Wann hast Du Dich zum ersten Mal mit dem Thema Kinder beschäftigt?
Für mich war immer schon klar, dass ich irgendwann eine Familie und Kinder haben wollen würde. Mit Anfang 30 kam ich mit meinem damaligen Freund zusammen. Und nach zwei Jahren, dachte ich, ich sollte das Thema mal ansprechen. Ich habe das damals allerdings ziemlich defensiv formuliert. Heute glaube ich, dass ich zu dem Zeitpunkt schon geahnt habe, dass er eigentlich kein Kind will. Es lag etwas Unausgesprochenes im Raum. Das wollte ich mir aber nicht eingestehen.
Er war zu dem Zeitpunkt Anfang 40 – ich wollte damals nicht wahrhaben, dass er vermutlich schon Kinder bekommen hätte, wenn er welche wollen würde.
Was hat sich dann verändert?
Ich wurde immer unzufriedener, habe angefangen, an ihm rumzumeckern. Ich konnte mir mein eigenes Verhalten nicht erklären. Um meinen Kopf frei zu kriegen, bin ich drei Wochen alleine nach Frankreich gereist. Auf der Reise ist mir bewusst geworden, dass ich sehr gut alleine zurechtkomme. Und da habe ich mich selber zum ersten Mal gefragt, was denn wäre, wenn er meinen Kinderwunsch tatsächlich nie teilen würde.
Hast Du ihn dann erneut mit dem Kinderwunsch konfrontiert?
Nicht direkt. Ich hatte immer noch Hoffnung, weil er es nie komplett ausgeschlossen hat. Ich habe mich so an diesen einen Prozent geklammert. Wenn man jemanden liebt, ist es schwer, diese Hoffnung aufzugeben. Konfrontiert habe ich ihn erst in einem Spanien-Urlaub. Da war ich 34. Die Stimmung zwischen uns war super – und trotzdem habe ich gespürt, dass mir etwas fehlt. Ich habe ihm dann direkt gesagt: "Pass auf, ich möchte ein Kind. Es gibt drei Optionen: Entweder kriegen wir ein Kind zusammen, ich kriege ein Kind von deinem Freund (der wollte damals unbedingt eines), oder ich suche mir einen Samenspender." Das Angebot mit seinem Freund war natürlich nicht ganz ernst gemeint. Und mit dem Thema Samenspende hatte ich mich damals auch noch gar nicht befasst. Aber ich wollte einfach eine klare Antwort von ihm.
Und wie hat er darauf reagiert?
Er hat gesagt: "Dann suchst du dir einen Samenspender." Wir wollten uns beide nicht von dem Lebensmodell abhalten, das wir anstrebten. Ich wollte eine Familie, und er eben keine. Bis zu dem Zeitpunkt sind wir höflich umeinander herumgetänzelt. Nach dem Urlaub fing ich an, mich zu informieren.
Wie hast Du das gemacht?
Das war ehrlich gesagt gar nicht so einfach. Es gibt viele Foren im Internet. Alleinstehende Frauen, die mit einem Samenspender ein Kind wollen, gelten dort allerdings oft als abnorm. In vielen Beiträgen hieß es, diese Frauen seien egoistisch. Deshalb habe ich auch aufgehört, diese Foren zu lesen. Mir wurde relativ schnell klar, dass ich mich nach Informationen aus dem Ausland umgucken müsste.
Für Paare ist Befruchtung durch einen Samenspender kein Problem. Für Single-Frauen ist die Rechtslage in Deutschland jedoch relativ unklar.
Es ist nicht verboten, aber es ist auch nicht explizit erlaubt. In Berlin und München gibt es Kliniken, die eine Behandlung von Single-Frauen nicht explizit ausschließen. Aber es ist immer Ermessenssache der Ärzte.
Ist es im Ausland einfacher?
Auf jeden Fall. Ich habe im Internet nach Kliniken gesucht. Die meisten und ansprechendsten habe ich in Dänemark gefunden. Es gibt diverse Voruntersuchungen, die man als Frau machen muss. Doch auch da gibt es große Unterschiede. Manche Kliniken verlangen mehr als andere und da man die Untersuchungen meist selbst bezahlen muss, war das für mich ein entscheidender Faktor.
Welche Tests braucht man?
Man braucht einen negativen HIV- sowie Hepatitis B- und C-Test.
Nach welchen Kriterien hast Du Dich für die Klinik entschieden?
Ich habe alle Optionen in einer Excel-Liste sortiert und dann ein paar der etwas günstigeren Kliniken kontaktiert. Die sympathischsten kamen dann in meine engere Auswahl.
Und jetzt zu den potenziellen Kindsvätern. Wie muss man sich die Auswahl vorstellen?
Ich habe mir von der Klinik die Spenderliste zuschicken lassen. Das ist tatsächlich wie ein Versandkatalog oder wie eine Singlebörse. Dort finden sich Fotos und äußere Merkmale wie Größe, Gewicht, Haut- und Haarfarbe. Angegeben wird aber auch die Motilität der Spermien – sind sie also schnell, oder eher nicht so schnell. Natürlich finden sich in dem Steckbrief auch Vorerkrankungen und Allergien, so es welche gibt. Die Spender müssen außerdem Persönlichkeitstests mitmachen und Tondokumente abgeben. Dabei handelt es sich um eine Sprachaufnahme des Spenders, in der er sagt, warum er Spender ist und was er der Familie oder der Frau wünscht.
Man soll so ein dreidimensionaleres Bild bekommen. Es hat sicher auch den Hintergrund, dass man jemanden eher als Spender nimmt, wenn man ihn sympathisch findet.
