Im Cockpit des Airbus A380 ist die Welt noch in Ordnung. Doch in der Kabine des weltgrößten Passagierjets steckt der Teufel im Detail. "Im bisherigen Verlauf der Untersuchung sind anhaltende Schwierigkeiten bei der Industrialisierung der Verkabelung der Serienflugzeuge identifiziert worden und werden in Angriff genommen", begründete der Flugzeughersteller die nochmaligen Auslieferverzögerungen beim A380. Hinter dieser knappen Stellungnahme steckt ein Problem, das auf den ersten Blick so verworren und vielfältig verzweigt ist wie die Kabelbäume hinter den Kabinenverkleidungen.
Tragflächen, Rumpf, Fahrgestell und Leitwerk sind bei allen A380- Flugzeugen weitgehend identisch. Ein A380-Kapitän der Lufthansa findet Höhenmesser, Steuerknüppel, Autopilot und Navigationssystem am gleichen Platz wie sein Kollege von Singapore Airlines, wenn er im A380-Cockpit Platz nimmt. In der Kabine ist es anders: Die Ausstattung ist für Fluggesellschaften Visitenkarte und Wettbewerbsfaktor. Der Konkurrenzkampf um den Kunden wird mit Komfortsesseln, mehreren hundert Videofilmen, Computerspielen und Minibar gewonnen, nicht mit "Fly-by-wire"-Steuerung oder einem optimierten Grenzschichtverlauf am Tragflächenprofil.
Gestaltungsfreiheit
"Der Komfort hat gerade in den letzten Jahren enorm zugelegt. Inzwischen ist die Business-Class auf einem Standard, den vor 10 bis 15 Jahren die First bot. Deshalb bieten wir unseren Kunden eine enorme Flexibilität bei der Gestaltung der Kabine", beschreibt Airbus-Sprecher Tore Prang die Erfahrung des Herstellers.
Vor 30 Jahren unterschieden sich Verkehrsflugzeuge in ihrem Inneren oft nur durch die Farbe der Sitze oder die Zahl der Aschenbecher. Heute ist eine Flugzeugkabine Kombination aus Luxushotel und fliegendem Büro. Galt in der Economy-Class vor 25 Jahren noch eine verstellbare Rückenlehne als Inbegriff des Luxus, so sind heute selbst in der Schnäppchenklasse inzwischen Videoschirm und Computerspiele Standard. Die Herausforderungen für Hersteller wie Airbus oder Boeing sind weitaus größer als bei einem Computernetzwerk in Wohnung oder Büro: Das Flugzeug rast mit 900 Stundenkilometern durch die Luft, kühlt bis auf 40 Grad unter Null ab oder erhitzt sich bei Landungen an heißen Flugplätzen bis auf 50 Grad Celsius. Dazu kommen harte Anforderungen der Sicherheitsbehörden für Feuerschutz und Flugsicherheit.
Die Testflüge seit dem Jungfernflug 27. April 2005 verliefen dennoch nahezu reibungslos. Insgesamt sind inzwischen vier Versuchsflugzeuge unterwegs und mehr als 1000 Stunden geflogen. Die Testpiloten gingen dabei weit über die Limits des Flugzeuges im späteren Flugbetrieb hinaus. Die ersten Flüge mit mehr als 500 Testpassagieren an Bord gingen Anfang September ebenfalls ohne große Schwierigkeiten über die Bühne.
Auch der Konkurrent kennt diese Probleme
Verständnis für die Auslieferverzögerungen von Airbus beim A380 kommt vom Konkurrenten Boeing aus Seattle. So kommentierte Marketingvorstand Randy Baseler im Juni in seinem Internet-Tagebuch die damals bekannt gegebenen Verzögerungen beim A380: "Flugzeuge sind an sich schon kompliziert - und wir wissen aus eigener Erfahrung, das besonders große Flugzeuge die härteste Herausforderung sind." Boeing kämpfte beim Start seines 747-Programms ebenfalls mit zahlreichen Anlaufschwierigkeiten. 35 Jahre später zählt die 747-Baureihe mit rund 1400 verkauften Flugzeugen zu den weltweit am meisten verbreiteten Langstreckenjets.
Für Airbus ist es beim A380-Programm bis dahin aber noch ein langer Weg. Bisher sind rund 160 Flugzeuge schon fest bestellt. Dass die Fluggesellschaften dem Programm insgesamt vertrauen, zeigte auch die erste Nachbestellung durch Singapore Airlines auf der Luftfahrtmesse im britischen Farnborough kürzlich im Juli.