Schutzengel der Meere Seenotrettung: Wo wir stehen – und wie sich die Lage im Mittelmeer verbessern kann

Tausende Menschen versuchen über das Mittelmeer in ein neues Leben zu starten. 
Tausende Menschen versuchen über das Mittelmeer in ein neues Leben zu starten. 
© Fiona Alihosi/Sea-Watch / DPA
Seenotrettung ist überlebenswichtig. Vor allem im Mittelmeer kommt es immer wieder zu brenzlichen Rettungsaktionen. Der Chef einer NGO sagt, die Zahl der Todesfälle steigt. Wie sind wir aufgestellt, wenn die Seenot kommt?

Sie sind die Schutzengel der Meere – und retten täglich Menschenleben dort, wo andere wegsehen: Die Seenotretter im Mittelmeer. Die vielen Freiwilligen der Hilfsorganisationen stehen dabei immer wieder vor großen Herausforderungen. Aber wie steht es eigentlich um die Seenotrettung in Deutschland und Europa? Wir werfen einen Blick auf ein Thema, das viel zu oft übersehen wird.

Der Job eines Seenotretters ist fordernd – und gefährlich. Sie fahren bei Wind und Wetter aufs Meer und begeben sich in Gefahrenlagen, um andere herauszuholen. Im Mittelmeer geht es oft um Leben und Tod – ein Balanceakt, der elementarer nicht sein könnte. Immer wieder spielen sich in den Gewässern Szenarien ab, bei denen die Seenotretter die einzige Chance für Flüchtende sind, die auf überfüllten Booten versuchen, ein neues Leben zu beginnen.

Eine Reise, die immer wieder schiefgeht. Erst im Juni kam es zu einem verheerenden Bootsunglück vor der Küste Griechenlands, bei dem ein völlig überbesetztes Boot mit mehr als 700 Flüchtenden kenterte – nur etwas mehr als 100 Menschen konnten gerettet werden. Jeder einzelne dieser Menschen verdankt sein Leben der Seenotrettung. 

Herausforderungen in der Seenotrettung

Die wird mittlerweile von zahlreichen Hilfsorganisationen im Mittelmeer betrieben, zu den bekanntesten von ihnen gehören Sea-Watch, Mission Lifeline und die SOS Humanity. Der Grund dafür ist simpel: Das Mittelmeer gilt als beliebte Flüchtlingsroute. Allein in der ersten Jahreshälfte 2023 kamen laut Daten der UNO-Flüchtlingshilfe rund 57.000 Menschen über das Mittelmeer nach Europa, knapp 1000 von ihnen gelten noch als vermisst. 

Um möglichst viele Menschen retten zu können, sind die NGO`s, die sich oft um die Seenotrettung kümmern, auf eine gute Zusammenarbeit mit den Staaten angewiesen, in deren Hoheitsgewässern die Rettungsaktion stattfinden soll. In Deutschland ist das einfach, im Mittelmeer wird das Ganze allerdings komplexer. Deshalb kam es in der Vergangenheit immer wieder zu Anlegeverboten und tagelangen Irrfahrten vor der Küste. Und das sogar legal, denn das Seerecht verpflichtet Staaten zwar zur Rettung Seenotleidender aber nicht zur Aufnahme der Geretteten. 

Für die Helfer auf den Schiffen bedeutet das oft diskutieren, verhandeln und im Zweifel auf dem Schiff ausharren, bis ein sicherer Hafen gefunden ist. Und das ist nicht die einzige Herausforderung, die Seenotrettern die Arbeit erschwert. Das größte Problem ist oft die Finanzierung der Rettungsaktionen. Viele NGO`s setzen einzig auf Spenden, um ihre lebensrettende Tätigkeit zu finanzieren. 

Gregor Peter Schmitz mit den Buchstaben GPS

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"Deutlicher Anstieg an Überfahrten – und Todesfällen"

Aus diesem Grund fordert die UNO-Flüchtlingshilfe auch eine eigene EU-Rettungsmission ins Leben zu rufen, um die Kapazitäten für Rettungsaktionen im Mittelmeer auszubauen. Ähnliche Forderungen kommen auch aus Deutschland, genauer gesagt von den Jungen Grünen. Mecklenburg-Vorpommerns Landessprecherin Bellis Stemmermann sagte dazu: "Seenotrettung darf nicht von nicht-staatlichen Organisationen abhängig sein." Sie fordert mehr politische Verantwortung für das Thema. 

Und einen kleinen Schritt in diese Richtung ist das EU-Parlament sogar schon gegangen: Als Reaktion auf das verheerende Bootsunglück Anfang Juni wurde eine Resolution verabschiedet. Darin wird gefordert, dass die Staaten und die europäische Grenzschutzagentur Frontex Ausrüstung, Personal und Schiffe für die Seenotrettung bereitstellen sollen. Jetzt liegt es an den Staaten, der Forderung Taten folgen zu lassen.

Wie wichtig es ist, die Seenotrettung aufzustocken, berichtet Till Rummenhohl, Geschäftsführer von SOS Humanity im Interview mit der UNO-Flüchtlingshilfe: "Derzeit beobachten wir wieder einen deutlichen Anstieg an Überfahrten, und leider auch an Todesfällen. Im ersten Halbjahr dieses Jahres sind so viele Menschen im zentralen Mittelmeer ertrunken, wie seit 2017 nicht mehr. Das zeigt, wie wichtig die Präsenz von Rettungsschiffen im zentralen Mittelmeer ist."

Quelle: UNO-Flüchtlingshilfe, Deutsche Presse-Agentur