Also weißt Du auch, wie der Kindsvater aussieht?
Für meinen ersten Versuch in Dänemark hatte ich mir einen anonymen Spender ausgesucht. Aus dem ganz einfachen Grund, dass das billiger war. Doch die erste Befruchtung in Dänemark war negativ.
Was war das für ein Gefühl?
Das war ganz schrecklich, weil man natürlich alle Hoffnungen da reinsteckt. Ich hatte mich monatelang darauf vorbereitet, war zu dem Zeitpunkt 35. Aber am Ende war es gut so. Die zweite Insemination habe ich nämlich in Berlin vornehmen lassen, mit einem nicht-anonymen Spender aus der Spenderdatei. Und um sicherzugehen, dass es diesmal klappt, habe ich noch eine Hormontherapie gemacht.
Und dann fängt man vermutlich an, zu warten?
Genau, das ist eine extreme Drucksituation. Beim ersten Mal habe ich mir sofort eingebildet, ich hätte Brustspannen und andere Symptome. Weil ich mich beim zweiten Versuch nicht wieder so verrückt machen wollte, habe ich mich nach der Insemination viel abgelenkt und viel unternommen. Meine Schwester, die auch bei der Befruchtung dabei war, hat mir in der Zeit geholfen. Weil sich immer wieder schlechte Gedanken einschleichen: Was, wenn es jetzt wieder nicht geklappt hat?
Aber als mir nach 14 Tagen Blut abgenommen wurde, sagten mir die Ärzte direkt, dass ich schwanger sei.
Was hast Du am Ende für die Behandlung bezahlt?
Für die Sperma-Bestellung, die Versandkosten und die Lagerung waren das für drei Einheiten 2500 Euro. Die Insemination in Berlin kostet zirka 400 Euro für Privatzahler. Dann kommen noch 50 Euro für die Hormonbehandlung dazu. Jetzt habe ich noch zwei der Sperma-Einheiten gelagert. Dafür zahle ich halbjährlich 180 Euro pro Einheit.
Falls Du noch ein zweites Baby haben willst?
Genau, wenn ich es noch mal versuchen möchte, würde ich das mit dem gleichen Vater machen.
Dein Sohn hat jetzt vermutlich einige Halbgeschwister, oder?
Das ist richtig. Eines seiner Halbgeschwister trifft er jetzt sogar bald. Ich habe eine Single-Mutter kontaktiert, die sich ebenfalls "meinen" Spendervater ausgesucht hat.
Wie gehst Du damit um, wenn Dein Sohn Dich irgendwann fragt: Wer ist mein Papa?
Ich möchte sehr offen damit umgehen. Wobei ich jetzt noch nicht weiß, wie genau ich es machen will. Im psychologischen Vorgespräch in der Klinik wurde empfohlen, ihm zu sagen, wo sein Vater wohnt und dass sein Vater mir geholfen hat, ihn zu bekommen. Ich werde ihn aber immer "Vater" nennen und nicht "Papa".
Aber da der Samenspender sich für eine nicht-anonyme Spende entschieden hat, ist er bereit, seine Kinder irgendwann kennenzulernen?
Das legt der Spender vorher fest. Mit 18 Jahren darf sich das Spenderkind mit der ID des Spenders bei der Samenbank melden. Der Spender entscheidet sich entweder für ein persönliches Gespräch oder die Kontaktaufnahme über E-Mail. Sollte er umziehen, muss er seine Kontaktdaten der Samenbank mitteilen.
Wäre es nicht einfacher gewesen, einen Freund zu fragen, ob er sich vorstellen könnte, ein Kind zu bekommen? Gab es diese Überlegung für Dich?
Ja, tatsächlich habe ich kurz darüber nachgedacht. Aber ich verliebe mich sehr selten und behalte gerne die Kontrolle. Für mich war das Risiko zu groß, dass ich mich mit einem platonischen Freund über die Kindeserziehung streiten würde.
Was erzählst Du den Männern, die Du jetzt kennenlernst?
Bisher habe ich noch niemanden kennengelernt. Ich konzentriere mich zurzeit voll und ganz auf meinen Sohn, lasse alles andere auf mich zukommen. Jeder Mann, der jetzt Teil meines Lebens wird, muss sich mit meinem Sohn verstehen.
Also macht es die Partnersuche jetzt schwieriger?
Nicht unbedingt. Vorher war der Kinderwunsch oft Thema. Die Beziehung mit meinem Ex-Freund ist daran gescheitert. Jetzt habe ich mir selbst den Druck genommen. Wie groß ist schließlich die Wahrscheinlichkeit, dass man die Liebe seines Lebens in dem Zeitfenster findet, in dem man schwanger werden kann und möchte?
Du brauchst also keinen Mann, um Dich als Familie zu fühlen?
Tatsächlich vermisse ich einen Vater vor allem in den schönen Situationen. Als mein Sohn das erste Mal krabbelte oder lief, zum Beispiel. So etwas nicht alleine zu erleben, ist ein Vorteil. Aber hätte ich nicht die volle Unterstützung meiner Schwester und meiner Eltern, würde mir das vermutlich schwerer fallen. Auf der anderen Seite kann ich alle Entscheidungen selbst treffen und muss auf niemanden Rücksicht nehmen.
Bekommst Du manchmal negatives Feedback?
Bisher noch nicht. Aber ich erzähle es natürlich auch nicht jedem sofort. Die meisten Menschen denken erstmal, dass ich alleinerziehend bin. Werde ich gefragt, gehe ich ganz ehrlich mit meiner Geschichte um.
