Nach einer gewaltsam blockierten Abschiebung eines Asylbewerbers in Ellwangen hat die Polizei mit Hunderten Beamten eine Flüchtlingsunterkunft durchsucht. Ein Togoer konnte bei der Razzia gefasst werden. Der 23-Jährige soll nach Italien zurückgeführt werden. Eigentlich sollte der Mann aus dem westafrikanischen Kleinstaat Togo bereits in der Nacht zu Montag gefasst und abgeschoben werden. Etwa 150 bis 200 mutmaßliche Flüchtlinge der Landeserstaufnahmeeinrichtung (LEA) hatten dies aber gewaltsam verhindert. Die Polizei brach die Aktion ab.
Die Aktion (lesen Sie hier eine Chronologie der Ereignisse in Ellwangen) hat bundesweit Reaktionen hervorgerufen - sowohl aus der Politik als auch der Polizei-Gewerkschaft und dem Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen. Geradezu Konsens: Der Rechtsstaat darf und muss hart durchgreifen.
"Drücke die Daumen, dass sich die Menschen auch heute wieder wehren können"
Bundesinnenminister Horst Seehofer hat den Widerstand von Asylbewerbern in Baden-Württemberg als "Schlag ins Gesicht der rechtstreuen Bevölkerung" bezeichnet. Der CSU-Politiker sagte in Berlin, für ihn sei klar, "dass das Gastrecht nicht mit Füßen getreten werden darf". Er betonte, "dass ich politisch voll hinter den Maßnahmen der baden-württembergischen Sicherheitsbehörden und der Polizei stehe". Die empörenden Widerstandshandlungen müssten "mit aller Härte und Konsequenz verfolgt werden".
Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen hat die Gewalt gegen Polizisten durch Flüchtlinge bei der geplanten Abschiebung in Ellwangen verurteilt. "Menschen, die nach langem Warten kurz vor einer Abschiebung stehen, sind in einer Ausnahmesituation. Das rechtfertigt jedoch keinen aggressiven Widerstand gegen eine rechtsstaatlich getroffene Entscheidung und erst recht keine Gewalt", teilte die UN-Einrichtung mit. Solche Vorfälle würden anderen Menschen schaden, die in Deutschland auf Schutz angewiesen seien.
FDP-Chef Christian Lindner fordert: "Wer kein Bleiberecht hat, muss konsequent abgeschoben werden":
Die Gewerkschaft der Polizei hält den Großeinsatz der Polizei für gerechtfertigt. "Der Staat darf bei Angriffen auf den Rechtsstaat und seine Vertreter keine Antwort schuldig bleiben", teilte der Bundesvorsitzende Oliver Malchow mit. Diese Antwort könne aus Gründen der Verhältnismäßigkeit und der Sicherheit für die Beamten jedoch auch erst später erfolgen. Es sei professionell gewesen, die Situation zunächst ausführlich zu bewerten und den Einsatz daran auszurichten.
Emily Laqueur, Sprecherin der Interventionistischen Linken, verteidigt die Übergriffe in Ellwangen:
Übergriffe in Ellwangen "in keiner Weise hinnehmbar"
"Frust über eine mangelnde Bleibeperspektiven rechtfertigt keine Gewalt", sagt Ex-Grünen-Chef Cem Özdemir der "Welt". "Rechtsfreie Räume dürfen nirgendwo in Deutschland geduldet werden", so der Politiker weiter. "Wenn eine Abschiebung rechtsstaatlich angeordnet ist, muss sie auch vollzogen werden." "Die Besonnenheit der Beamten hat beim ersten Einsatz Schlimmeres verhindert. Ihr Handeln verdient Anerkennung.", fügt Grünen-Chef Robert Habeck hinzu. Mit Blick "Klar ist: Recht und Gesetz gelten in unserem Rechtsstaat für alle. Der heutige Polizeieinsatz war demnach konsequent und notwendig. Wenn Polizisten angegriffen werden, muss das strafrechtliche Konsequenzen haben."
Baden-WürttembergsMinisterpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat den Großeinsatz der Polizei gelobt. Der Einsatz sei zur Ahndung der begangenen Straftaten und zur Prävention folgerichtig gewesen, sagte Kretschmann den Zeitungen "Heilbronner Stimme" und "Mannheimer Morgen". Er dankte der Polizei, "die am Montag mit der notwendigen Besonnenheit und heute mit der erforderlichen Konsequenz und Härte reagiert hat". Der Ministerpräsident nannte die Übergriffe vom Montag "in keiner Weise hinnehmbar". Jeder Mensch müsse sich in unserem Rechtsstaat an Recht und Gesetz halten. "Wir dulden keine rechtsfreien Räume, und dieser Angriff auf Polizisten muss geahndet werden", sagte Kretschmann.
Die Junge Union teilt via Twitter mit, dass man "null Toleranz" habe, wenn die Polizei an "der Durchsetzung unserer rechtsstaatlichen Prinzipien gehindert" werde:
Der Rechtsstaat werde Recht und Gesetz durchsetzen, dies gelte auch für Menschen, die hier in Deutschland Schutz suchten, sagte Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU). "In Baden-Württemberg wird es keine rechtsfreien Räume geben. Wir werden Recht und Gesetz selbstverständlich auch in Landeserstaufnahmeeinrichtungen durchsetzen. In Ellwangen war es besonders nötig, weil im Raum steht, dass künftige Abschiebungen auch unter dem Einsatz von Waffengewalt durch widerständige Flüchtlinge verhindert werden sollen", sagte Strobl. Der großangelegte Polizeieinsatz sei deswegen notwendig gewesen.
"Der Rechtsstaat wird von seinen Gästen mit Füßen getreten", meint AfD-Co-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel:
"Der Rechtsstaat muss Zähne und klauen haben", meint der CSU-Bundestagsabgeordnete Stefan Müller:
CDU-Landtagsfraktionschef Wolfgang Reinhart forderte eine rasche Abschiebung der Flüchtlinge, die Polizisten angegriffen hätten. Sie hätten ihr Gastrecht verwirkt. Auch die oppositionelle SPD forderte ein hartes Durchgreifen.