Puma-Panne  Nur Bagatellschäden beim Schützenpanzer Puma? Im Ernstfall wäre die Besatzung tot

Der Puma sollte umfassende Fähigkeiten besitzen - vielleicht wollte man zuviel auf einmal.
Der Puma sollte umfassende Fähigkeiten besitzen - vielleicht wollte man zuviel auf einmal.
© Philipp Schulze/ / Picture Alliance
18 Puma sind bei einer Übung ausgefallen. Nun ist von den Bedienfehlern und Bagatellschäden die Rede, die alsbald repariert werden können. Doch im Krieg ist auch eine kleine Panne keine Bagatelle.

Bei einer Übung im Dezember fielen 18 Schützenpanzer vom Typ Puma aus. Der Nachfolger des betagten Marders gilt als modernster Schützenpanzer (IFV Infantry Fighting Vehicle) der Welt. Aber auch als der teuerste und - freundlich ausgedrückt - als der anspruchsvollste seiner Art. Pannen, Verzögerungen begleiten den Puma seit seiner Geburt 2015, dazu gehen die Preise nach oben und das Leistungsspektrum nach unten. Doch 18 auf einen Streich – das war nun doch zu viel. Verteidigungsministerin Lambrecht hat das ganze Projekt in Frage gestellt. Und natürlich wird nun versucht, den schwarzen Peter weiterzureichen. Denn keineswegs möchte die Rüstungsindustrie das Prestigeprojekt abschreiben. Also wird der Totalausfall kleingeredet und die Schuld bei anderen gesucht.

Ausfall ohne Feindeinwirkung

Diese Versuche machen das Desaster nur noch schlimmer. Als erstes werden die Schäden kleingeredet. Eigentlich sei gar nichts passiert, es seien "Bagatellschäden", die in Kürze repariert werden könnten, heißt es. Man stelle sich so ein Statement in einer anderen Welt als der der Beschaffungsbürokratie vor: Vergleichsweise neue Wagen bleiben reihenweise liegen und der Hersteller schreibt den Kunden, sie mögen sich nicht aufregen, schließlich sei nicht der Motor explodiert, es lägen nur kleine Bagatellschäden an Steuergerät und Lichtmaschine vor, man sei zuversichtlich sie in einigen Wochen in Stand zu setzen. Der Vergleich hinkt? Ja, ein Pkw wird nicht für den Krieg gebaut. Bleibt er am Seitenstreifen liegen, muss man nicht damit rechnen, dass er von anderen Fahrzeugen beschossen wird. Bei einem Schützenpanzer im Einsatz gibt es keine Bagatellschäden, bleibt er im Gefecht liegen, ist sein Schicksal besiegelt.

Nur ein kleiner Kabelbrand

Und an diesen Bagatellen soll nicht die Rüstungstechnik schuld sein, sondern Fehlbedienungen und raue Behandlung. Übersetzen kann man das: Die Soldaten sind schuld. Unter anderem wird moniert, dass der Kabelbrand eines Fahrzeuges mit dem Pulverlöscher bekämpft wurde, dadurch ist ein größerer Schaden entstanden als notwendig. Streng genommen mag das sogar stimmen. Durchaus möglich, dass der Brand noch in einem Zustand war, indem man ihn auch durch das Kappen der Stromzufuhr hätte beenden können. Doch wird sehr viel Umsicht verlangt, wenn es im engen Gefechtsraum des Panzers auf einmal zu kokeln beginnt. Davon einmal abgesehen, dass ein Kabelbrand alles andere als ein Bagatellschaden ist.

Rotationssystem belastet die Technik

Überdies wird die raue Behandlung des Pumas durch die Bundeswehr bemängelt. Die Belastungen in der eigentlichen Übung sind nicht übermäßig gewesen, der Bundeswehralltag aber wohl schon. Damit wird auf folgende Praxis angespielt. Um Geld zu sparen, hat die Bundeswehr mehr Soldaten als Gerät. Die Ausrüstung wird dann reihum gereicht, so dass jede Einheit gelegentlich voll ausgerüstet "Krieg spielen" kann.

