Für manche gelten sie als Ausgeburt der Hölle. Mütter nehmen ihre Kinder vom Spielplatz und schlagen drei Kreuze, wenn eines dieser Ungetüme auf der Straße auftaucht. Lokalpolitiker verfluchen sie als Parkplatzräuber, Kleinwagenfahrer als rollende Trutzburgen. SUV eignen sich wunderbar als Projektionsfläche für alles Übel und üble Vorurteile. SUV sind groß, laut, schwer, luftverpestend - einfach igitt. Nicht unbedingt, wie Toyota mit dem Aygo X zeigt. Denn der Kleine läuft mit seinen 3,7 Metern Länge ganz offiziell unter dem Label SUV und ist damit gerade mal so lang wie ein Renault Twingo und eine Zigarettenpackung kürzer als ein VW Polo. SUV kann auch klein und knuffig.
Dabei teilt der Toyota Aygo X mit den normalen Aygo-Modellen der Japaner gerade mal den Namen und die Kompaktheit. Schon die Plattform ist neu: Der Aygo X steht auf der etwas verkürzten GA-B-Plattform der "Toyota Global New Architecture (TNGA), die 2021 erstmals dem etwas größeren Yaris die Basis lieferte.
Die kompakte Grundstruktur machte es möglich, aus dem in Europa entworfenen und im tschechischen Kolin gebauten Aygo X ein nahezu ideales Stadtautochen zu machen. Die 3.700 mm Länge passen in fast jede Parklücke, 1.740 mm Breite ecken auch in den engen Gassen südeuropäischer Dörfer und Städte nicht an und 1.540 mm Höhe reichen zumindest vorne für luftige Kopffreiheit. Dazu kommen ein knapper Wendekreis von 9,4 Metern sowie nur kurze Überhänge vorne und hinten. Dank der gegenüber dem normalen Aygo um 5,5 Zentimeter höher gelegten Sitze ist die Übersicht hinter dem Lenkrad besser als bei Autos aus dem A-Segment üblich. Und die um 1,1 Zentimeter erhöhte Bodenfreiheit macht den kleinen Fronttriebler zwar nicht gerade geländetauglich, hilft aber über so manches innerstädtische Schlagloch hinweg.
Auch optisch macht der Aygo X was her - ein Toyota muss also nicht notwendigerweise langweilig sein. In den Radkästen drehen sich Räder auf unüblich großen 18-Zoll-Felgen, die eigenständig gestaltete Karosserie wirkt stämmig und kraftvoll, für SUV-Optik und X-Faktor sorgt unter anderem die robuste Kunststoff-Beplankung rund um die Radhäuser. Die Überhänge vorne und hinten wurden verkürzt.
Innen kann sich der Aygo X ebenfalls sehen lassen. Hartplastik und ein paar in Wagenfarbe lackierte Blechteile ja, aber mit einem hochwertigen Eindruck und in der üblichen Toyota-Qualität zusammengepasst. Vorne ist nicht zuletzt dank des um neun Zentimeter auf 2.430 mm verlängerten Radstandes richtig viel Platz, die Rückbank dagegen taugt allenfalls zum Abstellen von Einkaufstüten. Macht nichts, sagt Toyota, bei 95 Prozent aller Fahrten sitzen ohnehin höchstens zwei Personen im Aygo. Die vorderen Sitze sind gut konturiert und bieten ausgezeichneten Seitenhalt. Selbst längere Touren lassen sich darauf relaxt absolvieren. Mit 231 bis 829 Liter bietet der Kofferraum des Aygo X 60 Liter mehr als der herkömmliche Aygo, geblieben ist die hohe Ladekante. Das Kombiinstrument vor dem Fahrer ist gut ablesbar, ebenso der neun Zoll große Touchscreen in der Mitte des Armaturenbretts. Das Navigationssystem allerdings ist - freundlich ausgedrückt - grenzwertig. Mag sein, dass es zur Zeit unserer Testfahrt rund um Barcelona technische Probleme mit dem Satelliten-System gab, wie Toyota hoch und heilig versicherte - aber die Wegweisung war schlicht unbrauchbar. Kaum je war der Wagen da, wo die Karte ihn verortete. Für den Weg zurück musste Google Maps auf dem iPhone herhalten.
Angetrieben wird der Aygo X von einem 1-Liter-Dreizylinder-Motörchen, das ohne Turbo-Unterstützung auskommen muss. Über den wenig sexy Klang des Benziners sei der Mantel des schamvollen Schweigens gedeckt - nicht nur beim Beschleunigen klingt er sehr bemüht. Immerhin holt Toyota aus dem Hubraum von der Größe einer Tüte Milch beachtliche 53 kW / 72 PS Leistung und ein maximales Drehmoment von 93 Nm heraus. Klingt nicht viel - aber reicht für den Aygo X völlig. Schließlich müssen nur weniger als eine Tonne Auto bewegt werden und das überwiegend im Stadtverkehr. Da reichen dann auch die 15,6 Sekunden aus, die der Kleine von Null auf 100 km/h braucht. Und die eher mäßige Höchstgeschwindigkeit von 158 km/h spielt nur eine untergeordnete Rolle. Als offiziellen Verbrauch nennt Toyota 4,7 Liter Super auf 100 Kilometer, auf unserer Tour rund um Barcelona zeigte der Bordcomputer reale 5,8 Liter an.
Beim Ampelstart und auf der Stadtautobahn jedenfalls kann der Aygo X gut mithalten. Schwieriger wird es jenseits der Stadtgrenze. Bergauf hat er zum Teil selbst im zweiten Gang Mühe, voranzukommen. Beschleunigen geht dann gar nicht. Die 5-Gang-Handschaltung (alternativ gibt es gegen 1.000 Euro Aufpreis ein automatisches CVT-Getriebe) fetzt knackig durch die Kulisse, die Lenkung zirkelt präzise durch die Kurven, lässt sich aber nur in der Neigung einstellen. Die Pedale im Fußraum stehen so eng zusammen, dass Fahrer mit großen Füßen oder breiten Schuhen sich leicht verhakeln. Das Fahrwerk mit McPherson-Aufhängung vorne und Verbundlenkerachse hinten sorgt für ein sicheres Fahrverhalten, die Federung ist komfortabel ausgelegt, reagiert bei schlechten Straßen aber gelegentlich etwas rumplig.
Mit Assistenzsystemen ist der Toyota Aygo X schon serienmäßig gut bestückt. Vom dynamischen Bremslicht über Verkehrszeichenerkennung und Kollisions-Warnsystem mit Fußgänger- und Radfahrererkennung bis zum Tempomaten und - mit Nachdruck reagierendem – Spurverfolgungsassistenten – alles schon ab der Basisversion dabei. Allenfalls Einparkhilfen vorne und hinten stehen in der Aufpreisliste. Und natürlich: Der Aygo X ist voll vernetzt – bis hin zum drahtlosen regelmäßigen Update des Navigationssystems und der Einbindung von Android Auto und Apple CarPlay.