Aston Martin Platz-Hirsch

Damit hatte keiner gerechnet: Nächste Woche stellt Aston Martin auf der Detroit Motor Show seinen neuen Familienrenner vor, den Rapide. Er ist unverschämt teuer, ziemlich unvernünftig - und unglaublich schön.

Schön, wenn die Dienstwagenverordnung es gut mit einem meint. 007 hatte diesbezüglich nie Grund zur Klage. Im Auftrag der Königin kachelte Agent James Bond mal mit einem fernsteuerbaren 7er BMW, mal mit einem tauchfähigen Lotus Esprit oder einem exotischen Toyota 2000 GT durch seine Filme - immer vom Besten, das britische Außenministerium zahlte.

Bonds automobile Hausmarke hieß jedoch Aston Martin. Der DB5 in "Goldfinger", der V8 in "Lizenz zum Töten" und zuletzt das 528-PS-Biest Vanquish in "Stirb an einem anderen Tag" - die handgearbeiteten britischen Traumwagen für reisende Earls und rasende Lords waren maßgeschneidert für einen Playboyagenten mit der Lizenz zum Flachlegen schöner Frauen. Zweisitzer mit Platz für Zahnbürste und Dienstwaffe auf der Rückbank, rollende Gentlemen-Clubs mit duftendem Leder und polierten Hölzern - gibt es ein besseres Ambiente für einen Mann mit HWB (häufig wechselnden Beifahrerinnen)?

Aber angenommen, James Bond verliebte sich irgendwann unsterblich, heiratete, zeugte Nachwuchs und zöge in die Vororte. Auf dem Beifahrersitz des Aston wäre Platz für Frau Bond. Aber wohin mit 008 und 009, wohin mit Hund und Champagnerkisten?

In der kommenden Woche

wird Ulrich Bez, der Chef von Aston Martin, auf der Detroit Motor Show mit einem Viersitzer vorfahren. Der ehemalige Technik-Vorstand von Porsche wird die vier Türen und die große Heckluke des "Aston Rapide" aufklappen, Kinnladen werden herunterklappen, Testosteron wird den Saal fluten und den Verstand des anwesenden Fachpublikums fortspülen. So ist es immer, wenn ein Aston vorgestellt wird. Die Vernunft bleibt in der Garage, die Emotion gibt Gas. Aston Martins sind unpraktisch und so notwendig wie Armbanduhren, mit denen man 500 Meter tief tauchen kann, sie schlucken mehr Geld und Benzin, als die meisten haben, sie sind zu stark, zu luxuriös, zu laut, zu leichtsinnig. Und sie sind traumschön.

Der Rapide, den Aston nun überraschend aus dem Hut zaubert, ist das allerschönste, vielleicht das großartigste Auto der vergangenen und vielleicht der nächsten Jahre. Und: "Es ist kein Showcar. Wir bauen das. Wir haben keine Gimmicks in den Prototypen eingebaut, die nachher nicht in Serie gehen", sagt Bez.

Wenn der Aston für die Familie

also in etwa drei Jahren in Serie geht - 300 sollen jährlich im mittelenglischen Gaydon vom Band laufen -, wird das photochromatische Dach aus Polycarbonat im Paket sein, das auf Knopfdruck durchsichtig wird und für ein Raumgefühl wie im Papamobil sorgt. Es wird das Kühlfach im Heck geben, den auf 480 PS aufgemotzten V12-Motor aus dem Bruder DB9 und die einzeln und elektrisch umklappbaren Rücksitze in Eschenholzschale, die bei Bedarf Platz machen für Skier, Fahrräder und Kleinmöbel. Der Grundpreis von etwa 250 000 Euro ist beliebig aufzustocken, da Aston Martin jeden Sonderwunsch erfüllt - wobei anzumerken ist, dass in der Standardausführung die Seidenteppiche schon enthalten sind, ganz zu schweigen vom komplett in Leder, Holz und Aluminium gehaltenen Innenraum. Wie schon heute bei allen Aston Martins üblich, werden allein 50 Stunden benötigt, um die neun Lackschichten in Handarbeit aufs Blech zu bringen, eine Zeit, in der VW ein ganzes Auto baut.

Es ist eine winzige Marktlücke, für die der Rapide gebaut wird. Wenn der Brite auf den Markt kommt, wird er auf einen Konkurrenten aus Deutschland treffen: Porsche will etwa zur gleichen Zeit seinen Familien-Boliden Panamera auf die Straße bringen. Aber was heißt eigentlich Konkurrent: Während der Porsche die technisch vollendete Fahrmaschine für verkappte Rennfahrer ist, bleibt der Aston die Luxuskutsche für den sportlichen Aristokraten. Daran ändern auch die vier Sitze nichts. Und überhaupt: Für alle anderen, die sich kein Auto leisten können, das so teuer wie eine Eigentumswohnung ist, bleibt das alles Theorie. Aber eine verdammt schöne.

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Peter Pursche