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Opel Speedster Turbo Kreissäge im Kreuz

Keine Servolenkung, undichte Fenster und eine brettharte Federung. Es gab Zeiten, da war Autofahren schmerzhaft. Heute muss man für viel Nichts harte Euro auf den Tisch legen. Opel treibt die automobile Verzichtserklärung auf die Spitze.

Keine Servolenkung, undichte Fenster und eine brettharte Federung. Es gab Zeiten, da war Autofahren schmerzhaft. Heute muss man für viel Nichts harte Euro auf den Tisch legen. Opel treibt mit dem Speedster Turbo die automobile Verzichtserklärung auf die Spitze.

"Also, ich weiß ja nicht. Da muss man ja aussteigen, um die Außenspiegel einzustellen. Wie im VW Käfer. Und die Schaltung erst!". Mein Kollege Maier konnte dem Speedster wenig abgewinnen. Der Mann ist verweichlichter Lifestyle-Redakteur mit einem SLK in der Garage...

Einsteige-Kunst

Wer an kuscheligem Alcantara hängt und Wert darauf legt, die Verkehrsmeldungen im Radio verstehen zu können, muss sich nicht die Mühe machen, seinen Körper Speedster-tauglich zu falten. Der Rest der männlichen Führerschein-Inhaber tut gut daran, sich vor dem Einsteigen zu überlegen, in welcher Reihenfolge jedes einzelne Körperteil in den Speedster soll. Ohne Plan wird's schmerzhaft. Garantiert. Clever, aber feige: vor dem Einstieg das Verdeck abfummeln.

Plastik bringt Gewichtsvorteile

Der Speedster ist und bleibt ein Adonis unter den Automobilen. Gespannte Flächen, wuchtig ausgestellte Radhäuser, große Lufteinlässe und kleine Fenster künden von brachialer Sportlichkeit, der ausschließliche Einsatz von Kunststoffen von ausgeprägtem Gewichtsbewusstsein. Der Unterschied zwischen Speedster und Speedster Turbo liegt im Detail. Eine größere Frontschürze, zwei kleine Spoilerlippen und ein winziger Heckspoiler sollen dazu beitragen, das Plus an Kraft sicher auf die Straße zu bringen.

Ein Turbo macht Druck

200 PS leistet der Zweiliter-Vierzylinder, der, von einem Turbolader zwangsbeatmet, direkt hinter den Sitzen seiner Arbeit nachgeht. 53 PS mehr als im ersten Speedster. Um den Turbo mit ausreichend Luft zu versorgen, bekam der neue Speedster zwei Kiemen implantiert, die hinter den Türen im Fahrtwind stehen. Nicht schön, aber effektiv.

Viel ist nicht zu tun

Nicht ganz so viel Mühe haben sich die Opel-Entwickler bei der Neugestaltung des Innenraums gegeben. Nach erfolgter Kletterei landet man nach wie vor auf knallengen Sitzschalen, die sich gar nicht erst die Mühe geben, bequem zu wirken. Immerhin lässt sich der Fahrersitz nach vorne oder hinter schieben. Ein Luxus, auf den man als Beifahrer nicht zurückgreifen kann. Immerhin muss man sich keine Gedanke über die Bedienung der Bordsysteme machen. Drei Drehknöpfe für Heizung und Gebläse, ein Zigarettenanzünder, das Radio, ein Reset-Knopf für den Tageskilometerzähler und ein Kippschalter für die Zentralverriegelung (700 Euro Aufpreis). Viel ist nicht zu tun.

Exklusiv?

Wenig Kurzweil bieten die "exklusiven Details", die Opel extra für den Turbo-Speedster entwickelt haben will. Silberne Ziffernblätter, zum Beispiel. Oder eine neue LCD-Tankanzeige. So gar nicht praktisch sind allerdings die beiden Ablagefächer, die die Rüsselsheimer ins Armaturenbrett geschnitzt haben. Legt man dort, wie von Opel empfohlen, Handys, Kleingeld oder Schlüssel ab, erlebt man beim ersten Ampelsprint eine böse Überraschung. Physikalisch korrekt fliegt einem der abgelegte Kleinkram um die Ohren.

