Die Insel Capri ist eine der bekanntesten Touristenattraktionen von Italien. Jahr für Jahr kommen Millionen von Besuchern auf das kleine Eiland in der Bucht vor Neapel. Capri – die Insel kennen die Älteren noch durch den schwungvollen 40er-Jahre-Schlager „Capri Fischer“ von Rudi Schuricke und auch US-Ikone Dean Martin schmetterte in den 1970er Jahren mit weichem Italo-Ohio- Charme „The Isle of Capri“ in die Mikrofone von Las Vegas und Chicago. Die pittoresken Örtchen auf der kaum mehr zehn Quadratmeter großen Insel haben seit Jahrzehnten Weltruf – entsprechend voll ist diese mit Touristen aus aller Welt. Da externe Fahrzeuge von Ausnahmen abgesehen verboten sind, kommen die Kurzurlauber aus Sorrento, Ischia oder Neapel mit Schnellboten übers Meer und bewegen sich auf dem kleinen Panoramafelsen mit den lokalen Taxis und genau die sind eine echte Schau.
Praktisch statt schön

Denn Fiat Marea / Scudo, Nissan Evalia / Serena, Opel Zafira und Citroen C4 Picasso wurden für den lokalen Taxieinsatz auf der italienischen Sonneninsel nicht nur zum Cabriolet oder besser wenig filigranen Landaulets aufgeschnitten, sondern von Karosseriebauern auch noch zu Langversionen gemacht, die dem automobilaffinen Auge alles andere als schmeicheln. Denn mit Proportionen, Spaltmaßen, Verkleidungen und Dachkonstruktionen nehmen es die Fahrzeugbauer nicht so genau, wenn es darum geht, bei dem zumeist sonnigen Capriwetter möglichst viele Touristen vom großen Hafen an der Südostküste oder vom kleinen Hafen unterhalb der Krupp-Villa in den Hauptort bringen zu können. Das schönste Taxi auf der Insel ist dabei seit Jahren der dunkelrote Fiat 1500 L, der nicht nur historische Gefühle weckt, sondern auch in Sachen Pflegezustand die meisten anderen Landaulets aussticht, in deren Fond sich nicht selten vier oder fünf Personen breit gemacht haben, um die zahlreichen Fotomotive abzuklappern. Eine der Karosseriefirmen, die die Fahrzeuge aufschneidet ist Vernagallo Stile, aus Venaria nahe Turin, die auf Wunsch auch historische Fiat-500-Modelle von allem überflüssigen befreit und sie zu Speedster oder Holiday-Modell macht. Vernagallo verkauft seine offenen Fiat Scudo und Nissan Evalia C jedoch nicht nur nach Capri, sondern auch als Hotelshuttle in andere Urlaubsregionen in Europa.
„Die Fahrt hinauf nach Capri Stadt kostet 25 Euro“, grummelt Paolo mit seinem weiß-blauen Opel Zafira Cabriolet älterer Bauart, das augenscheinlich schon bessere Zeiten gesehen hat. Der ehemalige Familienvan aus Rüsselsheim wurde aufgeschnitten, verlängert, mit zwei zusätzlichen Sitzreihen bestuhlt und im Innern mit einem strapazierfähigen Kunststoffüberzug versehen. Gassen und Straßen sind auf Capri winzig und so sind die Außenspiegel des brummenden Exilhessen auch während der Fahrt durchweg eingeklappt, während Paolo im flotten Galopp den Hügel heraufzischt und Kehren schneidet. Es ist Vorsaison doch immer wieder begegnen sich Fahrzeuge auf den schmalen Straßen – es geht um Zentimeter aneinander vorbei. Kein Wunder, dass die meisten lokalen Fahrzeuge mit Schrammen übersäht sind. Das trifft jedoch nur auf wenige der Capri Taxis zu, denn deren Piloten kennen jede Verengung, jedes Manöver und die Abmessungen des eigenen Bastelfahrzeugs ganz genau.
Auch wenn es herab zum kleinen Hafen oder hinauf nach Capri Stadt an einer Verengung durch zwei entgegenkommende Lastwagen einmal etwas länger dauert, bleiben alle wartenden in der schnell wachsenden Kolonne entspannt. Das sonst aus Italien bestens bekannte Hupkonzert bleibt aus – Paolo und seine Kollegen haben Zeit – und die Preise sind ohnehin alles Festpreise. Schnell geht auf Capri ohnehin nur wenig. Einzig einige Touristen verbreiten Unruhe, wenn es darum geht, die nächste Fähre zu bekommen. Doch die Kontrolleure der drei Transferdienste nehmen es mit den Tickets nicht so genau. Da wird auch mitgenommen, wer sein Billet erst für die nächste oder gar die vorherige Fähre hatte. Mit dem Schnellboot zurück nach Sorrento kostet die rund 25minütige Überfahrt gut 20 Euro – billiger als jede Taxitour auf der Touristeninsel.
Direkt am Schiffsanleger warten die einzigartigen Capri Taxis in Zweierreihen bereits auf die nächsten Touristen. Einige der ankommenden nehmen für eine Strecke hinauf nach Capri Stadt die Standseilbahn oder gehen mutig zu Fuß. Doch spätestens, wenn es nach einem großzügigen Fußmarsch durch die Nobelgassen mit ihren exklusiven Luxusboutiquen in den kleinen Hafen oder zurück zur Fähre geht, dann steigen die meisten in eines der Capri Taxis und bescheren Paolo und seinen Kollegen zwischen April und November ein mehr als ertragreiches Geschäft.
Wie lange die ebenso ungewöhnlichen wie hässlichen Capri Taxis auf der Insel noch mit einem Verbrennungsmotor unterwegs sein dürfte, scheint ungewiss. Auf anderen Touristeninseln wie Santa Catalina Island vor der Küste von Long Beach gibt es seit langem Überlegungen, nicht nur den Tourismus zu beschränken, sondern auch den nötigen Verkehr lokal emissionsfrei durchführen zu lassen. Doch bis dahin erscheint es im Süden von Italien noch ein weiter Weg. Immerhin sind die schmalen Kleinstlaster in der Altstadt von Capri seit langem elektrisch unterwegs. Mal schauen, wann ihnen die Capri Taxis nach Landaulet- Bauart folgen.