Eröffnungsfeier in Sotschi Eine angenehm leise Auftaktshow

Alle Welt hatte erwartet, dass die Eröffnungsfeier in eine protzige Russland-Kraftmeierei ausarten würde. Doch die Gastgeber zeigten sich zurückhaltend - und machten gerade deshalb vieles richtig.

Eine Eröffnungsfeier bei Olympischen Spielen ist stets ein Selbstportrait des Gastgeberlandes. Es malt sich so, wie es sich sieht - oder wie es gern gesehen werden würde in aller Welt. Bei den Spielen im Sotschi wurde eine große Putin-Show erwartet: opulent, selbstherrlich, laut. Eben so, wie Russland die Spiele an sich gerissen hatte am 4. Juli 2007, bei der IOC-Session in Guatemala. Eben so, wie es dann Sotschi zu einem Wintersportort umbaute: aggressiv, raumgreifend, ohne Rücksicht auf Mensch und Natur.

Doch die Putin-Show fand nicht statt im Fischt-Stadion, gelegen am schwarzen Meer, im Vorort Adler. Russland präsentierte sich zurückhaltend - und es stellte seine Gäste in den Mittelpunkt. Normalerweise ist der Einzug der Athleten der Schlussakt einer Eröffnungsfeier. Die ersten Nationen, die eine Stadionrunde drehen, werden noch bejubelt - dann zerbröselt die Veranstaltung. Die Sitzreihen lichten sich, die Zuschauer, ermattet von Feuerwerk und Showeffekten, gehen nach Hause. In Sotschi blieben sie. Die Athleten marschierten schon eine halbe Stunde nach dem Auftakt ins Stadion, und so bekamen alle Sportler Applaus.

Elegisch und ernst

Das Show-Programm in Sotschi war ein Gegenentwurf zur Eröffnungsfeier der Sommerspiele in London 2012. London war rasant, schnelle Schnitte, atemlos wie ein Videoclip. Sotschi war elegisch. Viel Tanz und Ballett, viele Streichinstrumente und Flöten. London spielte mit Zitaten, mit Andeutungen. Sotschi erzählte Geschichten. London war selbstironisch, Sotschi war ernst.

Die Geschichte, die Sotschi erzählte, war die Geschichte Russlands. Wie aus einem bäuerlich geprägten Flächenstart eine Nation wurde, die Astronauten ins Weltall schickt. Eröffnungsfeiern sind keine Stunden der kritischen Selbstreflexion, auch in Sotschi nicht. Die Ära des Stalinismus wurde zu einer Heldengeschichte umgedeutet: Hammer und Sichel schwebten riesengroß ins Stadion ein, gleichzeitig wurden Stoffbahnen hochgezogen, auf denen Wolkenkratzer und andere architektonische Meisterleistungen abgebildet waren. Kein Hinweis auf die Opfer der Diktatur; auf jene Millionen Russen, die ihr Leben verloren bei sogenannten Säuberungsaktionen, weil sie als nicht linientreu galten.

Bach auf den Spuren von Obama

Wladimir Putin machte wenig Worte am Freitagabend. Er sprach nur kurz, sein Vorredner Thomas Bach dafür umso länger. Es war Bachs erster großer Auftritt seit seiner Wahl zum IOC-Präsidenten im September 2013. In seiner Rede wollte Bach wohl ein bisschen wie Barack Obama klingen; mehrere Sätze leitete er ein mit „Yes, it’s possible“, und dann beschwor er die Olympischen Werte wie Fairness, Respekt und Toleranz - wie schon Generationen von IOC-Präsidenten vor ihm.

Die Winterspiele in Sotschi sind nun eröffnet. Sie werden beschwert von Menschrechts- und Umweltfragen, von Korruption und Ausbeutung. Diese Probleme bleiben, sie sind ungelöst, und sie wurden nicht vergessen gemacht durch die angenehm leise Auftaktfeier. Eine Eröffnungszeremonie ist schließlich auch nur eine Show.

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