30 Jahre Airbag Lebensrettung mit dem Windbeutel

Vor dreißig Jahren war der Airbag ebenso umstritten wie andere Sicherheitseinrichtungen zuvor. Heute rettet der Airbag im Durchschnitt alle sieben Sekunden ein Menschenleben.

Wegen der stark gestiegenen Unfallzahlen im Straßenverkehr der 60er Jahre begann man vermehrt über die Sicherheit in Kraftfahrzeugen nachzudenken. Bald war klar, dass bei einem Autounfall, das Abfangen des beschleunigten menschlichen Körpers mit einem gasgefüllten Prallsack die effektivste Methode ist. Die Industrie bediente sich zunächst pressluftbetriebener Systeme.

1974 glaubte man sich bei GM bereits am Ziel. Einige Modelle wurden mit „ACRS“ genannten Airbags ausgestattet. Das System war aber nicht ausgereift. Immer wieder kam es zu Fehlauslösungen. Als sich dann auch noch ein tödlicher Unfall als Folge einer spontanen Airbag-Aktivierung ereignete, wurde dies System schnell wieder vom Markt genommen. Die Entwicklung eines praxistauglichen Airbags galt in den USA danach als unmöglich.

Durchbruch bei Mercedes

Anders in Deutschland. Bei Mercedes-Benz arbeitete man schon seit 1967 an dem Prallsack. Dazu konnte man bei den Schwaben auf umfangreiche Vorarbeiten und zahlreiche Erfolge zurückblicken. Vom Erfinder des Begriffs der passiven Sicherheit, Béla Barényi, stammten viele der zukunftsweisenden Erfindungen der damaligen Mercedes-Benz-Baureihen. Nach anfänglichen Versuchen mit Druckluft entschied man sich für einen pyrotechnischen Treibsatz, der im Falle eines Unfalls einen Textilbeutel in wenigen Millisekunden blitzschnell aufbläst und den Fahrer sanft abfängt. 1971 konnte Mercedes-Benz ein Patent anmelden. Dennoch dauerte es noch weitere neun Jahre, viele Aufprallversuche und über 2.500 weitere Tests und Langzeitversuche, ehe das System seine Zuverlässigkeit bewiesen hatte.

1980 kam dann die Mercedes-Benz S-Klasse (W126) mit Fahrerairbag und Gurtstraffern auf den Markt. Das System war für 1.525,50 Mark als Sonderausstattung erhältlich. Daimler-Benz hatte ein Signal gesetzt. Wer aber glaubte, die anderen Hersteller würden wie verrückt Airbags in Ihre Fahrzeuge einbauen, sah sich getäuscht. Es dauerte ganze sieben Jahre, ehe der nächste Schritt getan wurde. Porsche verpasste der Konsole vor dem Beifahrersitz einen weiteren Airbag. Die US-Version des 1987er Porsche 944 Turbos hatte serienmäßig Fahrer- und Beifahrerairbags. Alle Beifahrerairbags dieser Periode verdrängten das Handschuhfach aus der Konsole.

Die zögerliche Aufnahme der neuen Technik ist teilweise verständlich, war doch die Industrie selbst nicht gänzlich von der neuen Technik überzeugt. Chrysler-Chef Lee Iacocca äußerte sich 1984 öffentlich, er halte den Airbag für gefährlicher als das Problem, das er lösen soll. Tatsächlich kann der Airbag seine lebensrettende Wirkung nur entfalten, wenn die Person aufrecht sitzend angeschnallt ist. In anderen Fällen kann der Airbag die Person nicht abfangen und vielleicht sogar schaden. Solange das Angurten nicht selbstverständlich war, barg der Airbag Gefahren.

Großer Anteil am Rückgang der Verkehrstoten

Der wankelmütige Iacocca änderte bereits 1988 seine Meinung und ließ Fahrerairbags serienmäßig in alle Chrysler einbauen; Ford folgte ein Jahr später. Mitte der 90er Jahre nahm die Entwicklung Fahrt auf. An immer mehr Stellen im Innenraum sollten die schnellen Luftpolster ihre schützende Wirkung entfalten. Volvo macht 1995 den Anfang und baute Seitenairbags in die Sitze ein.

Einen zusätzlichen Kopfairbag spendierte BMW den Käufern eines 5ers ab 1997. Ab 1998 gab es Kopfairbags für die Fondpassagiere des Volvo S80. Renault baut seit 2002 Sitzpolster-Airbags in seinen Megane, die das Durchrutschen unter dem Beckengurt verhindern sollen. Ironie der Geschichte: Die Technik hat sich gewandelt. Viele Airbags werden inzwischen wieder mit Pressluft aufgefaltet. Die Pyrotechnik dient nur noch dazu, den Verschluss einer Druckluftkapsel zu öffnen. Uneingeschränkt positiv hingegen ist die Entwicklung auf den Straßen selbst. Vom Höchststand im Jahr 1970, als fast 20.000 Menschen im Verkehr starben, sank die Anzahl der Verkehrsopfer in Deutschland kontinuierlich auf fast 4000 Tote im Jahr 2009. Einen bedeutenden Anteil an dieser Entwicklung hat der Airbag genannte Prallsack - gefüllt mit etwas warmer Luft.

Hans Bast/Press-Inform

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