Beim Mega Casting handelt es sich nicht um eine neue Fernsehshow, bei der Dieter Bohlen in der Jury sitzt und mehr oder weniger begabte Sänger ein Lied zum Besten geben. Vielmehr geht es um einen Herstellungsprozess, bei dem große Aluminiumteile aus einem Stück hergestellt werden. Dazu wird flüssiges Aluminium in ein Werkzeug gegossen und dann mit extrem hohen Druck von 8.000 Tonnen in die entsprechende Form gepresst. Ein Wasserbad beschleunigt die Abkühlung, ehe per Laser der finale Zuschnitt des Bauteils und die Begradigung der Kanten erfolgen. Ein Vorteil dieser Methode ist, dass deutlich weniger Materialausschuss anfällt als bei traditionellen Presswerkzeugen. Volvo will dieses Verfahren ab 2025 im Stammwerk Torslanda einsetzen, wo dann ein Fahrzeug auf einer neuen rein elektrischen Plattform vom Band laufen soll.
Druckvoll

"Damit sich dieser Aufwand auch finanziell lohnt, müssen möglichst viele Teile und Funktionen in diesem Element zusammengefasst werden", erklärt Mikael Fermér, der Projektleiter für die Einführung von Mega Casting die Vorgehensweise, um die Komplexität der Herstellung drastisch zu verringern. Außerdem sollen mit dem Mega Casting die Grenzen des Plattformdenkens der Vergangenheit angehören, da Elemente verschiedener Größen und Formen ohne großen Aufwand produziert werden können. Auch das Reagieren auf technische Fortschritte und bauliche Unterschiede, wie etwa bei den Elektromotoren, ist deutlich einfacher möglich als bisher und kann sogar während der Produktion beziehungsweise des Lebenszyklus eines Autos vollzogen werden.
Derart große Bauteile, wie sie beim Mega Casting entstehen, sind nur mit großem Aufwand zu transportieren. Deswegen muss die Fertigung nahe der Hauptproduktionslinie stattfinden, wenn man die Logistikkosten senken will. Auch Tesla setzt auf das Mega Casting und fasst bei der Produktion 70 Teile in einem zusammen, das will Volvo toppen. "Wir streben ein Verhältnis von 100 zu eins an", stellt Mikael Fermér klar. Jedes der Mega Casting Werkzeuge ist rund 20 Meter lang, sechs Meter hoch und sechs Meter breit. Die Taktung wird auf 140 Sekunden pro Bauteil hinauslaufen, um 60 Einheiten pro Stunde zu fertigen, sind mehrere Maschinen nötig. Auch das Metall ist keines von der Stange: Der schwedische Autobauer verwendet für diesen Produktionsschritt sogenanntes F-Temper Aluminium, das nach dem Casting nicht mit Wärme nachbehandelt werden muss.
Die positiven Folgen aus diesem Herstellungsprozess sind mannigfaltig: Damit wird die Anzahl der Bauteile geringer, die Produktion und nicht zuletzt das Design flexibler. Auch die Umwelt profitiert vom Mega-Casting: Der Energieaufwand geht deutlich zurück, der CO2-Fussabrdruck wird reduziert, genauso wie das Gewicht des Autos und laut Volvo können auch mehr Recycling-Materialien verwendet werden. Aktuell geht Volvo von 50 Prozent Recycling-Materialien aus. "Das Ziel sind 100 Prozent, aber noch haben diese Werkstoffe nicht die Qualität, die wir uns vorstellen"; sagt Mikael Fermér. Volvo will die Lieferanten in die Pflicht nehmen und nur Aluminium verwenden, bei dessen Herstellung weniger als vier Kilogramm CO2 pro Kilogramm Metall nötig ist. Apropos Gewicht: Im Vergleich zu einem Stahlbauteil soll die Aluminiumversion rund 15 bis 20 Prozent leichter sein. Das Mega Casting ist ein zentraler Bestandteil der Herstellung der ersten Plattform für rein elektrische Fahrzeuge. Das erste Bauteil, dass so gefertigt wird, ist die Heckbodengruppe.
Das ist nicht die einzige Maßnahme bei Volvos Autobau der Zukunft: Volvo nimmt rund eine Milliarde Euro in die Hand, um das Stammwerk Torslanda ab Mitte des Jahrzehnts fit für die nächste Generation von E-Mobilen zu machen. Neben der Karosserie und der Bodengruppe ist die Batterie ein zentrales Bauteil eines jeden BEVs. In einer modernen Fabrik werden die Akkumodule zu Batteriepaketen zusammengefügt. Als Blaupause dient die Herstellung der Batterien für Plug-in-Hybride, jetzt wird dieses Prinzip aber bei deutlich größeren Energiespeichern angewendet. In diesem Zug wird auch eine neue Batteriemontageanlage eingeführt, bei der die Batteriemodule direkt in die Bodenstruktur des Fahrzeugs integriert werden. Damit der Nachhaltigkeit getan wird und die Menge der Autos auch die richtige Farbe bekommen, wird auch eine neue Lackiererei in Betrieb genommen. Dass dies möglichst ressourcenschonend (wie) geschieht, versteht sich bei dem Gesamtkonzept fast von selbst.