Mit Verlaub: Das sah am Mittwochabend in Athen nicht wirklich gut aus, was Werder Bremen in der traditionsreichen olympischen Spielstätte Spiros Louis im Norden der griechischen Hauptstadt anstellte. Gewiss, dank eines späten Kopfballtores von Hugo Almeida (82.) erkämpfte sich der Bundesligist immerhin ein 2:2 (1:1) im dritten Champions-League-Gruppenspiel, was für das Rückspiel am 4. November im Weserstadion alle Optionen offen lässt. Drei Spiele, dreimal Remis - so lautet die (bescheidene) Bremer Zwischenbilanz, die Sportchef Klaus Allofs indes "als gute Voraussetzung" nimmt. Andere Protagonisten aus dem grün-weißen Tross hoben aber noch in Athen den mahnenden Zeigefinger.
"Nach dem 0:0, 1:1 und 2:2 darf jetzt aber kein 3:3 im Heimspiel gegen Panathinaikos stehen. Wir müssen es schnellstens abstellen, immer so viele Gegentore zu bekommen, dann finden wir auch endgültig wieder zum Erfolg", bilanzierte Torsten Frings, der sich einer ausführlichen Analyse hingab. "Wir müssen nicht diesen Hauruck-Fußball spielen, sondern auch mal so wie heute, auf den Fehler des Gegners warten. Auswärts ein Punkt zu holen, ist immer in Ordnung. Jetzt müssen zwei Siege her, und dann haben wir ein Heimspiel gegen Inter Mailand, in dem du dich allen zeigen kannst", gab der 31-Jährige einen Einblick in seine Bremer Gedankenwelt.
Parallelwelt Nationalmannschaft
Doch im Leben des langmähnigen Mittelfeldmannes gibt es auch noch eine Parallelwelt, und die heißt Nationalmannschaft. Michael Ballack hatte in einem großen Interview die vermeintlich ungerechtfertige Behandlung des Torsten Frings durch den Bundestrainer Joachim Löw wortreich beklagt und damit bekanntlich ein Erdbeben im deutschen Fußball ausgelöst. Jede Zeile der in DFB-Kreisen mit großem Erschrecken registrierten Ballack-Ausführungen dürfte Frings mit großer Genugtuung in einem Athener Luxushotel genossen haben. Ist es anders zu erklären, dass Werders Wortführer aus der fernen Mittelmeer-Metropole nun das nächste Donnergrollen folgen ließ, dass in der Verbandzentrale in der Frankfurter Otto-Fleck-Schneise mit weiteren Empfindlichkeiten registriert wird.
Frings polterte: "Es ist gut, dass der Michael Ballack mal die Wahrheit gesagt hat. Er merkt, dass etwas nicht in Ordnung ist, und das ist sein gutes Recht, seine Meinung zu sagen." Zumal Frings ja der gleichen Meinung ist und mit Ballack völlig auf einer Linie liegt. "Der Micha ist mein Freund. Wir kennen uns seit der U 21. Wir verstehen uns gut, wir sind ein Super-Gespann und dieses Gespann hat man auseinandergerissen."
Mit grimmiger Miene in der Mixed-Zone
Zum Unverständnis der Strategen jenseits der 30, die wie alternde Leitwölfe um ihre Vormachtstellung im Rudel kämpfen. Denn mit grimmiger Miene antwortete Frings in der Mixed Zone vor dem Absperrgitter auf die Frage, ob die Flucht von Kevin Kuranyi, die Anklage von Michael Ballack oder die eigene Rücktrittsdrohung denn Zufall sei: "Das sollte man hinterfragen, warum sich gestandene Spieler so aufregen. Die Art und Weise, wie mit mir umgesprungen worden ist, geht nicht. Man macht sich Gedanken, warum das so ist." Er, Frings, die Kämpfernatur, der sich stets eher über Grätschen und Tacklings, denn Tricks und Toren definiert hat, konterte in dieser Nacht auch den Vorwurf, er würde sich mit bald 32 Jahren dem Konkurrenzkampf nicht mehr stellen. "Das ist Unsinn. Ich bin seit elf Jahren Profi und habe in meiner Karriere nie was geschenkt bekommen."
Das mag ja sein. Doch zur Ehrenrettung der angeprangerten Verhaltensweise der DFB-Verantwortlichen sei sehr wohl gesagt, dass Löw etliche Gespräche mit Frings führte, um ihn die Nicht-Berücksichtigung aus sportlichen Gründen zu erläutern. Ausführlich wie persönlich.
In Athen nur Mitläufer
Und wer den 78-fachen Nationalspieler in der Begegnung bei den leidenschaftlichen grün-weißen griechischen Gastgebern beobachtet hat, der kommt um die Feststellung nicht herum, man hätte Frings in Athen jene Entschlossenheit bei der Arbeit auf dem Platz gewünscht, die später in seinen Worten mitschwang. Denn es darf nicht verschwiegen werden, dass beim Powerpaket aus Würselen erst weit nach Mitternacht die Post abging. Genau wie der brav-bieder auftretende Diego war Frings nämlich nur Mitläufer in einer höchst mittelmäßigen Mannschaft, die Glück hatte, dass der englische Referee Michael Riley ein klares Handspiel übersah, das der Ballannahme vor dem Treffer zum 1:0 (29.) vorausging.
Werder ohne Ordnung
Werder brachte nie wirklich Ordnung in seine Reihen, und daran war Frings mitschuldig. Erschreckend, wie leicht ihn der Österreicher Andreas Ivanschitz nach einer Stunde überlief (60.); erstaunlich, wie offen ihn Ersatztorwart Christian Vander anschrie (62.). Dabei hätte der Stellvertreter von Tim Wiese zwei Tage vor seinem 28. Geburtstag eigentlich vorher ausrasten können: Denn bis weit in die erste Hälfte hinein wurde Werders Schlussmann Zielscheibe eines grünen Laserpointers. Immer wieder zeichnete sich der Strahl auf Vanders Gesicht ab, doch mit stoischer Ruhe ignorierte der Werder-Torwart diese gesundheitsgefährdende Unsitte. "Wenn ich da ein Bohei von mache, verliere ich die Konzentration. Freunde hatten mich davor gewarnt, ich hatte so etwas noch nie erlebt."
Erst als der Stadionsprecher mit dem Spielabbruch drohte, hörten die törichten Kindereien auf, die dem kahlköpfigen Keeper nichts anhaben konnte. Die Kopfball-Bogenlampe von Evangelos Mantzios (36. und 68.) kommentierte Vander nämlich im Stile eines Staatsmannes: "Da kann ich nichts machen. Solche Tore macht der Mantzios nicht wieder. Ich bin froh, dass ich der Mannschaft Sicherheit gegeben habe." Ganz im Gegensatz zu manch prominenteren Vorderleuten.