Die ukrainischen Streitkräfte ziehen alle Register, wenn es um die Verteidigung ihres Landes geht. Rückgrat der Armee sind selbstverständlich Waffen, Panzer und schweres Kriegsgerät aus aller Welt. Aber auch Technik spielt bei der Invasion in der Ukraine eine nie dagewesene Rolle. Hinter feindlichen Linien und an der Front haben sich beispielsweise E-Bikes (Ukrainische Armee nutzt E-Bikes als Anti-Panzer-Waffen) und Drohnen (Russland wehrt sich gegen Drohnen-Angriffe der Ukraine) als wichtige Instrumente bewiesen, doch auch Soldaten mit Tablets können großen Schaden anrichten.
Bekannt ist, dass die Ukraine quasi seit dem ersten Tag der Invasion auf das Satelliten-Internet von Spacex angewiesen ist (So helfen Elon Musks Satelliten beim Angriff auf russische Panzer). Und auch wenn sich Elon Musk mehrfach als launischer Verbündeter erwiesen hat, ist die Bedeutung seiner digitalen Lebensader nicht von der Hand zu weisen.
Live-Karten vom Schlachtfeld per App
Spacex ist aber nicht das einzige Unternehmen, welches der Ukraine mit taktischer Hard- und Software zur Seite steht. Auch Palantir, das umstrittene Unternehmen von US-Milliardär Peter Thiel, spielt an der Front eine große Rolle. Wie Firmenchef Alex Karp kürzlich gegenüber "Reuters" erklärte, sei seine Software "für den Großteil des Targetings in der Ukraine verantwortlich". Targeting bedeutet das Auffinden und Anvisieren wichtiger Ziele, beispielsweise russische Panzer oder Artillerie.
Laut "Washington Post" handelt es sich bei Palantirs Beitrag am Krieg um die kostenlose Bereitstellung einer Software namens "Metaconstellation". Auf der Firmenhomepage schreibt das Unternehmen darüber kryptisch: "Die Macht der Satellitenkonstellationen nutzen, um die Entscheidungsträger auf der Erde zu unterstützen."
Was damit gemeint ist: Als datenfokussiertes Unternehmen ist Palantir in der Lage, Informationen von Satelliten, aber auch Wärmesensoren und Aufklärungsdrohnen zu einem übersichtlichen Bild der Front zusammenzulegen. Auf einem Tablet, quasi via App, steht den ukrainischen Soldaten damit eine Art Echtzeit-Karte zur Verfügung, die russische Ziele auf dem Schlachtfeld markiert und zu einem leichteren Ziel für den Beschuss aus der Ferne macht.

Damit nicht genug: Palantir bedient sich für die Zusammenstellung der Informationen nicht nur bei Satellitenbildern von Firmen wie beispielsweise Maxar Technologies, sondern durchsucht auch Bilder von Privatpersonen, etwa Bewohnern oder Spionen. Die Bilder werden entweder direkt eingespeist oder aus sozialen Medien gewonnen. Daraus baut Palantir dann eine einfache Karte, basierend auf Unmengen komplexer Informationen.
Im Einsatz wird diese Software dann offenbar mit zusätzlichen Modulen ausgestattet, die den Entscheidern an der Front ermöglichen, bei erfolgreichem Auffinden eines Ziels über die Art und Weise der bevorstehenden Vernichtung zu entscheiden – ob nun Drohne, Rakete oder Artilleriefeuer. Eine automatische Entscheidung gibt es derzeit nicht – zu groß und komplex sind die ethischen Fragen, die aufkommen, wenn Maschinen über Menschenleben entscheiden dürften. Das weiß auch Palantir.
"Krieg der Zauberer"
Die "Washington Post" bezeichnete den Krieg in der Ukraine unlängst als "Krieg der Zauberer". Wohl eine Anspielung darauf, dass vieles, was auf dem Schlachtfeld passiert, in zurückliegenden Kriegen dem Einsatz buchstäblicher Magie gleichgekommen wäre. Heute geht es eigentlich nur darum, zu nutzen, was da ist. Sollte die Ukraine so weitermachen, schreibt der US-amerikanische Journalist David Ignatius, wird Russland den Krieg seiner Ansicht nach verlieren. Denn auf der Gegenseite gibt es offenbar keine entsprechende Ausrüstung.
Welches Land liefert welche Waffen in die Ukraine?

General Mark A. Milley, Vorsitzender der Generalstabschefs, erklärte der US-Tageszeitung die Situation wie folgt: "Hartnäckigkeit, Wille und die Nutzung modernster Technologie verschaffen den Ukrainern einen entscheidenden Vorteil. Wir sind Zeugen der Art und Weise, wie Kriege in den kommenden Jahren geführt und gewonnen werden."
Auch Firmenchef Alex Karp kommt in dem Bericht zu Wort. Er schreibt: "Die Macht fortschrittlicher algorithmischer Kriegsführungssysteme ist inzwischen so groß, dass sie einem Gegner, der nur über konventionelle Atomwaffen verfügt, gleichkommt. Die breite Öffentlichkeit neigt dazu, dies zu unterschätzen. Unsere Gegner tun das nicht mehr."
Mächtige Privatunternehmen
Die Einmischung privater Unternehmen mit derart mächtiger Software ist nicht unumstritten. Zumal Palantir schon immer mit Kritik zu kämpfen hat, da Gründer Peter Thiel sich öffentlich als Trump-Fan bekannt hat und als Liberalist die persönliche Freiheit über die Demokratie stellt.
Es stellt sich die Frage, ob solche Partner nicht irgendwann zur Unzeit unvorhersehbar handeln – wie Musk es bei der Frage um die Finanzierung seiner Internetanschlüsse bereits beinahe bewiesen hätte (Elon Musk will Starlinks Kosten für die Ukraine nun doch übernehmen).
Im "Tagesspiegel" erklärte Vanessa Vohs, KI-Expertin an der Universität der Bundeswehr in München, dass eine solche Entwicklung langfristig zum Problem werden könne. Gleichzeitig ist allerdings nicht damit zu rechnen, dass künstliche Intelligenz aus zukünftigen Konflikten noch wegzudenken ist – denn nichts kann große Datenmengen effizienter und übersichtlicher verarbeiten.
Quellen: Reuters, Tagesspiegel, Washington Post, Palantir
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