"Demo Conference" Schaulaufen der schlauen Einfälle

  • von Karsten Lemm
Auf der "Demo"-Konferenz im kalifornischen Palm Springs zeigen 77 Firmen, wie die Zukunft aussehen könnte. Die Ideen reichen vom sprechenden Lesebuch bis zur Website gegen Klimawandel. Um sein Werk vorzustellen, hat jeder genau sechs Minuten Zeit.

Der Chef der Firma Step Labs zeigt sich wagemutig: "Macht so viel Lärm, wie ihr nur könnt!", fordert er sein Publikum auf. Prompt trampeln, johlen, schreien Hunderte los, bis das Messgerät 97 Dezibel anzeigt. Mitten im Lärm versucht der rundliche Herr auf der Bühne, verständliche Sätze in ein Headset zu sprechen. Seine Firma ist eine von 77, die bei der "Demo"-Konferenz im kalifornischen Palm Springs ihre Erfindungen für eine bessere Zukunft präsentieren.

Zwei Tage dauert das Schaulaufen, und jeder hat sechs Minuten Zeit, um das Publikum, das aus Investoren, Journalisten und anderen Firmengründern besteht, für seine Einfälle zu begeistern. Step Labs hat einen Geräuschfilter entwickelt, der den Hintergrundlärm im Auto weitgehend ausblenden soll. Wie gut das klappt, soll dieser Test zeigen. Als sich das Getöse im Saal gelegt hat, wird abgespielt, was der Firmenchef versucht hat zu sagen. Es klingt wie Wortfetzen aus einem zerhackten Handy-Telefonat. "Oh, was war denn da mit unserer Verbindung los?", murmelt der Mann betreten und verschwindet bei müdem Applaus von der Bühne.

In sechs Minuten zum "Demo-Gott"

Es war nicht die erfolgreichste Präsentation des Tages, aber so ist das bei dieser Konferenz, die sich im Laufe von 18 Jahren zum vielleicht prominentesten Ideenwettstreit junger Firmen entwickelt hat: Mal klappt alles, mal nichts, und nur wer es schafft, in seinen sechs Minuten staunende Blicke auf sich zu ziehen und Begeisterungsstürme auszulösen, hat am Ende eine Chance, den "Demo-Gott"-Preis zu gewinnen, der vom Publikum vergeben wird.

Im Vordergrund steht diesmal das Internet in allen schillernden Facetten. Da ist zum Beispiel SpeakLike, ein Chat-Service für eine Welt, in der Sprachbarrieren kein Hindernis mehr dabei sein sollen, sich zu verständigen und miteinander ins Geschäft zu kommen. Mit einer Kombination aus automatischer Übersetzung und Sprachexperten, die eingreifen, wenn es knifflig wird, will SpeakLike es möglich machen, dass Menschen sich in Echtzeit auf Englisch, Chinesisch und Arabisch unterhalten können. "Es funktioniert wie ein normaler Chat", erklärt Firmengründer Sandy Cohen, "nur dass alles nebenbei übersetzt wird."

verspricht derweil Reisenden, es künftig leichter zu machen, das richtige Hotel oder ein romantisches Restaurant für den Valentinstag zu finden. Die neue Suchmaschine wertet Kommentare auf Seiten wie Tripadvisor und Yelp aus und versucht, mit ausgefeilten statistischen Methoden zu bewerten, wie die Meinungen gewichtet werden müssen, damit das Ergebnis nützlicher ist als die Treffer, die herkömmliche Suchmaschinen wie Google und Yahoo liefern. Was auch immer dabei herauskommt, lässt sich dank

jederzeit festhalten und später wieder aufrufen. Dieser neue Dienst erlaubt es, Webseiten mit allem drum und dran zu speichern - nicht auf dem eigenen PC, wie es auch manche Browser können, sondern auf dem Server von Iterasi, damit man von überall darauf zurückgreifen kann.

In seiner Grundversion ist der Service kostenlos - wie das meiste, das auf der Demo Premiere feiert. Geld verdienen die Firmen mit Werbung oder Premium-Angeboten, die mehr bieten als die Basisversion. So stellt sich das auch Flypaper vor: Der Neuling aus Phoenix, Arizona, hat eine Art Baukasten-System für Flash-Animationen entwickelt. Bisher musste man Spezialist sein, um solche interaktiven Internetgrafiken zu programmieren. Auf Flypaper.net dagegen lassen sich Flash-Animationen mit ein paar Mausklicks aus Vorlagen zusammenbasteln - gratis. Nur wer eine größere Auswahl an Vorlagen braucht oder Sonderwünsche hat, muss zahlen.

Videofans, die fleißig Filmchen an YouTube, Metacafé und andere Seiten schicken, kommen bei

auf ihre Kosten: Der Service erlaubt es ihnen, ihre Videos mit einem Mausklick bei einer ganze Reihe von Anbietern hochzuladen und anschließend auszuwerten, wie viele Zuschauer sich dafür finden.

