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Richard Yu Huaweis Smartphone-Chef im Interview: "Unsere Produkte sind sicherer"

Richard Yu leitet die Konsumenten-Sparte bei Huawei - und ist damit der Vater des Smartphone-Erfolges
Richard Yu leitet die Konsumenten-Sparte bei Huawei - und ist damit der Vater des Smartphone-Erfolges
© Malte Mansholt / stern.de
Huawei ist auf dem besten Wege zum größten Smartphone-Hersteller. Gleichzeitig gibt es Streit um die Sicherheit des Unternehmens. Wir haben mit Smartphone-Richard Yu über Innovation, Preisverfall und US-Politik gesprochen.

Vor acht Jahren brachte Huawei sein erster Smartphone nach Deutschland – beim Discounter Lidl. Sie waren damals Europa-Chef, verkauften vor allem Netzwerk-Technik. Haben Sie mit dem riesigen Erfolg der Huawei-Smartphones gerechnet? 

In der Zeit waren wir sehr schwach, sehr klein. Aber wir hatten trotzdem den Traum, den Smartphone-Markt erobern zu können. Als ich nach meiner Zeit in Europa zurück nach China kam, bewarb ich mich genau deswegen als Leiter der für Smartphones verantwortlichen Konsumentenabteilung. Ich hatte mir vorgenommen, uns in der Zukunft zu einem der führenden Unternehmen der Smartphone-Branche zu machen. 

Das war also Ihre Vision.

Wir hatten diesen Traum. Und den haben wir erreicht. (lacht)

Welche Hürden waren dabei die größten?

Die wichtigste war die Marke, niemand kannte Huawei. Wir mussten uns erst einen Ruf erarbeiten. Das zweite war Wissen und Know-How zu Smartphones und Technologie, wie man gute Software und Hardware entwickelt. Auch der Aufbau von Verkaufskanälen war für uns zunächst eine Herausforderung. Wir hatten vorher ja nur an Firmen verkauft. Das mussten wir alles Schritt für Schritt aufbauen.

Als das P8 herauskam, hatte Huawei zwar den Anspruch, ganz vorne mitzuspielen, das Gerät konnte die hohen Qualitätsmaßstäbe der Konkurrenz aber nicht halten. Nur ein Jahr später konnte das P9 aber voll überzeugen, alle Macken etwa bei der Verarbeitung, waren beseitigt. Was war in dieser kurzen Zeit passiert?

Wir versuchen uns immer weiter zu verbessern, befinden uns in einem ständigen Wettbewerb. In China gab es für uns keine Vorbilder, Samsung und Apple führten den Sektor an. Wir mussten erst lernen gute Qualität bei Software, Bedienung und Hardware zu entwickeln. Wie baut man eine Kamera und so weiter.

Mit dem P9 führten sie als erstes Unternehmen eine Dual-Kamera ein. Vorher hatte Huawei recht wenig riskiert, nun setzte man klar auf Innovation. Ist das ein wichtiger Faktor für den Erfolg des Unternehmens?

Seit dem P9 führen wir den Markt bei Kameras an. Das und unsere Innovationen beim schnellen Aufladen des Akkus gehören zu unseren wichtigsten Erfolgsfaktoren. Wir konnten etwa mit dem Mate 20 Pro Standards setzen, zu denen die Konkurrenten erst aufholen müssen. Das ist sehr wichtig für uns, beide Bereiche gehören für die Kunden zu den wichtigsten Kaufgründen. Deshalb konzentrieren wir uns zur Zeit darauf.

Mit dem zum Tablet ausklappbaren Mate X zeigten Sie gerade ein beeindruckendes Stück Technik. Auch Samsung führte ein solches Modell vor. Glauben Sie, das ist der nächste Schritt?

In meinen Augen sind faltbare Smartphones ein ähnlich großer Schritt wie die Einführung des ersten iPhones. Damals hat Apple den Markt umgekrempelt, für Jahre die Blaupause für alle Geräte gesetzt. Das Mate X ist in meinen Augen der nächste große Meilenstein. Die größte Innovation für die nächsten zehn Jahre.

