VfL Wolfsburg Der Albtraumclub des Uli H.

Gewinnt Wolfsburg gegen die Bayern (ab 15.30 Uhr im stern.de-Live-Ticker) winkt den Wölfen die Tabellenführung in der Bundesliga. Es ist aber nicht allein das Mach(t)werk ihres früheren Trainers Felix Magath, das in München gefürchtet wird. Aus den Worten von Uli Hoeneß spricht Furcht und Neid - wegen VW.
Von Frank Hellmann, Wolfsburg

Da sage noch einer, die kreisfreie Stadt Wolfsburg sei eine spaßfreie Zone. Hier, 74 Kilometer von Hannover, 26 Kilometer von Braunschweig entfernt, dominiere allein das Befinden des Volkswagenkonzerns die Befindlichkeiten seiner Bewohner, heißt es im östlichen Niedersachsen ja immer wieder. Und weil es der Automobilbranche bekanntlich nicht allzu gut geht, kann es auch den Menschen mit dem Autokennzeichen WOB nicht besonders gut gehen. Welch Trugschluss. Am 1. April hat sich die halbe Stadt kaputt gelacht. Über zwei April-Scherze, die die Wolfsburger Allgemeine Zeitung unters Volk gestreut hatte und die nicht jeder als Jux sofort identifizierte.

Zum einen wurde tatsächlich verkündet, Wolfsburg bekomme auf der Rasenfläche zwischen Jobcenter und Markthalle einen Streichelzoo. Die Bürger sollten doch bitte Kaninchen, Lämmer, kleine Schweinen oder Ziegen im Rathaus abgeben, wahlweise könne man Eichhörnchen fangen. Das fehlende Kamel werde auch den Arabischen Emiraten geliefert. Zum anderen verbreitete sich die zweite Nachricht wie ein Lauffeuer, dass nämlich die Allerwiesen, die Straße, die am Kanal und am Stadion vorbei führt und als Postadresse für die VfL Wolfsburg Fußball GmbH dient, am 1. April um 11 Uhr in Felix Magath-Allee umbenannt werde. Dazu würde das VW-Orchester die Hymne "Ich würde nie zum FC Bayern gehen" spielen, Oberbürgermeister Rolf Schnellecke die Namensgebung würdigen und die Fans könnten dort künftig gleich "Felix Magath alleee!" singen. Sollte der VfL Wolfsburg Meister werden, sei sogar ein Denkmal für Magath drin.

VW-Konzern hält 100 Prozent der Anteile an der Fußball-GmbH

Ein netter Spaß. Aber bald schon bitterer Ernst? Wird Uli Hoeneß, der Manager des am Samstag in der VW-Arena von Wolfsburg gastierenden FC Bayern München auf Magath und dessen Arbeitgeber angesprochen, dann sind einige Sorgenfalten im geröteten Hoeneß-Gesicht erkennbar. Denn längst ist die beste Rückrundenmannschaft der Bundesliga als ernstzunehmender Titelaspirant enttarnt; punkt- und torgleich mit dem Rekordmeister. "Jeder weiß, dass Felix sehr ehrgeizig ist, und er dieses Spiel gewinnen und auch deutscher Meister werden will - da kann er mir nichts vormachen." Magath, selbst zwischen 2004 und 2007 Trainer der Bayern, sei ein alter Schlawiner, "er schiebt sich in unserem Schatten nach oben."

Wie Hoeneß spricht die ganze Branche. Voller Respekt, aber auch mit Furcht. Ja, mitunter schwingt sogar Neid mit. Denn genau wie in Hoffenheim, wo SAP-Mitbegründer Dietmar Hopp den Emporkömmling nach oben führte, oder Leverkusen, wo Bayer die Erfolgsgeschichte prägte, ist auch der sportliche Erfolg in Wolfsburg fremdfinanziert. Vom VW-Konzern, der 100 Prozent der Anteile an der Fußball GmbH hält. Über die genaue Höhe der jährlichen Zuwendungen wird eisern geschwiegen, doch dem Vernehmen nach sollen sich unter der Regie von Martin Winterkorn, der pikanterweise auch im Aufsichtsrat des FC Bayern sitzt, die Quersubventionen mittlerweile auf 30 Millionen Euro belaufen.

