Wer ab dem 1. November einen neuen Reisepass beantragt, muss sich im Einwohnermeldeamt zwei Fingerabdrücke abnehmen lassen: Die zweite Generation elektronischer Pässe soll neben den persönlichen Daten und einem digitalen Passfoto auch Fingerabdrücke enthalten. Wie ein Schwerverbrecher muss sich bei der Grenzkontrolle aber auch künftig niemand fühlen. Die Fingerabdrücke werden nur auf einem Chip gespeichert, im Pass selbst sind sie nicht zu sehen.
Stimmen zum neuen E-Pass
Für Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) sind die Fingerabdrücke vor allem eine Hilfe für den Staat, "Kriminellen technologisch einen Schritt voraus zu sein". Einreise mit gefälschten Pässen und Missbrauch von Pässen ähnlich aussehender Personen sollten unmöglich werden.
Die
Grünen-Fachpolitikerin Silke Stokar
sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Die Sicherheit der Daten kann vom Staat nicht garantiert werden." Der neue Pass sei "teuer, mit hohen Risiken belastet und ohne erkennbaren Sicherheitsgewinn".
FDP-Politikerin Gisela Piltz warnte, es sei "nur eine Frage der Zeit", bis Hacker die Kontrollen überwinden. Außerdem: "Früher wurden Fingerabdrücke nur von Verbrechern genommen."
Der
Experte der Linken, Jan Korte
, sagte, aus Sicherheitsgründen würden Diplomatenpässe ohne jene Funkchips hergestellt, die den Pass für alle anderen Bürger angreifbar machten.
Für den
Bundes-Datenschutzbeauftragten Peter Schaar
ist der neue Pass "unnötig", wie er dem Sender N24 sagte. Die Deutsche Polizeigewerkschaft begrüßte, der Bund habe die Pass-Vorgaben der EU zügig umgesetzt.
Reisepässe mit Chip gibt es in Deutschland bereits seit zwei Jahren. Der winzige Datenträger steckt im vorderen Umschlagdeckel und ist mit bloßem Auge nicht zu erkennen. Bisher wurden darauf ein biometrisch erfassbares Passbild und persönliche Daten wie Name und Geburtsdatum gespeichert. Als zweites biometrisches Merkmal sollen nun auch die beiden Zeigefinger des Passinhabers eingescannt werden. Die neue Technik soll den Pass noch sicherer machen: Anhand der biometrischen Daten sollen die Grenzbeamten bei der Einreise eindeutig feststellen können, ob Pass und Person wirklich zusammengehören. Terroristen oder Kriminelle sollen künftig weder mit einem gefälschten Dokument, noch mit dem echten Pass einer anderen Person einreisen können. "Die Sicherheit hat sich um Quanten erhöht", meint Matthias Merx von der Bundesdruckerei in Berlin, wo die deutschen Pässe und Personalausweise hergestellt werden.
Erfasst werden die Fingerabdrücke elektronisch - ohne Stempelfarbe oder andere Hilfsmittel. Der Antragsteller muss seine beiden Zeigefinger lediglich auf einen kleinen Scanner legen. "Die Aufnahme der Fingerabdrücke dauert in der Regel zweieinhalb Minuten", erklärt Martin Schallbruch, IT-Direktor im Bundesinnenministerium. Wer mit einer eingegipsten Hand zur Meldebehörde kommt, bekommt zunächst nur einen vorläufigen Reisepass ohne Chip. Bei schwerer wiegenden Verletzungen oder Behinderungen können auch andere Finger als die Zeigefinger eingescannt werden - zur Not entfallen die Fingerabdrücke ganz.
Erfolgreicher Testlauf in 28 Kommunen
Mit technischen Problemen und aufgeregten Bürgern, die die Abgabe der Fingerabdrücke verweigern, rechnen die Behörden nicht. Ein erster Testlauf sei sehr erfolgreich verlaufen, berichtet Schallbruch. 28 Meldeämter testeten im Sommer mit freiwilligen Versuchspersonen, ob Scanner und Computerprogramme funktionieren. "Die Abnahme der Fingerabdrücke verlief weitgehend reibungslos", erzählt Schallbruch. "Die Bürgerinnen und Bürger sind sehr gelassen damit umgegangen."
Unter Datenschützern war die Aufregung um die Aufnahme der Fingerabdrücke dagegen groß. Besonders umstritten war, ob die digitalen Daten auch für die Sicherheitsbehörden verfügbar gemacht werden sollen. Außerdem befürchten Kritiker, dass über die Funkchips auch Unbefugte auf die Daten zugreifen können. Der Chaos Computer Club bezeichnet den E-Pass daher als "Sicherheitsrisiko" und empfiehlt, ihn in eine beschichtete Schutzhülle einzuwickeln. Pass-Experten versichern jedoch, dass komplizierte technische Sicherheitsmechanismen einen heimlichen Zugriff auf die Daten verhindern. Die Pass-Daten könnten nur mit bestimmten Lesegeräten sichtbar gemacht werden, erklärt Schallbruch. "Zum Auslesen der Fingerabdrücke braucht jedes Gerät ein Berechtigungszertifikat." Nur Staaten, die von Deutschland spezielle, zeitlich befristete Zugangsberechtigungen erhalten, können auf den Chip zugreifen. Die Daten können auch nicht aus größeren Entfernungen erfasst werden. Die Reichweite der Lesegeräte betrage maximal zehn Zentimeter, erklärt Cord Bartels vom Chiphersteller NXP. "Sie müssen den Pass schon bewusst aus der Tasche nehmen und an ein Lesegerät heranführen", sagt der Chip-Experte. Kopiert, verändert oder gelöscht werden können die Daten ebenfalls nicht: Jeder Chip wird elektronisch versiegelt.
Pass wird nicht teurer
Teurer wird der Reisepass durch die Einführung der Fingerabdrücke nicht. Ein zehn Jahre gültiger Pass kostet weiterhin 59 Euro. Für einen sechs Jahre gültigen Pass, der für unter 24-Jährige ausgestellt wird, beträgt die Gebühr 37,50 Euro. Alle bereits ausgegebenen Pässe behalten ihre vorgesehene Gültigkeit. Ein vorzeitiger Umtausch ist also nicht nötig. Die USA haben den E-Pass allerdings zur Voraussetzung für die visafreie Einreise gemacht.
Neuerung bei Kinderreisepässen
Eine Neuerung gibt es auch bei den Kinderreisepässen: Kinder können künftig nicht mehr in die Papiere der Eltern eingetragen werden - sie brauchen einen eigenen Pass. Ein elektronischer Pass mit Fingerabdrücken wird in der Regel jedoch erst für Jugendliche ab zwölf Jahren ausgestellt. Für ein kleineres Kind gibt es den elektronischen Pass nur auf den ausdrücklichen Wunsch der Eltern - bei Reisen in die USA müssten sie ansonsten ein Visum für ihr Kind beantragen. Fingerabdrücke werden allerdings erst ab dem sechsten Lebensjahr ihn den Pass aufgenommen.