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Jahresbilanz Erste Jahresbilanz nach dem Bann: Huawei macht trotz Trump kräftig Plus

Google entzieht dem chinesischen Smartphone-Hersteller Huawei ab sofort die Android-Lizenz.
Seit Sommer dürfen US-Firmen keine Geschäfte mehr mit Huawei machen
© WANG ZHAO / AFP
Huawei war auf dem Weg zum größten Smartphone-Herstellers der Welt. Dann kam der Trump-Bann. Doch welchen Effekt haben die Einschränkungen wirklich? In seiner gerade veröffentlichten Jahresbilanz spricht der Konzern Tacheles – und überrascht mit einem soliden Wachstum.

Die Zahlen sind durchaus beeindruckend: 858 Milliarden chinesische Yuan hat Huawei im letzten Jahr eingenommen, das sind 110 Milliarden Euro. Und: Trotz des US-Banns ist vor allem der besonders betroffene Smartphone-Bereich am stärksten gewachsen. Trotzdem will sich der Konzern in Zukunft in eine andere Richtung entwickeln: Statt mehr Apple will Huawei in Zukunft mehr Microsoft werden.

Noch ist der Weg aber steinig. "2019 war ein herausforderndes Jahr für Huawei - und diese Herausforderung setzt sich auch 2020 fort." So begann Sprecher Joe Kelly die Präsentation zu Huaweis Jahresbilanz für 2019. Das ist milde formuliert: Als US-Präsident Donald Trump letztes Jahr im Rahmen seines Handelskrieges mit China US-Firmen die Zusammenarbeit mit Huawei verbot, krachten die Verkaufszahlen im Westen erst einmal ein. Die Situation hat sich seitdem nicht gebessert. Und dann kam noch das Coronavirus hinzu.

Starkes Wachstum trotz Krise

Das Wachstum ist nicht nur angesichts der aktuellen Situation beeindruckend. 19 Prozent konnte man gegenüber dem ohnehin schon hervorragenden Vorjahr zulegen, seit 2015 hat sich der Umsatz mehr als verdoppelt. Vor allem Das Konsumentengeschäft geht steil nach oben: 34 Prozent legt Huawei zu, deutlich mehr als die nur sehr leicht wachsenden Bereiche für Mobilfunknetzwerke und Businesskunden. Mehr als die Hälfte der Einnahmen stammt mittlerweile aus dem Konsumentengeschäft. Auch der Gewinn steigt. Mit knapp 8 Milliarden Euro liegt er allerdings nur knapp 5 Prozent über dem Vorjahr. Ein Grund dafür sind aber auch Investitionen, Huawei steckte etwa 30 Prozent mehr in die Entwicklung, fast 17 Milliarden Euro waren es im letzten Jahr.

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Der Effekt des Banns ist trotzdem klar zu sehen. Während Huawei in der Heimat um 36 Prozent zulegte, ist das Wachstum in Europa, dem Nahen Osten und Afrika so gut wie eingefroren. Nur 0,7 Prozent konnte man in dem zusammengerechneten Bereich wachsen. Selbst auf dem amerikanischen Kontinent legte Huawei mit gut 10 Prozent stärker zu. Allerdings stammen die meisten Einnahmen aus Südamerika: In den USA war Huawei schon vor dem Bann kaum aktiv.

Ohne den Bann wäre Huawei vermutlich also deutlich stärker gewachsen. "Der Effekt ist spürbar", erklärt auch der Vorsitzende Eric Xu auf Nachfrage. Außerhalb von China sei sowohl das Konsumenten-, als auch das Businessgeschäft vor dem Trump-Bann im Mai stark gestiegen, dann aber stark eingebrochen. Erst am Ende des Jahres hätte er sich wieder gefangen. "Der Ausfall beträgt mindestens 10 Milliarden Dollar."

"2020 wird das schwerste Jahr für Huawei"

Und dieses Jahr ist keine Besserung in Sicht. Zum ersten Mal kommen die neuen Spitzenmodelle, wie das gerade vorgestellte Huawei P40, nicht mehr mit Googles Apps wie dem Play Store, Youtube oder Maps auf den Markt. Dadurch sind sie für Kunden deutlich unattraktiver. Zwar versucht Huawei mit seiner selbst entwickelten App Gallery und eigenen Cloud-Diensten den Effekt abzufangen, viele Kunden dürfte die fehlende Google-Unterstützung aber trotzdem abschrecken. Xu gibt sich optimistisch: "Wir hoffen, dass man irgendwann auch die Google-Apps in unserer App Gallery finden wird."

