Für den Wiederaufbau der Ukraine sollen mehrere Milliarden Dollar fließen. Das haben auf einer Konferenz in London Delegierte der mehr als 60 teilnehmenden Länder zugesichert. Laut der Weltbank bräuchte die Ukraine nach einem Jahr Krieg 383 Milliarden Euro, um ihre Infrastruktur in den kommenden zehn Jahren wiederaufzubauen. Die Zahl ist jedoch nur eine Schätzung vom März. Mit jedem Tag, den der russische Angriffskrieg weitergeht, erhöht sich diese Summe.
Allein für dieses Jahr schätzt die Weltbank die Wiederaufbau-Kosten auf etwa 12,8 Milliarden Euro. Das Geld, auf das sich die Teilnehmenden der Ukraine Recovery Conference nun geeinigt haben, soll aus privaten und öffentlichen Investitionen gedeckt werden.
381 Millionen Euro aus Deutschland für Ukraine-Wiederaufbau
US-Außenminister Antony Blinken sicherte Hilfen von rund 1,1 Milliarden Euro zu, etwa die Hälfte davon soll in die Reparatur des ukrainischen Energienetzes fließen. Die EU will laut Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen 50 Milliarden Euro bis 2027 beisteuern. Von Großbritannien sollen 280 Millionen Euro an Hilfen und 3,5 Milliarden Euro an Kreditgarantien der Weltbank kommen. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sicherte von Deutschland 381 Millionen Euro zu.
Die politischen Vertreter in London machten aber auch klar, dass die Privatwirtschaft in die Ukraine investieren müsse, um ihr wirtschaftlich zu helfen. Viele Unternehmen sind jedoch zurückhaltend, denn das Investitionsrisiko in ein Kriegsgebiet ist äußerst hoch. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) versuchte schon vergangenen Herbst, die Wirtschaft von einem Engagement zu überzeugen. Beim deutsch-ukrainischen Wirtschaftsforum hatte er gesagt, dass es ohne die Unternehmen gar nicht gehe.
Auch der Ostausschuss der deutschen Wirtschaft befasst sich mit der Frage, wie Firmen dazu gebracht werden können, in die Ukraine zu investieren. "Solange die Kampfhandlungen andauern, werden wir nicht von einer großen Welle von Neuinvestitionen sprechen können. Es geht erst einmal darum, die Unternehmen am Laufen zu halten, die schon da sind", sagte damals der Ausschussvorsitzende Florian Harms der "Tagesschau".
Inzwischen ist man in vielen Ländern mit der Überzeugungsarbeit schon weiter: Laut dem britischen Premierminister Rishi Sunak haben mehr als 400 Unternehmen aus 38 Ländern zugesagt, in die Ukraine zu investieren, darunter British Telecommunications, Virgin, Philips und Hyundai Engineering. Das Land biete trotz der zunehmenden Zerstörung durch russische Angriffe eine riesige Investitionsmöglichkeit, zitiert ihn die Nachrichtenagentur AP.
Wie werden Firmen abgesichert?
Großbritannien hofft demnach außerdem, dass die Konferenz-Teilnehmer auch beim geplanten Aufbau einer sogenannten Kriegsrisikoversicherung für Unternehmen weiterkommen. Die Idee dahinter ist, dass Banken und Rückversicherer das Risiko kriegsbedingter Verluste abfedern.
Bislang sind investierende Firmen schlecht geschützt. Wird ein Unternehmen in einem Kriegsgebiet aktiv, greifen normale Versicherungsverträge wie etwa gegen Unfälle nicht, dasselbe gilt für die Versicherungen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
Das sind die größten Verlierer der westlichen Sanktionen

Der ehemalige Besitzer der FC Chelsea ist der Prototyp eines russischen Oligarchen. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion nutzte er seine Kontakte in die Politik und konnte ein verzweigtes Firmenimperium aufbauen, indem er ehemals staatliche Unternehmen aufkaufte. Reich wurde Abramowitsch vor allem mit dem Ölkonzern Sibneft, an dem er zeitweise 80 Prozent der Aktien hielt. Hinzu kamen Beteiligungen am Aluminiumkonzern Rusal und der Fluggesellschaft Aeroflot. Von 2000 bis Juli 2008 war er Gouverneur der russischen Region Tschukotka. Einen Großteil seiner Unternehmensanteile verkaufte er Anfang der 2000er Jahre – unter anderem an den halbstaatlichen Konzern Gazprom.
Unternehmen müssen deshalb bisher Kriegsdeckungen abschließen, die sehr teuer sind. "Für ein mittelständisches Unternehmen, das nur mal einen Verkäufer für ein paar Tage in die Ukraine schicken will, ist das versicherungstechnisch oft eine große Herausforderung", zitiert die "Tagesschau" Sicherheitsberater Friedrich Christian Haas von der Firma Ake Skabe.
Das Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) will daher Unternehmen nun mit sogenannten Exportkreditgarantien, auch bekannt als Hermesdeckungen, zu Investments animieren. Versicherer ist Allianz Trade, die frühere Euler Hermes AG. Diese Art der Absicherung greift, wenn Investitionen verloren gehen. Es gibt sie laut BMWK seit Jahrzehnten in der Außenwirtschaftsförderung. "Sie schützen Exporteure und Banken vor wirtschaftlich und politisch bedingten Zahlungsausfällen. Das Deckungsangebot erstreckt sich dabei über die gesamte Wertschöpfungskette – von der Fertigung über die Lieferung bis zur Bezahlung der letzten Rate", so das Ministerium.
Bundesrepublik würde bei Ausfällen haften
Droht einem in der Ukraine investierten Unternehmen aus Deutschland ein Zahlungsausfall, würde im Zweifel zu großen Teilen die Bundesrepublik Deutschland haften. Dafür muss das Unternehmen eine "risikoadäquate Prämie" zahlen. Im Schadensfall zahlt der Bund dem Unternehmen die Summe, die es versichert hat.
Laut BMWK sind besonders kleine und mittlere Unternehmen (KMU) förderungswürdig. 2022 bürgte der Bund mit Exportkreditgarantien für Investitionen in Höhe von 14,9 Milliarden Euro.
Investitionen in Russland und Belarus sichert die Bundesrepublik seit dem Ukrainekrieg nicht mehr ab. Die Ukraine ist nach der Türkei und Russland (bis 24. Februar 2022) das Land, für das der Bund die meisten Geschäfte absichert: Die Deckungssumme belief sich 2022 auf 144 Millionen Euro, 2021 hatte der Bund noch für Ukraine-Investitionen in Höhe von 650 Millionen Euro gebürgt.
Eine weitere Möglichkeit zur Absicherung haben Unternehmen bei der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD). Über das Trade Facilitation Programme können sie Exporte absichern. 2022 vergab die EBRD Kredite im Volumen von 1,7 Milliarden Euro. Auch die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) fördert Investitionen: Zwei Fonds von Finance in Motion, ein Impact Asset Manager der KfW-Bankengruppe, investieren in Klimaschutzprojekte und Mittelstand.
Inzwischen wollen auch private Banken mitmischen: Laut "Financial Times" planen JP Morgan und Blackrock, eine Bank für den Wiederaufbau der Ukraine zu gründen. Über sie soll öffentliches Kapital in Wiederaufbauprojekte investiert werden – in der Hoffnung, dann auch private Investorengelder einzusammeln. Auch darüber wird in London verhandelt.
Dieser Artikel erschien zuerst an dieser Stelle beim Wirtschaftsmagazin "Capital", das wie der stern zu RTL Deutschland gehört.