Geldnot Anstieg der Rentenbeiträge auf 20,3 Prozent droht

Der Schätzerkreis hat in den Rentenkassen ein Rekorddefizit von acht Milliarden Euro ausgemacht. Ohne Gegenmaßnahmen droht nun für kommendes Jahr ein Anstieg des Rentenbeitrags auf 20,3 Prozent.

In den Rentenkassen klafft ein Rekorddefizit von acht Milliarden Euro. Das ergibt sich aus der jüngsten Schätzung von Experten der Rentenversicherer, des Sozialministeriums und der Aufsichtsbehörde. Nach den am Freitag in Berlin vom Ministerium bestätigten Berechnungen des so genannten Schätzerkreises würde ohne Gegenmaßnahmen und Einsparungen der Renten-Beitragssatz im kommenden Jahr von derzeit 19,5 auf die Höchstmarke von 20,3 Prozent steigen. Die Bundesregierung hatte jedoch mehrfach betont, sie wolle den Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung auch 2004 bei 19,5 Prozent stabil halten und einen Anstieg der Lohnnebenkosten verhindern. Die Zahlen des Schätzerkreises sind Grundlage für die rot-grüne Rentenklausur an diesem Sonntag im Kanzleramt.

Rot-grüne Rentenklausur am Sonntag

So gehen nun die rot-grünen Spitzen an diesem Sonntag noch viel angespannter in Rentenklausur. Mit dem nun genannten Rekorddefizit von 8 Milliarden Euro sind schlimmste Befürchtungen eingetroffen. Kabinett sowie die Partei- und Fraktionsspitzen von SPD und Grünen müssen ein noch größeres Sparpaket schnüren, um aus der tiefsten Finanzkrise der Rentenversicherer herauszukommen. Auf Senioren und künftige Ruheständler dürften noch tiefere Einschnitte zukommen. Und die von Rot-Grün mit wechselnder Entschlossenheit immer wieder angestrebte Beitragsstabilität ist inzwischen mehr als fraglich.

Ohne Gegenmaßnahme droht Erhöhung

Nach den Zahlen des "Schätzerkreises" sind das Ausmaß der Finanzmisere und damit der Umfang der nötigen Sparmaßnahmen jetzt offenkundig. Drei Tage haben die Experten von Regierung, der Rentenversicherungsträger und der Aufsichtsbehörde hin und her gerechnet. Und festgestellt, dass ohne Gegenmaßnahmen ein Beitragssprung auf die Höchstmarke von 20,3 Prozent droht. Darin sind aber noch nicht einmal die 2 Milliarden Euro berücksichtigt, die Sozialministerin Ulla Schmidt trotz heftigen Widerstands als Sparbeitrag an Kassenwart Hans Eichel (beide SPD) zahlen soll. Darin bestand - zumindest bis zur Billigung im Bundestag am Freitag - kein Zweifel. Der koalitionsinterne Streit dürfte dennoch anhalten.

Wachstumsprognosen waren zu optimistisch

Noch im Sommer hatte der Schätzerkreis einen Beitragssatz von 19,9 und damit einen Finanzbedarf von vier Milliarden Euro vorausgesagt. Dies basierte aber auf einem erwarteten Wirtschaftswachstum von 0,75 Prozent in 2003. Das Konjunkturplus gilt längst als zu optimistisch. Hinzu kommen Belastungen wie der Tarifabschluss im öffentlichen Dienst oder weniger Weihnachtsgeld, was die Einnahmen weiter drückt.

Neue Diskussionen um "Notpaket"

Angesichts der düsteren Ahnungen diskutiert Rot-Grün seit längerem ein Notpaket, um die Beiträge stabil zu halten. So wurde in einer Koalitionsrunde auf Staatssekretärs-Ebene vorgeschlagen, die zum 1. Juli 2004 fällige Rentenerhöhung auf Anfang 2005 zu verschieben. Als weitere Notmaßnahme wurde diskutiert, Neu-Rentnern die Bezüge erst zum Monatsende auszuzahlen. Schließlich sollte das Finanzpolster der Rentenkasse - die "Schwankungsreserve" - von 50 auf 30 Prozent einer Monatsausgabe gesenkt werden.

Einige "Reparaturen" brauchen Zeit

Diese "Reparaturen", die teils ohne den unionsdominierten Bundesrat durchgesetzt werden könnten, würden die Rentenkassen um insgesamt 0,5 Prozentpunkte oder um rund 4,75 Milliarden Euro entlasten und damit viel zu wenig. Eine weitere Alternative wäre ein Zurückfahren der Schwankungsreserve auf Null. Das brächte zwar einige Milliarden, erfordert aber einen Verkauf des Immobilienvermögens der Rentenkasse und macht abhängiger vom Bundeshaushalt.

Gespenst Rentenkürzung

Möglich wären auch Veränderungen beim Pflegebeitrag der Rentner. Ein höherer Beitrag der Ruheständler zur Krankenversicherung und damit eine Entlastung der Rentenversicherer, welche die Hälfte beisteuern, war zuletzt vom Tisch. Rentenkürzungen - es wären die ersten in der Geschichte der Bundesrepublik - wurden ausgeschlossen. Die Rentenversicherer befürchten dies dennoch, sollte es bei der Kürzung des Bundeszuschusses um zwei Milliarden Euro bleiben.

Es geht um 10 Milliarden Euro

So dürfte es am Wochenende im Kanzleramt richtig spannend werden. Sollte sich die rot-grüne Spitzenrunde auf ein Notpaket geeinigt haben, muss immer noch das Loch gestopft werden, das der Sparbeitrag an Eichel reißt. Alles in allem geht es also um 10 Milliarden Euro. Ganz abgesehen vom langfristigen Reformpaket, das ebenfalls geschnürt werden soll. So ist unter anderem eine schrittweise Anhebung des Rentenalters auf 67 Jahre im Regierungslager strittig. Ein entscheidender Punkt aber wird zunächst sein, was die Koalitionsrunde am Ende zu den Beitragssätzen verkündet und wie sie - sollte es so kommen - ein verfehltes Ziel erklärt.

DPA