J. Peirano: Der geheime Code der Liebe Wir einigten uns beim Daten auf eine Testphase, nach vier Monaten machte er Schluss. Liegt es an mir?

Der Umgang mit einer Beziehungs-Testphase fällt Frauen oft schwerer als Männern (Symbolbild)
Der Umgang mit einer Beziehungs-Testphase fällt Frauen oft schwerer als Männern (Symbolbild)
© martin-dm / Getty Images
Vier Monate brauchte Henrikes Ex-Freund, um zu merken, dass aus der Testphase nicht mehr geworden war. So, wie es ihr schon öfter passiert ist. Nun will sie etwas ändern. Bloss: was?

Liebe Frau Peirano,

ich (34, Grafikerin) habe seit einigen Jahren endlich wieder einen Mann kennen gelernt, bei dem ich dachte, es könnte etwas werden. Wir haben uns seit vier Monaten gedatet und wollten mal sehen, wie es läuft. Es macht ja keinen Sinn, wenn man sich vorher festlegt.

Er war sehr aufmerksam und verbindlich, hat intensiv zugehört und sich gemerkt, was ich ihm erzählt habe. Irgendwann habe ich ihn gefragt, was das mit uns ist, und da sagte er, er wolle noch das kommende Wochenende abwarten, bei dem wir Karten für ein Festival hatten.

Ich war irgendwie verunsichert über seine Antwort. Aber das Wochenende kam und war sehr schön. 

Und bei unserem nächsten Treffen kam er dann zum Punkt und sagte mir, dass er keine tieferen Gefühle für mich entwickelt habe und es ihm sehr leid tue, aber er wolle da nicht weiter machen.

Ich war wie vor den Kopf gestoßen, auch wenn ich so etwas schon befürchtet habe. Aber jetzt frage ich mich natürlich, woran es lag. Sehe ich nicht gut genug aus? Hat es ihm im Bett nicht gefallen? Was habe ich an mir, dass er sich nicht für mich entscheiden konnte?

Das ist mir schon öfter passiert, und ich werde immer unsicherer. Was soll ich denn machen? Mich gar nicht mehr öffnen? Mich nicht mehr mit Männern treffen? Noch vorsichtiger werden?

Was raten Sie mir?

Viele Grüße

Henrike G.

Liebe Henrike G.,

möglicherweise hilft es Ihnen nicht, wenn ich das sage. Aber Ihre Geschichte ist mittlerweile ein Klassiker. Immer wieder höre ich in meiner Praxis oder in meinem Privatleben Geschichten, die genau so ablaufen. Ein Kennenlernen, meistens online, dann eine unverbindliche Testphase, die meistens der Mann als wirklich unverbindlich erlebt und die Frau nach einiger Zeit als ein Warten und Ausharren empfindet. Sie wartet auf eine verbindliche Aussage darüber, was sie ihm bedeutet und dass er es ernst meint. Und kurz darauf trennt sich in der Regel der Mann und sagt, er habe nicht genug Gefühle entwickeln können.

Das ist traurig und ein sehr großer Stress für die betroffenen Frauen (und natürlich wäre es anders herum genau so ein Stress für die betroffenen Männer)! Vor allem, weil nach mehreren solcher Erfahrungen dann schon eine Art Befangenheit und Unsicherheit beim Kennenlernen als ständiger Begleiter da ist: "Wann werde ich wieder verlassen?" Das hilft nicht gerade dabei, locker, aufmerksam und unbefangen zu sein. Im Gegenteil: Man wird ängstlich und angespannt, dosiert die Gefühle, um nicht verletzt zu werden. Summa summarum keine guten Voraussetzungen für den Aufbau von Vertrauen und spielerischer Gelassenheit.

Porträt Dr. Julia Peirano
© Kirsten Nijhof

Dr. Julia Peirano: Der geheime Code der Liebe

Ich arbeite als Verhaltenstherapeutin und Liebescoach in freier Praxis in Hamburg-Blankenese und St. Pauli. In meiner Promotion habe ich zum Zusammenhang zwischen der Beziehungspersönlichkeit und dem Glück in der Liebe geforscht, anschließend habe ich zwei Bücher über die Liebe geschrieben. 

Informationen zu meiner therapeutischen Arbeit finden Sie unter www.julia-peirano.info.

Haben Sie Fragen, Probleme oder Liebeskummer? Schreiben Sie mir bitte (maximal eine DIN-A4-Seite). Ich weise darauf hin, dass Anfragen samt Antwort anonymisiert auf stern.de veröffentlicht werden können.

Es hilft, sich mit den gesellschaftlichen Ursachen und Zusammenhängen auseinander zu setzen. Ich empfehle hier das Buch: "Warum Liebe weh tut" von der Soziologin Eva Illouz. Hier bekommen Sie auch eine Antwort darauf, warum es meistens die Frauen sind, die unter diesen Situationen leiden.

Auch in meiner Praxis sind meistens die Männer unbefangener, wenn es um Dating geht. Wenn sie nicht in ihr Profil schreiben, dass sie eine verbindliche, feste Beziehung wollen, dann wollen sie das in der Regel auch nicht. Und denken, das sei dann klar. Wenn ich frage, warum sie Frauen (und oftmals auch mehrere gleichzeitig) treffen, höre ich oft: Ich bin noch nicht über meine Ex-Freundin hinweg. Oder "ich will meine Freiheit genießen" oder "ich habe Angst, mich zu binden" oder: "ich will ungebunden sein, aber ich brauche die weibliche Aufmerksamkeit und Bestätigung." Und oft ist es auch einfach das Interesse an Sex. 

