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Videospiel "Beyond: Two Souls" im Test Spielfeld der Emotionen

Kurz vor dem Start der Playstation 4 erscheint eines der letzten großen Games für die aktuelle Sony-Konsole. "Beyond: Two Souls" ist ein Drama mit Starbesetzung, das mit den Emotionen spielt.
Von Nina Ernst

Jodie Holmes ist auf einer Geburtstagsparty. Neuland für das Mädchen, das die Kindheit isoliert verbracht hat. Die anderen Teenager hänseln sie, bezeichnen sie als abnormal, quälen sie. Jodie hat Angst, fühlt sich gedemütigt. Zeit, den anderen zu zeigen, was abnormal ist. Stühle wirbeln durchs Zimmer, Gegenstände fallen um. Während Jodie immer noch verängstigt dasitzt, bekommt die wütende Macht beim Kreischen der Kids und dem allgemeinen Chaos eine Eigendynamik. Obwohl es sich falsch anfühlt, animiert die Situation zu immer mehr Zerstörung. Hier randaliert der Spieler. Als Geist Aiden, den er neben Jodie in "Beyond: Two Souls" steuert.

Während die neue Playstation 4 fast in den Läden steht, bringt Sony mit "Beyond: Two Souls" eines der letzten großen Spiele für seine aktuelle Konsole auf den Markt. Kein belangloses Übrigbleibsel, das noch schnell vor dem Start der neuen Technik heraus gehauen werden muss. Sondern ein Toptitel. Großes Kino mit großen Emotionen. Zumindest für diejenigen, die interaktive Geschichten statt Fingerfertigkeit auf dem Controller suchen. Denn "Beyond" tritt in die Fußstapfen von "Heavy Rain", das ebenfalls vom französischen Entwickler Quantic Dream stammt. Und polarisiert. Während einige Gamer sich über mangelnde Herausforderung und dünnes Gameplay von "Heavy Rain" beklagten, jubelten andere trotz der Designmängel über das neuartige Spielprinzip: ein interaktiver Film, in dem der Spieler entscheidet, wie es weitergeht. "Beyond" steuert in dieselbe Richtung wie sein Vorgänger, geht aber noch weiter. Nicht nur durch die Starbesetzung mit den Hollywood-Größen Willem Dafoe und Ellen Page.

Ganz enge Beziehung

Hier dreht sich alles um Jodie, die mit der übersinnlichen Macht Aiden verbunden ist. Das Wesen beschützt sie, kann auch rachsüchtig und wütend werden. In Episoden erlebt der Spieler in einer Weltreise 15 Jahre aus Jodies Leben nach. Vom kleinen Mädchen, dem beim Spielen mysteriöse Dinge passieren über erste Kontakte mit Wissenschaftlern bis hin zur toughen Frau, die mit Aidens Hilfe Zerstörungen anrichtet. Der Geist steht dem Spieler in fast allen Situationen auf Knopfdruck zur Verfügung, kann durch Wände gehen, alles Mögliche bewegen und manipulieren. Nur zu weit entfernen von Jodie darf er sich nicht.

Was Aiden anstellt und wie weit er damit geht, entscheidet der Spieler. Denn hier geht es vor allem um eines: Emotionen. Schließlich bezeichnet der Hersteller das Spiel als "Action-Drama". "Der Spieler wird oft vor die Wahl gestellt, muss schwere und teils moralische Entscheidungen treffen wie im echten Leben", so Guillaume Fondaumière. Der Produzent ist stolz auf sein Werk, das irgendwo zwischen Spiel und Film liegt und weniger sperrig wirkt als sein Vorgänger "Heavy Rain".

"Beyond: Two Souls" ist in erster Linie ein Spiel. Trotz filmischer Inszenierung. Nicht nur, weil es auf der Konsole läuft. Sondern auch weil der Spieler das Geschehen in der Hand hat. Per Analogstick und Druck auf eingeblendete Tasten klettert er Abhänge hoch, antwortet in Gesprächen und kämpft. Oder lenkt Jodie durch Alltagshandlungen wie das Schütteln einer Schneekugel oder Spielen mit Puppen. Einige Handlungen sind banal, andere entscheidend. Je nachdem, wie er sich verhält, bekommt er andere Dinge zu sehen und eins von über 20 möglichen Enden der Story.