Das wichtigste Ziel der letzten Jahre war, Samsung bei den Smartphone-Verkaufszahlen zu überholen. Bis 2020 wollten Sie das erreichen. Seit letztem Jahr hat Huawei 39 Prozent zugelegt, der Abstand beträgt wenige Millionen verkaufte Geräte. Könnte Huawei noch dieses Jahr den Thron erobern? Was ist das nächste Ziel?

Ich denke, wir könnten das wirklich schaffen. Danach wird es weiter darum gehen, größer und besser zu werden. Wir wollen die Smartphone-Industrie bei Innovationen anführen, um den Kunden die besten Produkte bieten zu können. Mein Traum ist es, noch viel wegweisendere Produkte zu entwickeln. Auch etwa bei PCs und anderen Produkten.

Lange Zeit war Huawei für günstige Smartphones bekannt. In den letzten Jahren hat man sich aber auf den Premium-Sektor konzentriert. Ist diese Strategie für Sie aufgegangen?

Als ich das Konsumenten-Geschäft vor sieben Jahren übernahm, traf ich die Entscheidung, Huawei als Premium-Marke aufzubauen. Das war sehr wichtig. Wir wollten nicht für Einsteiger- oder Mittelklasse-Geräte bekannt sein.

Wurde deshalb Honor als günstige Tochtermarke ausgegliedert?

Genau, dort bedienen wir den günstigen Markt. Die Hauptmarke ist eine Premium-Marke.

Wenn man sich die Profite im Smartphone-Bereich ansieht, geht der größte Teil des Kuchens weiter an Apple. Wie wollen Sie das ändern?

Mit der Zeit entwickeln sich auch unsere Profite zum positiven. Aktuell ist unsere Marge noch recht niedrig, wir stecken viel Geld in Forschung und die Entwicklung neuer Produkte. Wir sind vorerst trotzdem zufrieden, wir sind profitabel.

Sind ein Grund für die niedrigen Margen die schneller fallenden Preise von Android-Smartphones?

Lange Zeit war das so, aber es wird gerade merklich besser. Es hatte auch mit Markenbewusstsein der Kunden zu tun. Aber es bessert sich.

Im letzten Jahr hielten Sie auf der Technik-Messe eine leidenschaftliche Rede. Gerade vorher war ein Deal mit dem Mobilfunkbetreiber AT&T geplatzt. Er wäre Ihr Eintritt in den US-Markt gewesen.

Das wurde von der US-Regierung verboten. Sie haben das Geschäft verhindert.

Was vermuten Sie als Hintergrund?

Das müssen Sie die Regierung fragen. Es sind politische Gründe. Die Befürchtungen zur Cyber-Sicherheit sind nur vorgeschoben, wir sind hier transparenter als andere Konzerne, unsere Produkte sind sicherer. 

In Bezug auf Smartphones scheinen die USA auch ihre eigenen Hersteller wie Apple schützen zu wollen. Sie machen aber auch Druck auf ihre EU-Partner, nicht mit Huawei beim Aufbau der 5G-Netze zusammenzuarbeiten – und das obwohl es keine amerikanischen Hersteller für solche Netzwerke gibt. Glauben Sie, das hängt zusammen?

Ich denke schon, ja.

Hält diese Situation Huawei davon ab, Samsung zu überholen?

Mit dem US-Markt wären wir auf jeden Fall die Nummer eins. Obwohl dieser Markt sehr groß ist, können wir das aber auch mit dem übrigen Weltmarkt schaffen. Es ginge nur schneller.

Der Smartphone-Markt wächst immer langsamer, die Verkäufe stagnieren. Manche Hersteller – etwa Apple – konzentrieren sich immer mehr auf das Service-Geschäft um mögliche Verluste auffangen zu können. Ist das auch ein Weg für Huawei, mehr Geld einzunehmen.

Für Apple ist das ein sehr erfolgreiches Geschäft. Wir arbeiten ebenfalls daran, noch ist der Maßstab aber viel kleiner. Vor allem vom Cloud-Geschäft versprechen wir uns aber viel.