Opel Speedster Turbo

Motor

Vierzylinder Turbomotor

Hubraum

1.998 ccm

Leistung

200 PS / 147 kW

Max. Drehmoment

250 Newtonmeter

Länge/Breite/Höhe

3.786/1.708/1.117 Millimeter

Leergewicht

1.005 Kilo

Bremsen

Innenbelüftete Scheibenbremsen rundum, ABS serienmäßig

0-100 km/h

4,9 Sekunden

Höchstgeschw.

243 km/h

Grundpreis

36.500 Euro

Gestartet wird per Knopfdruck

Um so weit zu kommen, gilt es zunächst, die 200 Pferde im Heck zu wecken. Das geht, wie gehabt, per Knopfdruck. Zündung an, Knöpfchen drücken und schon vibriert die Kiste. Der kleine Vierzylinder macht zwar Krach, klingt im Vergleich zum bisherigen Speedster jedoch unscheinbar. Dämmmatten zwischen Motor und Sitzen machen's möglich. Gegen höhere Drehzahlen ist das Dämmmaterial machtlos. Spiele mit dem Gaspedal beantwortet das Zweiliter-Turbotriebwerk mit giftigem Fauchen, heißerem Kreischen und Vibrationen, die alsbald das gesamte Fahrzeug erfassen. So ungefähr muss sich das anfühlen, wenn man eine Kreissäge im Kreuz hat. Dementsprechend wenig bekommt man davon mit, was das 1.700 Euro teure Blaupunkt-Radio mit integriertem Navigationssystem von sich gibt.

Schalten mit Nachdruck

Genug gespielt. 200 PS brauchen Auslauf. Dabei behilflich ist ein manuelles Fünfgang-Getriebe, wie es knackiger nicht mehr sein könnte. Von einem metallischen Klacken begleitet, wollen die einzelnen Gänge mit Nachdruck in ihre Schaltgassen begleitet werden. Sorgen bereitete allerdings der immer wieder herausspringende Rückwärtsgang unseres Testwagens. Mit Vorsicht ist die stramme Kupplung zu genießen. Wer hoppelfrei von der Stelle kommen möchte, braucht Gefühl im Fuß oder jede Menge Übung.

Wenig Kilos pro PS

Was bleibt ist brachialer Vortrieb. Bereits ab 1.950 Umdrehungen liegt das maximale Drehmoment von 250 Newtonmeter an. Viel Kraft für 1000 Kilo Auto. Den Sprint von null auf 100 Sachen bringt der Speedster in 4,9 Sekunden hinter sich. Ein Porsche 911 braucht dafür fünf Sekunden. Möglich wird der atemberaubende Antritt durch ein günstiges Leistungsgewicht. Jeder Pferdestärke hat der Mittelmotor-Opel nur gute fünf Kilo Gewicht entgegenzusetzen.

Alles Handarbeit

Die Kraft auf den Asphalt zu bekommen, bleibt dem Fahrer selbst überlassen. Wo bei anderen Sportflitzern eine ausgeklügelte Elektronik dafür sorgt, dass das Heck in zu schnell gefahrenen Kurven an seinem Platz bleibt und man das Gummi der teuren 17-Zoll-Räder nicht sinnlos verfeuert, stehen im Speedster lediglich ein winziges Momo-Lenkrad und drei Pedale zur Verfügung. Unnötig zu erwähnen, dass kein Servo-Motor die Lenkbefehle verstärkt. Echte Handarbeit.

Der Magen gibt die Grenze vor

Der Respekt vor dem ungewohnten Purismus hält nicht lange. Selbst Elektronik-verwöhnte Speedster-Fahrer können den Reizen des Flachmanns nicht lange widerstehen. Die tiefe Sitzposition, der drehfreudige Motor, die direkte Lenkung und das brutal sportliche Fahrwerk gieren nach Kurven. Ein Wunsch, den man sich gerne gönnt. Im dritten Gang mit Vollgas auf die Kurve zu, hart anbremsen, runterschalten, einlenken und wenig später mit herrlich pfeifendem Turbolader um die Ecke schießen - auf trockener Fahrbahn scheint nicht einmal die Physik den Speedster bremsen zu können. Einziges Regulativ: der eigene Magen.

