Unfallursache LKW Sparen statt Sicherheit

  • von Stefan Grundhoff
Die Bilder vom schrecklichen Busunglück auf der A14 gehen um die Welt. Oftmals sind Lastwagen und Busse in schwerste Unfälle verwickelt. Dabei lassen sich viele Katastrophen verhindern. Ausgeklügelte Sicherheitstechnik wird angeboten, aus Kostengründen aber viel zu selten eingesetzt.

"Ein Abstandsassistent mit Notbremsfunktion hätte den schweren Unfall möglicherweise verhindert oder zumindest seine Folgen abgemildert", sagt Maximilian Maurer vom ADAC. Verkehrsexperten von Adac, Dekra oder dem Bundesverband für Güterkraftverkehr (BGL) unterstützen deshalb den Einbau solcher Sicherheitssysteme. Jeder kennt die Situation. Im Stau auf der Autobahn fährt man an kilometerlangen Lastwagenschlangen vorbei. Viele kommen aus Osteuropa und viele LKW haben schon bessere Zeiten gesehen. Abgefahrene Reifen, heruntergekommene Bremsen sowie verrostete und überladene Auflieger – tausende fahren über Europas Straßen. Auch wenn die Polizei und das Bundesamt für Güterverkehr (BAG) bei Kontrollen immer mehr Zeitbomben aus dem Verkehr ziehen, ist der Lage kaum Herr zu werden. Dabei ist es nicht so, als dass lebensrettende Sicherheitsausstattungen allein in PKW verfügbar werden. Systeme wie Anti-Blockiersystem (ABS,) elektronisches Stabilitätsprogramm (ESP), Notbremsassistent und Abstandstempomat gibt es auch für dicke Brummis. Die Marktdurchdringung ist jedoch mikroskopisch klein.

Transport zu Billigpreisen

Gründe liegen auf der Hand. Die Lastwagenflotten werden aus Kostengründen so lange als möglich auf große Fahrt geschickt und oftmals nur mäßig gewartet. Technische Neuerungen bleiben für die meisten Lastwagen außen vor. Experten von Adac, TÜV und Dekra fordern daher seit Jahren finanzielle Anreize für Investitionen in moderne Sicherheitstechnik. Werner von Hebel, Geschäftsführer der Dekra Automobil GmbH, erklärt am Beispiel des Projekts "Safety Plus Truck" wie solche Anreize aussehen könnten: "Bei schweren Sattelzügen sollen durch den Einsatz modernster Fahrzeugtechnik und elektronischer Assistenzsysteme die Anzahl und die Folgen von Unfällen deutlich reduziert werden." Hebel erläutert das gemeinsame Projekt von Daimler AG, Dekra und Allianz weiter: "Für die Transportunternehmen werden Anreize durch günstige Ausstattungspakete und attraktive Sicherheitskonditionen geschaffen."

Bei vielen Bus- und Fuhrunternehmern stoßen Forderungen nach mehr Sicherheit nur selten auf offene Ohren. Hier hat man in erster Linie die Kostenstruktur im Blick. Sicherheit ja – aber kosten soll sie möglichst wenig, da man im harten europäischen Wettbewerb sonst kein Bein auf den Boden bekommt. Laufleistungen von über einer Million Kilometern sind bei vielen Lastwagen daher keine Ausnahme. Technische Kontrollen seitens neutraler Organisationen wie dem TÜV fehlen in einigen Ländern völlig oder sind allenfalls sporadisch vorhanden. Durch immer weiter zunehmenden Transitverkehr gelangen viele verkehrsunsichere Lastwagen auch auf deutsche Straßen. Und es werden immer mehr. Legt man die Verkehrszahlen von 1997 zu Grunde, so rechnen Experten bis zum Jahre 2015 nahezu mit einer Verdoppelung der Lastwagen auf unseren Autobahnen.

Die Technik ist verfügbar

"Es würde wahrscheinlich Jahre dauern, bis sich die neuen Systeme durchsetzen", so Maximilian Maurer. Bei Versicherungen rennen die Experten mit ihren Forderungen offene Türen ein. Mehrere Versicherer würden sofort Nachlässe für LKW anbieten, die mit neuen Sicherheitssystemen ausgerüstet sind, heißt es in der Branche. Bei dem schweren Unglück in Sachsen-Anhalt zeigen die vorläufigen Ermittlungsergebnisse, dass der LKW ungebremst auf den Bus aufgefahren ist und den Busfahrer wahrscheinlich keine Schuld trifft. Bei vielen Busunfällen sind aber auch ein übermüdeter Fahrer oder überhöhte Geschwindigkeit im Spiel.

