Es hätte alles so schön sein können. Fenerbahce Istanbul hatte im vergangenen Jahr den 18. Titel in der Süper Lig geholt, war damit am Rivalen Galatasaray vorbeigezogen und durfte sich Rekordmeister nennen. Doch dann wurden Verdächtigungen laut und das Wort Manipulation machte die Runde.
Es folgten landesweite Razzien und im Endeffekt hatte der türkische Fußball den bis dato größten Skandal seit seiner Gründung. Fener-Präsident Aziz Yildirim wurde neben geschätzten 60 anderen Personen verhaftet, der Club aus der Champions League genommen und der Start der Liga verschoben. Wir wagen eine Bestandsaufnahme.
Was bisher geschah
Mit einem 4:3-Sieg bei Sivasspor sicherte sich Fener am letzten Spieltag der vergangenen Saison den 18. Titel und gewann dank des gewonnenen Vergleichs den Titel vor Trabzonspor. Beide Mannschaften hatten 82 Punkte auf dem Konto, doch während Fenerbahce das Auswärtsspiel mit 2:3 verlor, gewann man das Heimspiel im Şükrü Saracoğlu Stadion mit 2:0. Die erfolgreiche Saison sollte in der Champions League veredelt werden, doch es sollte anders kommen.
Denn Fener stand schon lange Zeit auf der Liste der Polizei und man wartete nur auf den richtigen Zeitpunkt, um wegen der vermuteten Spiel-Manipulationen zuzuschlagen. Wie die Zeit berichtet, gelangten die Behörden durch reinen Zufall an brisante Informationen, als Gespräche der Mafia abgehört wurden.
Bei einem dieser Gespräche identifizierte man Fener-Präsident Aziz Yildirim und der Stein geriet ins Rollen. Im Endeffekt geht es um etwa 20 manipulierte Spiele, darunter auch das Pokalfinale zwischen Besiktas und Istanbul BB und jenes letzte Spiel von Fener, dass die Meisterschaft sicherte.
Mehr als 60 Personen wurden ab dem 3. Juli 2011 in Untersuchungshaft verfrachtet: Spieler, Funktionäre, Manager und Trainer. Dabei war eben der neue Rekordmeister besonders ins Visier der Ermittler geraten. Wie der Kicker berichtet, schlug eine Einheit der Polizei gegen organisierte Kriminalität an jenem Sonntagmorgen in Istanbul, Sivas, Ankara und Izmir zu.
Ziel der Zugriffe waren dabei das Haus von Yildirim sowie die Geschäftsstelle des Clubs und andere Geschäftsstellen einiger Vereine der Liga. Auch auf tagesspiegel.de war zu lesen, dass Yildirim "die entscheidende Person bei den organisierten illegalen Bestechungszahlungen an gegnerische Mannschaften gewesen sein soll. Neben ihm verhaftete die Polizei auch dessen Stellvertreter Sekip Mosturoglu. Unter den weiteren Verdächtigen finden sich angeblich aber auch Mitglieder von Besiktas Istanbul dem nächsten großen Verein der Süper Lig.
Bestechungen an der Tagesordnung?
Dass die Polizei überhaupt mit einem Einsatz beginnen konnte, verdankt man unter anderem einem Fan von Fenerbahce: Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan. Denn erst im Frühjahr, so berichtet es zeit.de, wurde ein Gesetz verabschiedet, welches Manipulation im Sport offiziell unter hohe Strafen stellt und Einsätze der Staatsgewalt erlaubt.
Zuvor waren Bestechungen laut kurier.at an der Tagesordnung und galten als "geduldeter Usus. Dabei war es erlaubt, den Gegner mit einer Handvoll Geld davon zu überzeugen, nicht mit voller Bereitschaft zu agieren. Lediglich eine direkte Aufforderung, ein Spiel zu verlieren, war verboten. "Wenn die vergangenen 20 Jahre untersucht werden würden, könnte man keine einzige unverdächtige Person finden, ergänzte Ismail Uyanik, ehemaliger Präsident von Samsunspor, auf sport10.at.
