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Spielverderber-Kolumne zur WM Gebt Sepp Blatter endlich den Nobelpreis!

Bereits viermal war die Fifa für den Friedensnobelpreis nominiert. Jedes Mal ging sie leer aus. Höchste Zeit, das zu ändern. Die WM liefert genügend Argumente dafür.
Eine Glosse von Oliver Fuchs

Es gibt viele Gründe, die Fifa zu verachten. Der Verein ist von Korruption zerfressen. Alle vier Jahre fällt er wie eine Heuschreckenplage über ein Land her. Er bürdet dem "Gastgeberland" (im englischen passenderweise als "host", also "Wirt", bezeichnet) die ganzen Kosten auf und schafft seine Milliardengewinne in die Schweiz, um sie da zum Alibi-Tarif zu versteuern.

Wo der größte Wanderzirkus der Welt seine Zelte aufschlägt, müssen die Schwachen weichen. In Südafrika wurden Straßenverkäufer gegängelt und Townships geräumt. Im Brasilien wurden tausende Familien zwangsumgesiedelt, um Stadien, Flughäfen und Zufahrtsstraßen Platz zu schaffen. In Katar schuften indische und nepalesische "Gastarbeiter" auf den Stadion-Baustellen wortwörtlich zu Tode. Mehr als tausend Menschen sollen dort bereits für die Trutzbauten gestorben sein.

"United Passions"

Währenddessen feiert die Fifa sich selbst. Ihr Sonnenkönig, Sepp Blatter, könnte bald Kim Il Sung, dem ewigen Präsidenten Nordkoreas, Konkurrenz machen. So hart klammert er sich an die Macht, dass ihn vermutlich auch sein eigenes Ableben nicht von einer erneuten Kandidatur zum Fifa-Boss abhalten würde. Der neueste Auswuchs dieses Größenwahns: Die Fifa pumpte Millionen in einen Imagefilm, der dieses Jahr in Cannes gezeigt wurde. Die Helden von "United Passions"? Sepp Blatter und sein Vorgänger João Havelange (im Film: "Jurassic-Park"-Star Sam Neill). Havelange ist inzwischen wegen seiner Verwicklung in den größten Bestechungsskandal der Sportgeschichte als Ehrenpräsident der Fifa zurückgetreten. Freiwillig.

Die Krönung des Ganzen: Für seinen Verdienst, die Weltmeisterschaft vor vier Jahren nach Afrika gebracht zu haben, machte sich der Sepp unverblümt Hoffnungen auf den Friedensnobelpreis. Während im Hintergrund seine Lobbyisten werkelten, gab er sich nach außen demütig: "Es gibt Initiativen, die jetzt an mich herangetragen werden, von links und von rechts, wir unterstützen dich für einen Nobelpreis." Vielleicht hätte er ein bisschen offensiver werben sollen.

Am besten gleich zwei Preisträger

Er nimmt ja sonst keinen Blatter vor den Mund. Erst gerade hat er Reportern vorgeworfen, ihre Berichte über Korruption bei der Vergabe der Spiele an Katar seien "rassistisch" motiviert. Unvergessen ist seine Empfehlung, Frauenfußball populärer zu machen, in dem man den Spielerinnen die Shorts kürzt. Oder er hätte wenigstens ein paar Leute aus dem Nobel-Komitee bestechen können. Wie dem auch sei, Blatter ging leer aus. Hätte er aber nicht sollen. Denn die Fifa verdient den Friedensnobelpreis. Nicht trotz all der guten Gründe, die Fifa zu hassen. Sondern genau deswegen.

Am besten gleich im Doppel mit dem Internationalen Olympischen Komitee. Über die könnte man die obigen Absätze fast identisch schreiben. Man müsste nur die Austragungsorte anpassen. Havelange wäre dann Doppelpreisträger. Er hat in beiden Vereinen ganz oben mitgemauschelt. Ein Doppelpreis also. Wie damals bei der Vergabe an Henri Kissinger und Le Duc Tho.

"All in one rythm"

Die ganz großen Geschichten, die Geschichten, die es sich wirklich zu erzählen lohnt, sind solche, in denen irgendwo im Dunkel plötzlich Licht aufblitzt. Ein Funken Menschlichkeit inmitten von Apathie, Gier und Ignoranz. Die Fifa liefert uns derzeit lauter solche Momente.

Nur dank ihr ist die Ausbeutung von Wanderarbeitern, die Vertreibung von Slumbewohnern und die Missachtung von Menschenrechten am anderen Ende der Welt ein Thema. Wo der Verein seine Spiele ausrichtet, schaut man ein bisschen genauer hin. Im Moment ist es Brasilien. Nur in wenigen Ländern ist die Kluft zwischen arm und reich größer. Dementsprechend bizarr wirkt der Kontrast zwischen dem offiziellen "Alle in einem Rhythmus"-Slogan der Fifa und der Realität.

Ein Funke gegen die Scheinheiligkeit

Dann tritt bei der Eröffnungsfeier des Fifa-Spektakels ein kleiner indigener kleiner Junge aufs Spielfeld. Zusammen mit einem weißen und einem dunkelhäutigen Jungen lässt er drei Tauben aufsteigen. In der Choreografie war die Einlage gedacht, um den Zusammenhalt der brasilianischen Bevölkerung zu zeigen. Doch dann enthüllt er ein rotes Spruchband. "Demarcação já! – Landausweisung jetzt!". Ein Protest gegen die Landenteignung. Die Szene wird prompt aus der offiziellen Übertragung herausgeschnitten. Zu spät. Er ist da, der kleine Funke. Er hat sich seinen Weg durch den ganzen Sponsoren-Quark, den ganzen Gigantismus, all die leeren Worthülsen, all die Scheinheiligkeit gebahnt.

Genau darum war er so mächtig. Er macht mit einem Schlag all die Bemühungen der Fifa, die Spiele politisch zu sterilisieren zunichte. Es wird auch künftig reichlich solcher Funken geben. Die nächsten Spiele finden in Russland statt. Dann in Katar. Und je abgehobener die Fifa wirkt, je korrupter und verlogener ihre Spiele werden, je mehr sie den völkerverbindenden und humanistischen Gedanken eines friedlichen Wettstreits zwischen Nationen pervertiert, desto mehr Macht gibt sie solchen Funken.

Dafür verdient die Fifa, dafür verdient Sepp Blatter, den Friedensnobelpreis.

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