Firmen wie Mercedes-Benz oder MAN haben seit einiger Zeit bereits intelligente Sicherheitssysteme auf dem Markt. Bestes Beispiel ist der "Active Brake Assist", der vor knapp einem Jahr im Mercedes Actros eingeführt wurde. Zusammen mit Stabilitätsregelung, Abstands¬regeltempomat, Spurassistent und dem Fahrerairbag wird das ganze als kostengünstiges Sicherheitspaket angeboten. Abgeleitet vom Abstandsregel-Tempomat, leitet der Not¬brems-Assistent, zum Beispiel bei einem drohenden Auffahren des LKW auf eine sich vor ihm langsam bewegende Kolonne, selbständig eine Notbremsung ein. Bei der Katastrophe auf der A14 hätte dies Leben retten können. Selbst wenn der Auffahrunfall nicht immer komplett vermieden werden kann, wird die Kollisionsgeschwindigkeit zumindest drastisch reduziert, so dass die Unfallfolgen dramatisch gemindert werden. Doch es hapert nicht nur an der Einsichtsfähigkeit der Speditionen und Busunternehmer. Nicht einmal 40 Prozent der LKW-Fahrer sind angegurtet und die meisten Busse nicht einmal auf allen Sitzplätzen mit Gurten ausgestattet. Anders als im Flugzeug schnallt sich kaum ein Busreisender bei der Fahrt an.

In Zukunft mit "Einschlaf-Assistent

Derzeit ist Mercedes-Benz der einzige Lastwagenhersteller, der in einem Fahrzeug alle derzeit verfügbaren Assistenz- und Sicherheitssysteme vereinigt. Die Entwicklungen gehen noch weiter – werden jedoch erst in einigen Jahren verfügbar sein. Besondere Beachtung findet hierbei die Überwachung des Gesichtsfeldes. Viele Lastwagenunfälle kommen nur dadurch zustande, weil der Fahrer unkonzentriert ist oder im schlimmsten Fall sogar einschläft und in andere Fahrzeuge rast. LKW von morgen wecken den Fahrer in diesem Fall durch ein akustisches Warnsignal wieder auf und vermerken dies auf einem elektronischen Fahrtenschreiber.

Im harten Konkurrenzkampf der Busunternehmer kann Sicherheit dabei durchaus eine positive Rolle spielen: Moderne Fahrzeuge und geschulte Fahrer werden zum Marketing-Argument. Der ADAC bietet komplette Schulungspakete an, in denen von der Tourenplanung über die Abfahrtskontrolle bis zum Lenktechnik-Slalom und der Notbremsung alles trainiert wird. Der Bus-Lenker ist zwar das wichtigste, aber nicht das einzige Rädchen im Getriebe: "Die Sicherheit der Busreise wird wesentlich durch den Fahrer, aber auch durch die Qualität des Sicherheitsmanagements im Unternehmen bestimmt. Deshalb ist die kontinuierliche Qualifizierung des Busfahrers, der Reisebegleitung und der für Fuhrpark und Disposition Verantwortlichen von größter Bedeutung", so der Automobilclub auf seiner Webseite.

Desinteresse und Sorglosigkeit

Bei LKW lässt sich mit Sicherheit dagegen nicht gut werben. Der Fracht ist es schließlich egal, ob die Bremsen am Brummi ordentlich gewartet werden oder nicht. Trotzdem gelten in Deutschland besonders strenge Sicherheitsvorschriften. Brummis müssen jedes Jahr zum TÜV. "LKW über 7,5 Tonnen und Anhänger über 10 Tonnen müssen außerdem sechs Monate nach der Hauptuntersuchung eine zusätzliche Sicherheitsprüfung bestehen", erklärt Werner Struck von der Dekra. Dazu kommt eine jährliche Untersuchung für alle gewerblich genutzten Fahrzeuge, bei der die Arbeits- und Betriebssicherheit im Vordergrund steht. All das nützt freilich wenig, falls statt eines erfahrenen Berufskraftfahrers schlecht geschultes Personal zu Billig-Löhnen am Steuer sitzt.

Vor einigen Wochen beispielsweise winkten die Beamten auf der A8 bei Ulm einen slowenischen Gefahrgut-LKW zur Kontrolle auf einen Parkplatz. Die völlig unzureichend gesicherten Fässer waren mit leicht entzündlichem Nickelstaub beladen. "Einige waren offen, andere standen kurz davor, sich selbständig zu öffnen", berichtet das BAG. Die Kontrolle wurde sofort abgebrochen, der gesamte Parkplatz geräumt. Die Feuerwehr musste in Schutzanzügen anrücken und das Fahrzeug untersuchen. Der LKW wurde später bei einer Spezialfirma in Neu-Ulm dekontaminiert, die Fässer wurden neu verpackt.

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