So freundliche Gegner sind selten geworden in diesem Geschäft, und man kann sich ausmalen, wie sehr die Leid geprüften Bayern den Abend genossen haben. Sporting Lissabon stellte sich in der Allianz-Arena noch wunderlicher an als vier Tage zuvor Hannover 96, doch wir wollen nicht krittelig sein. Wer im Achtelfinale der Champions League einen Gegner dermaßen auf Kleinstformat zurechtstutzt, der gehört gepriesen: Bayern München also ist auf historisch zu nennende Art und Weise ins Viertelfinale gestürmt. Nach dem 5:0 im Hinspiel zerlegte man den Gegner aus Portugal auch im zweiten Duell in seine Einzelteile. Keine Frage, das 7:1 war in der Höhe verdient. Dass Sporting hühnerbrüstig daherkam wie eine grün-weiß gewandete C-Jugend von Celtic Glasgow – geschenkt (Pubertierende 15-Jährige schottische Jungs hätten sich aber wohl mehr gewehrt.)
Bayern begann vorne beweglich und hinten sorglos. Auch ohne Ribéry beherrschte das Spiel jene charakteristische Unwucht nach links, die nur durch die Ballsicherheit Philipp Lahms zu erklären ist. Gut für Bastian Schweinsteiger, dass ihn diese Kritik nicht treffen kann: Diesmal tummelte er sich meist selbst auf links. Erst durch die Einwechslung des jungen Thomas Müller, 19 Jahre alt, änderte sich die Geometrie. So dynamische Flankenläufe über die rechte Seite haben seine namhaften Rivalen nicht zu bieten. Und Tore schießen kann er auch.
Sporting humorlos
Vor allem Lukas Podolski fand Gefallen an den Freiheiten, die Sportings Abwehrspieler ihren Gegnern ließen. Sein Schuss zum 1:0 hatte feine Schärfe wie Höhe. Das Spiel nach vorne flutschte nach dieser 8. Minute, der Chancen waren es zu viele, um sie alle aufzuzählen: Klose traf den Pfosten (18. Minute), Lell zimmerte nach Schweinsteiger-Freistoß freistehend übers Tor (29.), Klose scheiterte aus höchstens vier Zentimetern (30.), dann nutzt wieder Podolski (34.) ein Missverständnis zum 2:0. Es hätte nach 40 Minuten auch 5:0 stehen können und nach 90 Minuten 11:1.
Dabei spielten die Portugiesen durchaus einen gepflegten Ball. Ja, sie zelebrierten die Kunst, die wahrhaft nur Portugiesen so formvollendet beherrschen: den Ball präzise vor dem gegnerischen Tor kreisen zu lassen, leichtfüßig um körperlich überlegene Gegner herumzutanzen, mit Körpertäuschungen verblüffende Räume zu schaffen. Kurzum: Im Stadion eine Ahnung von unerhörter Torgefährlichkeit zu verströmen - ohne jemals einen Schuss abzugeben, der wie der männliche Versuch wirkte, ein Tor nicht nur zu erfühlen, sondern gar zu erzielen. Bis zum abrupten 1:3. Joao Moutinhos Fernschuss in den Winkel, in seiner Humorlosigkeit beinahe deutsch, dürfte manch treuen Anhänger der großen brotlosen Kunst Portugals erschüttert haben.
Auflauf der Reservisten
"Ein Schuss, ein Tor, die Bayern", das sangen die Fans, was das ewige "Dann macht es bumm" von Gerd Müller konsequent fortschreibt. Natürlich war das zuletzt oft das Problem der Bayern: Sie schießen oft, selten ein Tor. An diesem Abend glückte indes fast alles. 65000 Zuschauer wärmten sich daran in dem eisigen Riesenkessel.
Ohne Toni und Ribéry stand da erneut eine allürenarme Mannschaft auf dem Feld. Zur zweiten Halbzeit durften gar Breno und Sosa ran, die sich gewiss eines fernen Tages noch zu Weltstars entwickeln werden. Während die Fans den jungen Abwehrhünen Breno feierten, ließen sie Mittelfeldspieler Sosa bei jedem Ballkontakt spüren, dass sie ihn für eine rechte Gurke halten. Es sind die gnadenlosen Regeln, die beim FC Bayern gelten. Früher oder später gelten sie im Klub seit jeher für alle, die ihren Job nicht wirklich beherrschen.
Kaum Fragen beantwortet
Ob sich so nun auch die Meisterschaft gewinnen lässt? Die Bayern stehen vor entscheidenden Wochen: Ob diese Saison von Erfolg gekrönt sein wird? Ob der Kader seine Qualität in Triumphe ummünzen kann? Ob Jürgen Klinsmann der richtige Trainer ist, den Bayern substanziell ein anderes Spiel beizubringen; ob ihn die Stars künftig so respektieren werden, dass sie darauf verzichten, ihn in Interviews zu piesacken? Ob Klinsmann im August noch bei Bayern sein wird? Die großen Fragen hat dieser Abend nicht beantwortet.
Weitergekommen. Und das beeindruckender denn je. Zur Geburtsstunde einer Bayern-Elf aber, die nicht nur Europa erschrecken wird, sondern in der Bundesliga auch Hertha BSC einholen, taugte diese Partie wenig. Am Wochenende wartet auf die Bayern ein Gegner, der sich wehren dürfte: der VfL Bochum.