Die E-Scooter kommen und schon wird das Ende des Abendlands herbeigeschrieben. Rentner werden angefahren, die Städte werden in Schrott ersticken oder Lithium-Akkus werden in Flammen aufgehen – so lauten die Prognosen. Diese Annahmen sind für sich genommen nicht falsch, aber sie gehen alle von einer Grundannahme aus: nämlich, dass die Elektro-Scooter beim Bürger super ankommen und wir uns alle darum reißen, uns mit so einem Gefährt in das Getümmel auf Straßen und Radwegen zu stürzen.
Doch nur, weil der Bundestag irgendein Verkehrsmittel erlaubt, heißt das noch lange nicht, dass alle Menschen damit fahren wollen. In dem Zusammenhang sei kurz an die Geschichte des Segways erinnert. Als diese damals ganz neuartigen Gefährte auftauchten, wurde sogleich die Revolution des Nahverkehrs ausgerufen. In der Innenstadt, der Industrie, auf Flughäfen und sogar auf Wanderrouten in den Bergen – überall sah man Flotten von Segways rollen. Was ist passiert? Abgesehen von einer Handvoll von traurig aussehenden Touristen-Touren wurden die Geräte nicht benutzt. Dass der Segway-Gründer Jimi Heselden bei einem Unfall mit seinem Gefährt zu Tode kam, hat der Sache auch nicht geholfen.
Ein Flop wie Segway
Und heute sollen die E-Scooter den Verkehr revolutionieren. Doch niemand fragt: Warum eigentlich? Der BMW X2City E-Scooter ist eines der wenigen Modelle mit Straßenzulassung. Das Gerät besitzt Top-Scheibenbremsen (Magura MT4) und für einen Scooter relativ große Räder mit einer 16x2.6 Bereifung.
Es ist überhaupt nicht zu erkennen, warum dieser Roller gefährlicher sein soll als ein Elektrofahrrad. Unfallforscher monieren zwar, dass die kleinen Räder sehr tückisch werden, wenn man auf Bergabstrecken munter auf Tempo 50 beschleunigt. Aber solche Manöver sind auch mit einem Hollandrad nicht zu empfehlen.
Kosten wie ein E-Rad
Das Problem für den schönen Scooter von BMW: Er bietet für die meisten Menschen keinen Vorteil gegenüber einem E-Rad. Der Roller kostet über 2000 Euro – genau wie ein Elektrorad. Sein Einsatzspektrum ist dafür wesentlich kleiner. Bei Entfernungen über fünf Kilometern ist die coole stehende Rollerposition nämlich vor allem unbequem. Er ist etwas kleiner als die meisten Elektroräder, aber auch nicht wesentlich kompakter als ein Mini-Rad mit E-Antrieb. Mit soliden 21 Kilogramm Gewicht eignet er sich kaum für Pendler, denn nur ein Kraftsportler kann sich den E-Scooter locker unter dem Arm klemmen, während er in den Bus steigt. Viel Spaß auch beim Treppensteigen mit dem Roller in den dritten Stock. Und zu allem Überfluss benötigt man eine eigene Haftpflicht-Versicherung, während Schäden durch Räder oder Pedelecs meist von der normalen Haftpflicht gedeckt sind.
Der Markt ist bereits besetzt. Elektroräder sind in der Bevölkerung akzeptiert – fast 900.000 Stück werden dieses Jahr verkauft werden. Kein Hersteller dieser E-Räder macht sich Sorgen, dass die E-Scooter ein nennenswertes Stück von diesem Kuchen abbekommen werden. Bei Kosten von über 2000 Euro zählt für die meisten Kunden der Nutzwert und der spricht klar fürs Pedelec – einige wenige werden dem Gimmick "Scooter" den Vorrang geben.
Wie lange sind E-Scooter ein Hingucker?
Also fallen Privatkunden als Käufer von E-Scootern in nennenswerter Zahl aus. Bleibt das Sharing: Doch hier reden wir über eine Handvoll Gebiete in Innenstädten – in der Fläche sind derartige Sharing-Modelle nicht machbar. Einige Zonen heißt eben auch: Der größte Teil der Bevölkerung bekommt davon nur beim Berlinbesuch etwas mit.
Sharing-Roller dürften tatsächlich vom Hinguck-Effekt profitieren. Denn der ist günstig für eine Streckenmiete zu haben und niemand muss sich ein Gerät für 2000 Euro kaufen. Fragt sich nur, wie lange der Neuigkeitswert anhält? Unsere Prognose: Nach ein zwei Jahren ist der Hui-Faktor verflogen.
Und Eines sollte einem zu denken geben: Beim Sharing würde kaum jemand den Steh-Scooter wählen, wenn er auch ein E-Bike nehmen könnte. Doch E-Bike-Sharing gibt es kaum. Wieso nicht? Die Bewegung auf dem Rad ist vertraut, in einem Körbchen könnte man Einkäufe verstauen und die Systeme sind technisch ausgereift. Unserer Meinung nach ist der Grund ganz einfach: Handelsübliche elektrische Antriebssysteme sind nicht dafür gemacht, in irgendeiner Straßenecke 14 Tage im Regen zu stehen. Nur speziell angepasste Modelle wie sie jetzt von "Call a Bike" in Hamburg erprobt werden, haben ein Chance eine Saison zu überstehen, ohne mehrmals zum Service zu müssen. E-Scooter werden das gleiche Problem haben.
Es ist unwahrscheinlich, dass unsere Städte mit Scooter-Müll verstopft werden, so wie es in China auf dem Höhepunkt des Bike-Sharings geschah. Das war eine Sondersituation: Eine Zeit lang hatten die China-Anbieter Geld wie Heu und die eingesetzten Räder waren extrem billig. Beides ist bei E-Scootern nicht der Fall. Sollten die Scooter im Weg stehen, werden die Verleiher ein ganz anderes Problem bekommen. Nämlich, dass genervte Anwohner die teuren Geräte einfach in den Müllkübel werfen oder kaputt machen. Mit etwas Pech könnten auch Profidiebe auf die Idee kommen, die teuren Akkus zu klauen – dank App wissen sie ja, wo sie zu finden sind.
Das wäre dann ein unrühmliches Ende des Scooter-Hypes.
Anmerkung:
Der BMW X2City E-Scooter ist ein besonders schwerer Scooter. Er wurde als Beispiel gewählt, weil er als besonders sicher gilt. Es werden auch günstigere Modelle mit einem Gewicht von 10 bis 13 Kilogramm eine Zulassung erhalten.
Unser Meinung nach werden sie aber kaum billiger als Pedelecs (ab 800 Euro) werden. Wir halten es für unwahrscheinlich , dass China-Modelle in der Preisklasse von 200 bis 400 Euro die Zulassung erhalten.
Im Video: Roller im Praxistest – wieviel Spaß bringt der Scuddy?

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