Den viel größeren Effekt dürfte aber ein anderer Teil des Trump-Banns haben: Wie alle Smartphone-Hersteller setzte auch Huawei Bauteile von amerikanischen Herstellern ein. Doch diese dürfen den Konzern nicht mehr beliefern. "Wir hatten vor dem Verbot große Vorräte an Bauteilen und fertigen Geräten. Dadurch konnten wir den Einbruch der Verkaufszahlen geringhalten", erläutert Xu. "2020 wird das schwerste Jahr für Huawei. Anders als bei den Konkurrenten gehen Huawei die Vorräte an Bauteilen langsam aus. Es wird essenziell sein, die Lieferkette maximal zu nutzen."  Hinzu käme der zunehmende Konkurrenzdruck durch andere chinesische Hersteller in den Märkten außerhalb der Heimat.

Dann ist da noch die aktuelle Krise. "Der Coronavirus kam unerwartet. Er behindert die Produktion, senkt die Nachfrage", fasst Xu zusammen. Immerhin würde der Großteil der Produktion wieder laufen. Wie stark die Einbußen am Ende sind, weiß auch Huawei nicht. "Eine realistische Vorhersage des Effekts ist aktuell noch nicht möglich", betont er. "Unsere aktuelle Priorität ist, die Gesundheit unserer Angestellten. Daher unterstützen wir Regierungen in der ganzen Welt dabei, die Pandemie zu bekämpfen."

Raus aus der Smartphone-Abhängigkeit

In Zukunft will Huawei aber offenbar deutlich weniger abhängig vom Smartphone werden. Die großen Herausforderungen der Menschheit seien ein Mangel an Kooperation sowie die Infrastruktur, analysiert Xu in einem Ausblick. Die Lösung dafür sei eine vernetzte, digitale Infrastruktur, angetrieben von künstlicher Intelligenz. Tatsächlich arbeitet Huawei schon länger an smarten Infrastrukturlösungen. Neben dem ursprünglichen Kerngeschäft, dem Ausbau von Mobilfunknetzwerken, unterstützt Huawei in China etwa die Behörden einzelner Städte mit weitreichenden Netzwerken, die den Verkehr, die Rettungskräfte und die Stadtteilentwicklung überwachen. Dazu hat man beispielsweise auch smarte Abfallkörbe und Straßenlaternen im Programm. In der Infrastruktur sieht der Konzern noch viel Spielraum, deutet Xu an. 

Das erinnert stark an Microsofts Strategie. Nachdem der US-Konzern sein Geld die längste Zeit mit dem Verkauf von einzelnen Produkten machte - etwa mit Windows, Office oder auch der Xbox -, gilt längst das Cloud-Programm Azure als wichtigstes Produkt des Konzerns. Basierend auf Cloud-Diensten und mit viel künstlicher Intelligenz dient es als Grundlage für die digitale Transformation unzähliger Unternehmen, vernetzt und automatisiert Prozesse. Statt der Geschäftskunden sieht Huawei aber wohl vor allem Staaten als potenzielle Auftraggeber.

Ob Firmen und Staaten außerhalb von China Huawei ähnlich vertrauen wie Microsoft, ist eine andere Frage. Der Hintergrund des Trump-Banns sind immerhin Vorwürfe, Huawei könnte im Namen der chinesischen Regierung Hintertüren in Netzwerk-Equipment einbauen und so spionieren. Ohne öffentlich Beweise vorzulegen, fordern die USA auch von den EU-Staaten, beim Ausbau der Zukunftstechnologie 5G auf Technik von Huawei zu verzichten. Die Zweifel scheinen zu wirken: Nachdem die Netzwerkanbieter zuerst ihr Vertrauen in Huawei bekräftigten, kündigten im Laufe der letzten Monaten immer mehr von ihnen an, doch lieber auf andere Hersteller wie Nokia oder Ericson zu setzen.

Die Hoffnung Huaweis, in Zukunft ganze Infrastrukturen digitalisieren zu können, erscheint angesichts dieses Misstrauens sehr optimistisch. Da wundert es nicht, dass der Konzern jede Gelegenheit nutzt, seinen Kampf gegen jede Form von Sicherheitslücken zu betonen. Man bräuchte gemeinsame Standards, um einander vertrauen zu können, betonte Xu. "Die dringlichste Herausforderung ist wirklich die Cybersicherheit." Das ist angesichts der US-Situation und der Coronakrise bemerkenswert.

Quelle:Huawei

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