Es folgte also die Inhaftierung von Yildirim und die Resonanz auf diese Aktion ist durchaus gemischt. Während zeit.de einige Gruppen von Fans zitiert, die vor dem Metris-Staatsgefängnis in Istanbul standen und riefen: "Was auch passiert, wir stehen wie ein Mann hinter Dir, redete ein anderer Fan von Fenerbahce auf tagesschau.de Klartext: "Wo immer es schmutzige Geschäfte gibt, sollte man hart durchgreifen! Wir wollen keine korrupte Gesellschaft! ( ) Wenn die Dreck am Stecken haben, dann soll sie der Teufel holen. Was soll ich mit so einem Verein anfangen?"
Und der Verband TTF griff schließlich hart durch. Auf Druck der UEFA nahm man den amtierenden Meister nach einer Sondersitzung wegen anhaltender Ermittlungen aus der Champions League und ersetzte ihn durch Vizemeister Trabzonspor.
Mal langsam, mal schnell
Auf standard.at fragte sich ein Anhänger des Clubs derweil, warum die UEFA eine solche, mit enormer Tragweite behaftete, Entscheidung innerhalb von wenigen Stunden fällen könne, die türkische Justiz allerdings über acht Monate brauche und selbst danach noch keine konkreten Entscheidungen gefällt habe.
"Das ist nicht konsequent, erklärte auch der vor einigen Tagen zurückgetretene Fener-Vizepräsident Nihat Özdemir auf focus.de. "Erst wurden wir für die Champions League gemeldet, dann ausgeschlossen. Wenn der Verband nicht in der Lage ist, uns gegen die UEFA zu verteidigen, und annimmt, dass wir manipuliert haben, soll er uns in die 2. Liga schicken. Dann werden wir dort Meister und steigen wieder auf. Doch diese Forderung wurde abgelehnt. Offiziell, da es keinen schriftlichen Antrag gab.
Wirklich konsequente Urteile gab es bisher tatsächlich nicht, auch weil Verbandschef Mehmet Ali Aydinlar darauf verweist, dass die Beweislage der Ermittler für drastische Urteile nicht ausreiche und es deswegen auch noch keinen Grund zum Handeln gebe. Dementsprechend sind unpopuläre Entscheidungen zurzeit kein Thema.
Während Aydinlar dies eben mit fehlenden Verurteilungen gegenüber dem Tagesspiegel begründete, sah der Kolumnist Aziz Üstel die ganze Sache ein wenig anders und flüchtete sich in Sarkasmus: "Macht weiter wie bisher, lasst Euch nur nicht mit Geld in der Hand auf frischer Tat ertappen.
Der Ist-Zustand
Fassen wir zusammen: Die Süper Lig steht sicherlich vor der schwärzesten Stunde seit der Gründung im Jahr 1959. Noch gibt es kein abschließendes Urteil im Manipulationsskandal, doch es scheint klar, dass viele Spiele durch illegale Absprachen manipuliert wurden. "Das ist die schwerste Krise unserer Geschichte", sagt auch Aydinlar auf zeit.de.
Noch ist dabei nicht klar, ob es um den Einfluss einer Wettmafia ging, oder einzig und allein um einen Vorteil im sportlichen Wettbewerb. Sicher ist bislang nur, Fener wird die Teilnahme an der Champions League verwehrt. Dass der Club vor dem internationalen Sportgerichtshof CAS Klage eingereicht hat, um so die Teilnahme nachträglich noch zu erreichen, ist dabei nur eine Randnotiz.
"Dieser Schritt von Fenerbahce ist völlig normal, wird der Aydinlar in türkischen Medien zitiert. "Wir beurteilen dies nicht als falsch. Zudem geht es bei der Klage auch um eine Forderung in Höhe von 45 Millionen Euro im Hinblick auf finanzielle Einbußen.