Für den Steuerzahler ist das kaum nachzuvollziehen. Überspitzt ausgedrückt: Drei Bataillone sind auf der Payroll, aber nur für eines sind die Panzer da. Sollte ein Krieg ausbrechen, könnte man also nur ein Bataillon einsetzen, zahlt aber immer für drei. Dieses Sparprogramm, das auch aus der DDR-Planwirtschaft hätte stammen können, hat einen weiteren üblen Nebeneffekt. Früher hatte ein IVF, ein Kampfpanzer und jedes Großgerät eine Stammbesatzung. Sie und insbesondere der Fahrer achteten penibel darauf, dass etwa ihr "Leo" gut behandelt wurde. Kleinere und manchmal auch größere Schäden wurden in Eigenregie repariert. Teilweise auf Wegen der Tausch- und Gefälligkeitsökonomie, von denen offiziell niemand etwas wissen durfte.

Der Eigenverantwortung der Besatzungen hat die Bundeswehrführung ein Ende bereitet. Das eigene Fahrzeug wurde durch ein Rotationssystem ersetzt, so wie man es im zivilen Bereich von Mietwagen kennt. Das Ergebnis: Die Technik wird weit rauer behandelt als zuvor. Und es wird nicht mehr "inoffiziell" gepflegt, gehegt und repariert. Wie zu erwarten, hat sich der Zustand der Technik seitdem verschlechtert. Diese Grundsätze der Bundeswehr kann man kritisieren, doch sie beschreiben nun mal die Einsatzumgebung des Geräts. Wenn der Puma das nicht verträgt, ist er wohl nicht die richtige Wahl für so einen ruppigen Kunden.

Komplex und noch komplexer

Verteidiger des Pumas argumentieren, dass der Schützenpanzer über Fähigkeiten verfügt, von denen andere nur träumen könnten. Das ist richtig, wenn die Fähigkeiten in der rauen Wirklichkeit abzurufen wären. Gerade diese überragenden Fähigkeiten führten jedoch dazu, dass das Projekt überkomplex ist und das Zusammenspiel der Subsysteme eben nicht verlässlich funktioniert. 2015 wurde der Puma als Schützenpanzer der Zukunft angepriesen. Seit acht Jahren reift das Projekt nun beim Käufer und mit etwas Glück soll das edle Gerät so um 2030 wirklich bereit zum Fronteinsatz sein. Also zu einem Zeitpunkt, an dem die "Zukunft" von der man 2015 sprach, bereits weit in der Vergangenheit liegt. Und hier kommt das nächste Problem. Für die schnelle Einsatzgruppe wurden die Pumas auf den modernsten Konfigurationsstand S1 gebracht. Will sagen, schon jetzt muss der Schützenpanzer der Zukunft umfassend modernisiert werden, um in der Gegenwart bestehen zu können. Zur Überkomplexität des Grundentwurfs kommen die Modernisierungsschübe hinzu.

Die Panne beim Puma bestärkt den Verdacht, dass die Bundeswehr sich "Wünsch dir was"-Systeme für den Friedensbetrieb zugelegt hat. Die an die Ukraine gelieferten Panzerhaubitzen 2000 sollen mit den Härten des Krieges auch nur schlecht zurechtkommen, kaum die Hälfte soll einsatzfähig sein (Panzerhaubitze 2000 – Kiew bekommt eines der modernsten und gefährlichsten Artilleriesysteme der Welt). Schützenpanzer liefert Berlin nicht an Kiew. Zum Glück muss man nun sagen, denn eines ist klar: Wären diesen 18 super-modernen Pumas im Donbass ins Gefecht gerollt, hätten die Russen sie komplett aufgerieben.

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