Der schmale Grenzbereich

Eine trügerische Sicherheit. Ein paar Kieselsteinchen oder etwas Feuchtigkeit reichen aus, um aus dem eben noch kreuzbraven Kurvenräuber einen wild bockendes Untier zu machen. Wer da vor Schreck auf dem Gas bleibt kann nur hoffen, dass der nächste Baum weit genug entfernt steht. Kennt man sich mit dem Fahrverhalten von Mittelmotor-Sportwagen aus, ist das leicht flüchtige Heck garantiert ein Spaßfaktor. Sehr hilfreich sind dabei ein schneller Gasfuß und hochsensible Pobacken - in Rennfahrer-Kreisen auch "Popometer" genannt.

Komfort? Ein Traum...

Von Komfort darf man bei derartigen Manövern nicht einmal träumen. Die knochentrockene Federung gibt sich alle Mühe, jedes Schlagloch an die Bandscheiben von Fahrer und Beifahrer weiterzuleiten, der Armaturenträger aus Aluminium ächzt und klappert in allen Tonlagen, das Lenkrad zerrt an den Händen und aufgewirbelte Steinchen, die in den Radhäusern eine wilde Party feiern, stellen das Vertrauen in den Werkstoff GfK (Kunststoff) auf eine harte Bewährungsprobe. Unser Testwagen litt zudem noch unter einer labilen Türverkleidung, die bei härterer Gangart aus ihrer Verankerung sprang und immer wieder mit kraftvollem Schulterdruck befestigt werden wollte.

Wo hört Sound auf und fängt Krach an?

Stadtverkehr? Autobahn? Keine gute Idee. Im City-Gewühl hat man durch die tiefe Sitzposition, die kleinen Scheiben und die servolose Lenkung nicht gerade Vorteile. Zumal es keinen Spaß macht, einem monströsen SUV auf die Radnaben zu kucken und sich zu fragen, ob der Fahrer beim Blick in den Außenspiegel auch nach UNTEN geschaut hat!? Nicht ganz so hilflos fühlt man sich auf der Autobahn. Auf der linken Spur kann man mit einer Spitzengeschwindigkeit von 243 Sachen gut mithalten - wenn man denn keinen Wert auf ein intaktes Gehör legt. Jenseits der 200er-Marke brüllt der Speedster wie ein startendes Kampfflugzeug und verliert zudem mehr und mehr an Bodenhaftung. Da helfen auch die winzigen Spoileranbauten wenig.

Sparen gehört zum Geschäft

An der Tankstelle schlägt die große Speedster-Stunde. Selbst bei rüder Fahrweise wird man es kaum schaffen, dem Opel mehr als 9,5 Liter Durchschnittsverbrauch zu entlocken. Hier rechnet sich der Einbau biederer Großserientechnik. Der Zweiliter-Turbomotor tut in diversen OPC-Modellen Dienst und galt noch nie als Schluckspecht. Der Frequenz der Tankstellen-Abstecher ist damit allerdings nicht geholfen. Der Speedster-Tank fasst lächerliche 36 Liter.

Fazit

Ist nun ein Speedster Turbo besser als ein Porsche 911? Natürlich nicht - oder doch? Was zählt, ist die Reduzierung aufs Wesentliche. Ein Porsche 911 ist hochwertiger, komfortabler, sicherer alltagstauglicher und fast dreimal so teuer (Speedster: 36.500Euro ) wie der kleine Opel und reicht doch nicht an dessen Fahrspaßwerte heran. Im Porsche von der Stange ist man einer unter vielen, im handgefertigten Speedster einer von den ganz harten. Danke Opel.

Jochen Knecht

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