Ob der Ermittlungen ist der Start der Liga, die ursprünglich am 5. August starten sollte, verschoben worden und soll am kommenden Wochenende beginnen - mit Fener als Meister. Denn wie auf diepresse.com zu lesen war, wird dem Club der Titel nicht aberkannt. Und auch der Ausschluss aus der Champions League kam eben nur auf Druck der UEFA zustande. "Sonst hätte es Sanktionen gegen Fenerbahce und den nationalen Verband gegeben", zitiert diepresse.com eine Mitteilung vom Verband.
Wie geht es weiter?
Es steht also noch in den Sternen, wer nun letztendlich mit welcher Strafe belegt wird. Der Antrag auf freiwilligen Abstieg von Fener wurde wie erwähnt nicht akzeptiert, auch weil die Vermutung im Raum steht, Fener habe Angst vor einer verspäteten Entscheidung.
Denn würde erst in der laufenden Saison ein Urteil zum Zwangsabstieg gefällt was vom Zeitpunkt her sehr wahrscheinlich ist -, hätte der Club ein komplettes Jahr verloren. Bei einem freiwilligen Abstieg zum jetzigen Zeitpunkt wäre der "Betriebsunfall wahrscheinlich mit dem direkten Wiederaufstieg behoben.
Demirel will in Liga 2
Nationaltorhüter Volkan Demirel sagte auf tagesschau.de: "Wir wissen noch nicht, wie sich der Verband endgültig entscheiden wird, aber unser Wunsch ist es, mit einer weißen Weste anzutreten. Also: Wenn sie uns schon nicht in der Champions League mitspielen lassen, dann wollen wir auch nicht in der 1. Liga spielen!"
Möglich ist allerdings auch ein drastischer Punktabzug im Vorfeld der Spielzeit 2011/12. Aber auch dabei werden Verschwörungstheorien laut, die ein Szenario entwickeln, dass es in sich hat. Dazu muss man wissen, dass es eine Änderung im System gegeben hat und die Meisterschaft ab sofort im einem Playoff-Modus entschieden wird. Nach der Saison kämpfen die vier bestplatzierten Mannschaften letztendlich um den Titel.
"Wir werden das ausprobieren. Vielleicht wird es in der Zukunft auch wieder eingestellt, aber wir glauben, dass es jetzt frischen Wind bringt. Die Klubs werden mehr Geld einnehmen. Der Fußball wird attraktiver, so Aydinlar auf ran.de.
Hintertür für Fenerbahce?
Die Verschwörungstheoretiker meinen, dass die Liga nicht den Mumm habe und Fener praktisch eine Hintertür auf die Meisterschaft offen lasse. Denn Spekulationen zufolge könnte der Punktabzug 10 bis 15 Zähler betragen und eine reguläre Chance auf die Meisterschaft wäre im normalen Ligamodus ausgeschlossen deswegen die Playoffs.
So könnte es auch darum gehen, die Attraktivität für Sponsoren und Fernsehgelder hochzuhalten, denn es wäre sicherlich begrüßenswert, den Rekordmeister mit dabei zu haben, wenn es schließlich in den Ausscheidungsspielen um den Titel geht. Ein größeres Märchen wäre dabei kaum möglich und würde die Einschaltquoten in ungeahnte Höhen treiben.
Nun muss jedoch erst einmal abgewartet werden, was letztendlich dabei herauskommt, wenn alle Fakten ausgewertet sind. Dass der Ruf der Liga Schaden nehmen wird, ist klar. Denn es ist unwahrscheinlich, dass alle Anschuldigungen fallen gelassen werden und es im Endeffekt keine Bestechung gab. Nun geht es also darum, vernünftige und auch harte Entscheidungen zu treffen, um die Zukunft der Süper Lig zu sichern und den Fußball wieder in den Vordergrund zu rücken.
Gunnar Beuth