SPD- Chef Kurt Beck forderte die Unions-Ministerpräsidenten auf, dem Fortentwicklungsgesetz zu Hartz IV im Bundesrat zuzustimmen. "Es darf nicht zu parteipolitisch motivierten Verzögerungen oder gar Blockaden kommen, wie das hier der Fall ist", sagte der rheinland-pfälzische Ministerpräsident dem "Tagesspiegel am Sonntag" zu Ankündigungen aus der Union, die vom Bundestag verabschiedeten Hartz-IV-Korrekturen in der Länderkammer zu stoppen.
Beck appellierte an Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel, auf die Ministerpräsidenten einzuwirken. "Parteivorsitzende haben immer die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass Vereinbarungen eingehalten werden. Das gilt in diesem Fall und ganz grundsätzlich." Union und SPD hatten am Donnerstag im Bundestag unter anderem beschlossen, dass hartnäckigen Arbeitsverweigerern die Unterstützung gestrichen werden kann. Den Länderchefs reichen die Änderungen angesichts der steigenden Kosten für Hartz IV aber nicht aus.
Blockade im Bundesrat
Laut "Passauer Neuer Presse" (Samstag) wollen mehrere Unions- geführte Bundesländer das Hartz-IV-Fortentwicklungsgesetz so im Bundesrat nicht passieren lassen. Vor allem wird auf die massiven Probleme der Kommunen wegen der hohen Mietkosten für die gestiegene Zahl der Bedarfsgemeinschaften verwiesen. Arbeitsminister Franz Müntefering (SPD) hatte die Unions-Ministerpräsidenten am Freitag harsch dafür kritisiert, weil sie sich nicht an Absprachen hielten.
Bundespräsident Horst Köhler ermahnte die große Koalition zu mehr Reformanstrengungen, bescheinigte ihr aber auch Erfolge: "Jetzt kommt es darauf an, dass man sich noch mehr auf das Wesentliche konzentriert", forderte er in der ARD- Sendung "Bericht aus Berlin", die an diesem Sonntag gesendet wird. Wesentlich sei für ihn, dass "konzentrierter noch als bisher" daran gearbeitet werde, die Lohnzusatzkosten zu senken. "Das schafft mehr wettbewerbsfähige Arbeitsplätze. Das lässt vor allen Dingen den Menschen mehr netto in der Tasche", sagte Köhler.
Minimale Summen zu Unrecht ausgezahlt
In Berlin gingen indes tausende Menschen gegen die Reformpolitik der Bundesregierung auf die Straße. Sie forderten, die Hartz IV- Leistungen nicht einzuschränken, sondern deutlich zu erhöhen. Unter dem Motto "Schluss mit den „Reformen“ gegen uns!" zogen nach Polizeiangaben rund 3500 Menschen durch die Berliner Innenstadt. Zu der bundesweiten Demonstration hatten Gewerkschaften, Sozialverbände und die Linkspartei aufgerufen. Ursprünglich hatten die Veranstalter mit 50 000 Teilnehmern gerechnet.
Die Einsparungen durch die Aufdeckung von Leistungsmissbrauch bei Hartz-IV-Empfängern fallen voraussichtlich deutlich geringer aus, als von der Bundesregierung erwartet. Bislang seien nur 26 Millionen Euro an Leistungen zu Unrecht ausgezahlt worden und werden nun zurückgefordert, sagte ein Sprecher der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg der "Thüringer Allgemeinen" (Samstagsausgabe). Nur etwa fünf Prozent der Langzeitarbeitslosen hätten in der Vergangenheit ALG II zu Unrecht erhalten. Das Bundesarbeitsministerium hatte sich allein durch das Aufspüren von Nebeneinkünften und Vermögen jährlich Einsparungen 500 Millionen Euro erhofft.
CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla kündigte unterdessen weitere langfristige Änderungen an Hartz IV an. "Wir brauchen Veränderungen bei den Zuverdienstmöglichkeiten", sagte er der "Berliner Zeitung" (Samstag). Auch die Junge Union forderte weitere Einschnitte: "Wir haben heute in Deutschland faktisch einen Kombilohn aus Hartz IV und Schwarzarbeit. Das müssen wir ändern, auch um die Staatsausgaben zu verringern", sagte der Vorsitzende der CDU-Nachwuchsorganisation, Philipp Mißfelder, der "B.Z. am Sonntag".
DPA