Joggle

empfiehlt sich für alle, die den Überblick verlieren angesichts von Tausenden von Fotos, Videos und MP3-Songs, die sich überall ansammeln: Die kostenlose Software verwaltet nicht nur Dateien auf der PC-Festplatte, sondern klinkt sich auch bei Flickr, YouTube und anderen populären Diensten ein. Zusätzlich versteht es sich mit Apples iTunes und iPhoto und zeigt alles, was es findet, in einem Übersichtsfenster an, in dem auch nach Stichworten gesucht werden kann.

Gut sein, reich werden

Gutes tun und Geld dabei verdienen - auch das sollte möglich sein, dachte sich bei dieser Demo gleich eine Reihe von Firmen: Good2Together sammelt Informationen von gemeinnützigen Organisationen wie dem amerikanischen Roten Kreuz und macht sie mit Hilfe von Partnern wie der Zeitung "San Francisco Chronicle" bekannt. Um die Inhalte herum werden Anzeigen geschaltet, an denen beide Partner verdienen. Die neuseeländische Seite Celsias begann als Blog zum Klimawandel und möchte nun eine weltweite Community aufbauen, in der Umweltschutz-Projekte angeschoben werden. "Den Planeten abkühlen, Projekt für Projekt", lautet das Motto der Seite, die sich über Werbung finanziert.

Warum sind Ladegeräte so blöd?

wiederum sieht im Chaos der Strippen und Ladegeräte, die sich millionenfach in Haushalten stapeln, die Chance, die Welt zu retten und nebenbei ein gutes Geschäft zu machen. "In diesem Jahr werden 3,2 Milliarden Netzteile produziert, und allein in den USA werden etwa 380 Millionen alte Netzteile auf dem Müll landen", sagt Green-Plug-Manager Seth Socolow. Seine Firma hofft, der Verschwendung ein Ende zu machen: Könnten sich die großen Hersteller auf einen Standard einigen, müsste nicht mehr jedem Handy, jeder Videokamera, jeder externen Festplatte ein spezielles, eigenes Netzteil oder Ladegerät beiliegen. Es würde reichen, die Geräte an ein Green-Plug-Netzteil anzuschließen, das schlau genug wäre, sich mit ihnen zu verständigen und an ihre Bedürfnisse anzupassen. Heute ist das anders: Das Mobiltelefon braucht sechs Volt, die Kamera zwölf, und das Ladegerät weiß nie, wann die Batterie voll ist. Es saugt immer Strom, solange es eingestöpselt ist - sogar dann noch, wenn am anderen Ende der Strippe gar kein Gerät mehr hängt, weil man in Eile aus dem Haus gelaufen ist und nur schnell das Handy eingesteckt hat, ohne sich um das Netzteil zu kümmern. All das zu ändern "wird nicht von heute auf morgen gehen", räumt Socolow ein. Doch er ist optimistisch, weil Green Plug allen Beteiligten Vorteile verspricht: Die Hersteller würden Kosten sparen, ihre Kunden müssten sich nicht mehr mit Dutzenden von Netzteilen herumschlagen, und Energiefirmen unterstützen das Projekt, weil es helfen könnte, Strom zu sparen. Die ersten Geräte mit einem "grünen Stecker" sollen zum Jahresende auf den Markt kommen.

Schon im Sommer werden Lesebücher der Firma Leapfrog anfangen, sich mit Kindern zu unterhalten: Die Vier- bis Achtjährigen, für die die Bücher gedacht sind, brauchen nur mit einem speziellen Stift auf Buchstaben oder Abbildungen zu klicken, schon wird ihnen vorgelesen. Schlaue Technik hilft dem Buch zu erkennen, worauf das Kind zeigt, den Rest übernimmt ein eingebauter Speicherchip zusammen mit einem Lautsprecher. Sogar Frage-Antwort-Spiele sind bei diesem "Tag Reading System" möglich, und Eltern, die nicht selbst zum Vorlesen kommen, können später das Lesebuch an ihren PC anschließen und auswerten, ob der Nachwuchs in ihrer Abwesenheit fleißig gespielt und gelernt hat.

Dieselbe Technik, die Leapfrogs Bücher möglich macht, hilft auch dem

-Stift, zum schlauesten Schreibgerät aller Zeiten zu werden: Dank mikroskopisch kleiner Punkte auf speziellem Papier weiß der Stift immer, wo er ist. Das macht es möglich, handschriftliche Notizen, ob Text oder Zeichnungen, anschließend an den Computer zu übertragen: Man sieht alles auf dem Bildschirm, genau wie es auf dem Papier steht, kann den Text aber durchsuchen, als wäre er in Word eingetippt worden. Das funktioniert augenscheinlich sogar, wenn man nicht die schönste Handschrift besitzt - derzeit allerdings nur auf Englisch. Der Clou: Der Stift, der im Frühjahr ab 150 Dollar (gut 100 Euro) auf den Markt kommen soll, besitzt ein eingebautes Mikrofon, mit dem sich Gespräche mitschneiden lassen. Notizen und Ton werden automatisch miteinander verknüpft: Im Computer genügt später ein Klick auf eine Textpassage, um zu hören, was in dem Moment gesagt wurde, als die Notiz entstand. Der Applaus, der über Firmenchef Jim Marggraff nach seiner Präsentation hereinbricht, ist stürmisch und begeistert. Er klingt nach Demo-Gott und klingelnden Kassen.

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