Seinen Vortrag beginnt Thomas Weber, 52, bei Mercedes Vorstand für Entwicklung und Forschung, mit einem Foto eines brennenden Geländewagens. Seit zwei Jahren fackeln mehr und mehr Amis ihre Wald-und-Wiesen-Gesellen ab, um das Geld von der Versicherung zu kassieren. Spritfresser verkaufen sich schlecht. Beste Gelegenheit für Weber, ihnen moderne Diesel schmackhaft zu machen, die weniger als die Hälfte verbrauchen und mit Glück nur alle 1200 Kilometer tanken müssen.
Diesel? Nein, danke!
Aber Amerika mag keine Diesel, jedenfalls nicht so richtig. Allen voran Kalifornien, wo Mister Ex-Universum, Arnold Schwarzenegger regiert. Der spielt sozusagen den Türsteher. Wer als Hersteller in Kalifornien mit Diesel-Autos antreten will, muss sich sinngemäß folgendes anhören: Wenn ihr Autobauer es nicht hinkriegt, den Diesel so sauber wie den Benziner zu machen, könnt ihr mit dem Stinker bleiben, wo der Pfeffer wächst.
Deswegen sprach Weber in Nevada zu den Medien, quasi im Vorgarten von Schwarzenegger. In Nevada und 44 anderen Bundesstaaten gelten für die nächsten zwei Jahre zwar auch strenge Abgaswerte, die sich aber mit einer neuen und bislang einzigartigen Technik knacken lassen: Bluetec, der Meister Proper aller Saubermänner im Autobau. Ab 15. Oktober wird dort die Mercedes E-Klasse für 51.550 Dollar inklusive Bluetec angeboten. Äußerlich ist nichts Aufregendes zu erkennen, lediglich der Bluetec-Schriftzug auf dem Kofferraumdeckel weist auf den Unterschied hin. Nach Mercedes-Angaben ist dieses Auto der "sauberste Diesel der Welt".
Mieses Image
"Kein anderer Hersteller erreicht diese Werte", sagt Weber, "auch Toyota nicht." Der Kampf gilt den Stickoxiden (NOx). Ein Dieselmotor, auch ein moderner, produziert eine Menge davon. Dreimal mehr als ein Benziner. Das ist physikalisch bedingt und bis zu einem gewissen Grad unvermeidbar. Stickoxide aber reizen die Lungen, brauen sich zu saurem Regen zusammen und verursachen den Sommersmog. Keine guten Verkaufsargumente. Hinzu kommt, dass in den Köpfen der amerikanischen Kunden noch der alte Geist spukt: Diesel sind lahm, laut, rußen, tanken muss man in öligen Pfützen an Truck-Stops und die Hände stinken den ganzen Tag nach dem Zeug. Vergessen sind auch nicht die Pannen mit verstopften Rußfiltern, wie Mercedes sie ab 1978 in den USA anbot. Und schließlich sorgte General Motors (GM) mit lausigen wie unzuverlässigen Dieselmodellen für den totalen Imageverlust des Selbstzünders.
Die NOx-Falle
Magere 3,4 Prozent beträgt der Dieselanteil bei den Neuzulassungen in den USA, in Europa sind es fast 50 Prozent. Mercedes erwartet in den nächsten zehn Jahren für Amerika 15 Prozent. Ein dickes Geschäft, zumal man ein NOx-Patent besitzt, das andere Hersteller nur schwer kopieren können. Drei bis fünf Jahre habe man, laut Weber, technisch die Nase vorn. Die Ingenieure schafften es, im Auspuff Amoniak zu erzeugen. Damit werden in einem speziellen Katalysator die schädlichen Stickoxide in harmloses Stickstoff (zu 78 Prozent in unserer Atemluft) und Wasserdampf verwandelt.
Weber glaubt, wenn der Kunde erst einmal im Bluetec-Mercedes sitzt, wird er nie wieder einen Benziner kaufen. Er könnte Recht haben. Bei ersten Testfahrten überzeugte die Diesel-E-Klasse durch einen extrem ruhigen Motor, der auf dem Highway leiser schnurrt als eine Katze auf dem Sofa. Zwar stieg der Verbrauch aufgrund des aufwendigen Reinigungsprozesses um vier Prozent, doch dürften 6,7 Liter bei den Amis immer noch für leuchtende Augen sorgen, schlucken die alten V8-Benziner doch leicht das Dreifache. Nebenbei kletterte der Spritpreis seit 1990 um 300 Prozent. So etwas schmerzt.
Europas Sprit zu schmutzig
In Europa wird Bluetec voraussichtlich nicht vor Ende 2008 in den Markt kommen. Hauptgrund: Der Kraftstoff muss reiner werden, er enthält noch zuviel Schwefel, was dem Abgasreiniger auf Dauer schadet. Der Dieseltreibstoff in Deutschland ist zwar schon sauber genug, doch in Frankreich beispielsweise liegt der Schwefelwert fünf Mal höher. Und in manchen osteuropäischen Ländern zeigen die Messgeräte sogar das Hundertfache an.