Wie viel ist zu viel?

Die verschiedenen Handlungen sind Mittel, damit der Mensch am Controller sich verantwortlich fühlt, emotional involviert ist. Lasse ich meine ganze Wut an den Personen in der Umgebung aus oder agiere ich nur so weit wie nötig? Eine Frage, die immer wieder aufkommt. Selbst wenn das Ende einer Szene genau von den Entwicklern vorhergesehen wurde, hat der Spieler das Gefühl, es ebenso herbeigeführt zu haben mit seinen Entscheidungen. Ständig fühlt er sich mit Jodie mehr verbunden als in vielen anderen Games, leidet mit ihr, wird hektisch, wenn sie verfolgt wird.

"Emotionen bestimmen, wie weit wir uns in etwas involvieren lassen", sagt Fondaumière. "Jedes Spiel weckt Emotionen, aber nicht in der gleichen Komplexität. Den Spieler Melancholie oder Schuld fühlen zu lassen, ist eine Herausforderung." Das geht am besten durch eine mitreißende Inszenierung. "Mit einer guten Geschichte und glaubwürdigen Charakteren, mit denen die Leute sich identifizieren können. Und nicht zuletzt mit einem emotionalen Soundtrack", so Fondaumière.

Die Präsentation wirkt wie in einem Hollywood-Film. Eine Aneinanderreihung von kleinen und längeren Filmsequenzen. Die wechseln sich ständig mit Szenen ab, in denen der Spieler die volle Kontrolle übernimmt. Oder er muss während der Sequenzen eingeblendete Tasten drücken, damit der Film weiterläuft und Jodie sich etwa aus einer bedrohlichen Situation herauswindet. Untermalt mit teils trauriger, teils dramatisch-bedrohlicher Musik von Komponist Hans Zimmer. Selbst wenn der Spieler in einer Verfolgungsszene alle Zeit der Welt hat, bis er mit einer Taste die nächste Aktion der Verfolger auslöst, gaukelt das Spiel geschickt Druck vor, lässt einen hektisch mitfiebern.

Besonders eindrucksvoll wirkt die Darstellung der beiden Hauptpersonen. Als David Cage, Mastermind von Quantic Dream, die Geschichte für "Beyond: Two Souls" schrieb, hatte er zur Inspiration Bilder von Ellen Page und Willem Dafoe als Rollenmodelle im Sinn. "Als es zum Casting kam, haben wir beschlossen, einfach unser Glück zu versuchen, und die beiden kontaktiert", so Fondaumière. "Wir waren begeistert, als sie zugestimmt haben." Wenn Jodie Verzweiflung oder Reue fühlt, steht ihr das ins Gesicht geschrieben. Auch Dafoes virtuellem Alter Ego sieht der Spieler jede noch so differenzierte Regung an. "Mit ihnen zu arbeiten war eine unglaubliche Erfahrung. Diese beiden Leinwandlegenden anzuweisen war wie einen Ferrari zu steuern", so Fondaumière. Sie seien perfekt vorbereitet gewesen und konnten selbst jede kleinste Gefühlsregung wiedergeben.

Mehr als 300 Menschen haben rund drei Jahre an "Beyond" gearbeitet. Programmiert, Szenerien entworfen, Kostüme für die 62 Versionen von Jodie entworfen und geschauspielert. Das Ergebnis: eine spannende Geschichte, die mitreißend erzählt wird. Auch wenn sich wohl einige darüber beklagen werden, dass die spielerische Herausforderung sich arg in Grenzen hält. Dafür ist "Beyond: Two Souls" ein interaktives Erlebnis auf Hollywood-Niveau.

Beyond: Two Souls

Hersteller/VertriebQuantic Dream/Sony Computer Entertainment
GenreAction-Adventure/Interaktives Drama
PlattformPlaystation 3
Preis70 Euro
Altersfreigabe

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