"Das macht Felix Magath sehr gut"

In Leverkusen ist man beispielsweise der festen Überzeugung, dass der Autohersteller von der Aller das Fußballgeschäft deutlich höher bezuschusst als der Chemiegigant am Rhein. "Wir machen mit dem Geld von VW ja keinen Blödsinn, unser Ergebnis schlägt sich auch direkt auf VW wieder", bekundet Jürgen Marbach, seit vergangenem Sommer der Geschäftsführer Marketing und Organisation beim VfL Wolfsburg. Der 50-jährige frühere LTU-Chef ist ein wichtiger Verbindungsmann zum VW-Konzern, der ihn eigens per Headhunter auserkoren hat. Und er weiß: "Der Konzern will seine Unterstützung auch in schwierigen Zeiten aufrecht halten - ob das dann fünf Millionen mehr oder wenig sind, spielt nicht die entscheidende Rolle." Noch liege der Umsatz knapp unter 100 Millionen, "da würde die Champions League natürlich einiges verändern."

Man redet also schon offen von der Königsklasse. Ziele, die Verein und Geldgeber früher mal proklamierten, dann aus den Augen verloren, sind heute wieder greifbar. Weil Magath, 57, seit Amtsantritt im Juni 2007 für mehr als 65 Millionen Euro neue Spieler kaufen durfte. Dem standen zwar Transfererlöse von 15 Millionen gegenüber, ergibt aber einen Netto-Investition von 50 Millionen. Ein Fakt, der sogar Hoeneß mit einem gewissen Argwohn erfüllt: "Wenn so ein toller riesiger Konzern dahinter steht, muss man sich auf der Einnahmeseite wenig engagieren und nur das Geld gut anlegen - das macht Felix Magath sehr gut." Der Bayern-Macher glaubt: "So lange der VW-Vorstand so gut Doppelpass mit dem VfL Wolfsburg spielt, wird der sich nachhaltig in der Spitze behaupten."

Kein Chaos wie auf Schalke

Zumal der Verein auch in anderen Bereichen wächst und wächst. Diese Saison wird sich der Zuschauerschnitt wohl auf fast 27000 steigern, die schmucke Arena vielleicht siebenmal ausverkauft sein, nächste Saison möglicherweise 18000 Dauerkarten über den Tisch gehen. Für den erst 1997 in der Bundesliga etablierten Klub bei nur 120.000 Einwohnern eine unglaubliche Zahl. Dazu wechseln die in grüne Kluft gewandten Wölfe den Ausrüster: Adidas wird Nike ablösen, den Deal hat Winterkorn mit Herbert Hainer, dem Boss bei den drei Streifen, persönlich eingetütet. Dann bekommt der VfL Wolfsburg sogar eine eigene Kollektion. Ein weiterer kleiner Schritt auf dem Weg zum großen Klub.

Marbach will auch in der Region ein Umdenken registriert haben - sogar mittlerweile in Braunschweig aufgewachsene Kinder würden nicht mehr mit der Muttermilch die Sympathie für Eintracht Braunschweig einsaugen, sondern ihr Herz für Grafite, Edin Dzeko oder Zvjezdan Misimovic entdecken. Jenes magische Trio, das die Bundesliga im Sturm erobert und am Samstag auch die Bayern besiegen will. "Mir ist auch klar, dass 80 Prozent des Zugewinns im Marketing, an Image durch den sportlichen Erfolg bedingt werden", erklärt Marbach. Und doch will er das Werk Magaths und seiner Mitarbeiter gewürdigt wissen: "Es gibt Vereine, die haben zwar ein größeres und schönes Stadion und eine lange Tradition, sind aber nicht annähernd so klar strukturiert, was in Krisenzeiten zu Chaos führen kann." So wie auf Schalke.

Meister-Balkon in der Planung

Während sich ganz Gelsenkirchen auf absehbare Zeit von Meisterträumen verabschiedet, blühen die in Wolfsburg gerade auf. "Die Entwicklung ist viel schneller gegangen, als wir gedacht haben", gibt selbst Magath zu, der in seiner Dreifach-Rolle als Trainer, Manager und Geschäftsführer alle Strippen in der Hand hält. Der gebürtige Aschaffenburger, dessen Vater aus Puerto Rico stammt und selbst Vater von sechs Kindern ist, hat sich im ehemaligen Zonenrandgebiet eingerichtet, auch wenn er noch oft die in München lebende Familie besucht. "Mein Einfluss ist in Wolfsburg größer, Das ist ein Baustein des Erfolgs. Mir reden weniger Leute rund um die Mannschaft rein."

Auch der Disput mit dem Oberbürgermeister Schnellecke - Magath beklagte nach dem Amtsantritt fehlende Unterstützung - ist längst passé. Der im Aufsichtsrat installierte CDU-Politiker ist voll auf Linie des sportlichen Aushängeschilds seiner Stadt- und will sogar das leidige Thema Meister-Balkon lösen. "Wenn der Fall eintritt, geht das ruck, zuck. Wir können eine Empore über dem Rathaus-Eingang anbringen." Eine Firma hat sich schon bereit erklärt, das Provisorium zu bauen und zu stiften. Und das ist kein April-Scherz.

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