Meistens ist den Männern nicht bewusst, wie sehr sie die betroffenen Frauen verletzen. Und da die Frauen oft aus Selbstschutz nicht zeigen, wie verletzt sie sind und wie ernst sie es eigentlich meinen, kann man den Männern auch keinen Vorwurf machen. Deshalb wäre mein Rat an Frauen: Stehen Sie dazu, dass Sie nur an ernsthaften Angeboten interessiert sind. Es sei denn, sie finden es wirklich in Ordnung, eine lockere Verbindung zu haben! 

Natürlich ist meine Praxis nicht repräsentativ und es gibt natürlich auch Männer, die sich immer wieder zurück gewiesen fühlen und Angst haben, verlassen zu werden. Aber meine persönliche Erfahrung in meiner Praxis ist das eher nicht, sondern ich habe Ihre Geschichte so oder so ähnlich schon sehr, sehr oft gehört, und zwar ausnahmslos von Frauen.

Was können Sie jetzt tun? Ich würde Ihnen empfehlen, Ihrem Selbstwertgefühl einen Gefallen zu tun und sich die Antwort zu holen, die Sie brauchen, um die Trennung zu verarbeiten und die Gründe zu verstehen.

Stellen Sie sich ein Kind vor, dass von einem Tag auf den anderen von einer wichtigen Bezugsperson verlassen wird (z.B. von einer Lehrerin, einem Patenonkel, einem Freund oder sogar einem Elternteil). Kinder beziehen so etwas auf sich und suchen auch die Schuld bei sich. Deshalb ist es wichtig, dass die Erwachsenen sich viel Zeit nehmen, um die Situation von allen Seiten zu beleuchten und zu erklären.

Und gehen Sie mal davon aus, dass in Ihnen ein kindlicher verletzter Anteil ist, der sich auch diffus schuldig fühlt (für was eigentlich?) und enttäuscht ist, dass es nicht liebenswert genug war.

Deshalb ist mein Vorschlag, dass Sie den erwachsenen Anteil in sich losschicken, um für das Kind eine Antwort zu bekommen. Wenn Sie das verletzte Kind zu dem Mann losschicken würde, würde es vielleicht weinen, klammern, bitten und betteln. Das wäre verständlich, aber natürlich  nicht souverän. Davon rate ich ab. Ihre gute innere Mutter aber könnte dem Mann schreiben und sagen: "Ich akzeptiere natürlich, dass du dich gegen weiteren Kontakt mit mir entschieden hast. Ich habe trotzdem eine Bitte an dich, um besser damit abzuschließen. Hättest du ein Stündchen Zeit, um mir deine Gründe dafür zu nennen? Es wäre sehr hilfreich für mich, das zu erfahren, damit ich in Zukunft genauer hinschauen kann. Ich würde mich freuen, wenn wir uns noch einmal treffen können. Wir hatten eine gute Basis miteinander, und es würde mir helfen, wenn ich von dir das Rätsel gelöst bekäme."

Dieser Brief wäre gut für ihr Selbstwertgefühl, da die innere Mutter zu den Gefühlen des Kindes steht und diesen nachgeht. Das Kind will eine Klärung, also bittet sie darum. Der Ton (z.B. der meiner Formulierung) ist angemessen und freundlich. Auch auf soviel Stil kann man stolz sein, insbesondere in einer belastenden Situation! Und natürlich wäre es auch entlastend, wenn sich heraus stellt, dass die Gründe für die Trennung beim Mann lagen, z.B. dass er zu diesem Zeitpunkt nicht bereit für eine Beziehung war (dann könnte man das besser beim nächsten erfragen). 

Auch wenn er Kritik an Ihnen übt, könnten Sie sich darauf konzentrieren, diese auszuwerten. Möchte ich das, was der andere kritisiert, überhaupt verändern? Wenn zum Beispiel jemand an mir kritisieren würde, dass ich Psychologin bin und gerne über zwischenmenschliche Themen rede, wäre das für mich keine Kritik (weil ich ja absichtlich und mit viel Aufwand Psychologin geworden bin und das gut finde), sondern es würde heißen, dass es einfach nicht passt mit diesem Mann. Aber wenn er mir zum Beispiel erzählen würde, dass ich zu oft über Probleme rede und zu wenig entspannen kann, könnte ich diesen Punkt prüfen und gegebenenfalls aufmerksamer werden, wann ich den Bogen überspanne.

Im Grunde genommen können Sie mit dem Versuch, eine Rückmeldung zu erhalten, nur gewinnen.

Herzliche Grüße und nur Mut!

Julia Peirano

*Dieser Artikel enthält sogenannte Affiliate-Links zu Produkten in Online-Shops. Klickt ein Nutzer darauf und kauft etwas, erhält der Verlag eine Provision vom Händler, nicht vom Hersteller. Wo und wann Sie ein Produkt kaufen, bleibt natürlich Ihnen überlassen.

PRODUKTE & TIPPS

Kaufkosmos

Mehr zum Thema