Es gibt gegenüber Huawei wegen der politischen Situation aktuell ein gewisses Misstrauen von Seiten der Kunden. Könnte das den Erfolg des Cloud-Geschäfts gefährden?

Ich denke nicht. Wir investieren sehr viel, um die Privatsphäre der Kunden zu schützen und Datenschutzgesetze wie die DSGVO umzusetzen. Ich sehe auch nicht, dass die Kunden uns nicht trauen. Das ist eher eine politische Situation.

Im Smartphone-Markt unterschieden sich die meisten Geräte in den letzten Jahren vor allen in kleinen Details. Auf der Mobilfunkmesse Mobile World Congress zeigten aber gerade sehr viele Hersteller ganz eigene Ideen, von ungewöhnlichen Smartphone-Formaten, über neuartige Kamera-Systeme. Welche Ideen der Konkurrenz gefielen Ihnen am besten?

Klapp-Smartphones sind in meinen Augen die mit Abstand wichtigste Neuerung.

Sie finden also Ihre eigene Idee am besten.

Sicher. Unsere Umsetzung finden wir auch besser als die von Samsung. Das Display außen herum zu klappen – so wie wir es tun – erlaubt ein viel dünneres Design. Samsungs Variante, bei der das Display nach innen geklappt wird, hatten wir ebenfalls getestet. Wir haben sie verworfen. Niemand will so ein klobiges Gerät nutzen.

Eine Zeit lang gab es tausende Smartphone-Hersteller, deren Geräte sich allerdings kaum voneinander unterschieden. Sie konnten sich riskante Ideen schlicht nicht leisten. Jetzt sind viele von ihnen wieder verschwunden. Ist Innovation etwas, das sich nur die Großen erlauben können?

Smartphones werden immer komplizierter, da können kleine Hersteller irgendwann nicht mehr mithalten. Am Ende dürften nur einige wenige übrigbleiben. Ein wichtiger Faktor dabei ist, dass kleine Hersteller alle Teile einkaufen müssen. Forschung und Eigenentwicklung sind für kleine Konzerne schlicht nicht bezahlbar.

Einer von Apples wichtigsten Erfolgsfaktoren ist, dass Hardware und Software aus derselben Hand kommen. Huawei setzt auf Googles System Android bei Smartphones, auf Windows bei Laptops. Wäre ein eigenes System nicht sinnvoller?

Ehrlich gesagt arbeiten wir bereits an eigenen Systemen. Sie sind komplett einsatzbereit, allerdings nur als Notlösung. Sollten wir irgendwann nicht mehr Android oder Windows nutzen können, haben wir sie in der Hinterhand. Aktuell gibt es aber keine Pläne, sie zu veröffentlichen.

Sie nutzen Android und Windows also nicht, weil sie müssen.

Genau. Die beiden Ökosysteme funktionieren sehr gut und wir können sie an unsere Bedürfnisse anpassen. Wir sehen die Zusammenarbeit als den richtigen Weg. Falls irgendjemand uns das aber irgendwann verbieten sollte, haben wir eine Notlösung. Eine Versicherung, sozusagen.

Die wichtigsten Neuerungen bei Smartphones in den letzten Jahren waren Displays, bessere Kameras uns schnelleres Laden. Ein Feature, das sich alle Kunden wünschen, ist eine längere Akkulaufzeit. Der sind allerdings von der aktuellen Batterietechnik Grenzen gesetzt. Glauben Sie, ein Durchbruch in diesem Bereich könnte für eine Neuordnung des Marktes sorgen?

Das wäre ein Gamechanger. Wir arbeiten daran, aber wir sind leider noch nicht soweit. Es würde die Karten neu mischen.

Wenn Sie die Wahl hätten, eine Ihrer Herausforderungen verschwinden zu lassen - etwa die politischen Probleme mit den USA, einen Konkurrenten oder die Grenzen aktueller Akkutechnologie -, für welche würden Sie sich entscheiden?

Die US-Politik. Wir hätten sofort Zugang zu einem riesigen Markt, könnten noch schneller wachsen. Alles andere tritt da in den Hintergrund.

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