballerisch lösen, in der regulären Spielzeit oder in der Verlängerung, zur Not mit der unaufhaltsamen Wucht der Turniermannschaft. Und dann gibt es für die Fans auch nichts zu meckern. Nicht mal auf höchstem Niveau.

Hier finden Sie unseren Spielplan EM 2016.

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