Zuletzt vor vier Jahren war ein deutscher Film im Wettbewerb des Filmfests von Venedig zu sehen: In "Land of Plenty" hatte Wim Wenders nach dem Amerikaner in uns gesucht. In diesem Jahr ist Wenders Jury-Präsident, und Regisseur Christian Petzold lässt Nina Hoss in "Jerichow" mal wieder nach Schmerzgrenzen suchen.
Zunächst sind jedoch alle Augen auf den roten Teppich gerichtet. Mit dem Eröffnungsfilm kann sich der künstlerische Direktor des Festivals, Marco Müller, der Aufmerksamkeit der Film- und Glamourwelt sicher sein: "Burn after Reading" vereint die High Society Hollywoods: Für den skurrilen Spionage-und-Sportstudio-Thriller haben die Coen-Brüder George Clooney, Brad Pitt, Tilda Swinton und John Malkovich vor die Kamera geholt. Allerdings läuft der Nachfolger des Oscargewinners "No Country for old Men" nicht im Wettbewerb.
In dem ringen dieses Jahr 21 Filme um den Goldenen Löwen. Und es sieht vielversprechend aus: Kathryn Bigelow ("Gefährliche Brandung", "Strange Days") kehrt nach viel zu langer Pause zurück. "Hurt Locker" erzählt von Bombenexperten im Irak und dem Krieg, den die Männer mit sich selbst führen. Darren Aronofsky ("Pi", "Requiem for a Dream") lässt in "The Wrestler" Mickey Rourke als Ringer antreten. Und auch Takeshi Kitano zeigt sein neuestes Werk: "Achilles and the Tortoise" ist das Porträt eines Künstlers, der mit seinem Misserfolg fertig werden muss. Schließlich gibt der bisher als Drehbuchautor gefeierte Mexikaner Guillermo Arriaga ("Amores Perros", "Babel") sein Regiedebüt: Charlize Theron und Kim Basinger kämpfen in "The burning Plan" als Mutter und Tochter mit Schuld und Vergebung.
Gewollt widersprüchlich
Neben Petzold, der "Jerichow" als "eine der ältesten Geschichten der Welt, um Zwietracht, Gier und Leidenschaft" beschreibt, ist das deutsche Kino ansonsten in Koproduktionen vertreten: Werner Schroeter ("Malina") tritt mit dem französisch-deutsch-portugiesischen "Nuit de chien" an, und auch "Süt" von Semih Kaplanoglu sowie "Teza" von Haile Gerima sind unter deutscher Beteiligung entstanden.
Das Kino sei zu einer Mixtur aus Ideen, Kräften, Mythen und Geschichten geworden und solle nicht als unfehlbarer Kompass gelten, sagt Festival-Direktor Müller. "Wir wollen vom Kino nicht mehr verlangen, uns vor der problematischen Gegenwart zu retten." Deshalb seien die 65. Festspiele "gewollt widersprüchlich" angelegt. Und Müller verrät auch, was das genau heißen soll: Das diesjährige Festival ist dem im Juli verstorbenen ägyptischen Regisseur Jussef Chahine gewidmet, denn "wer sonst hat erfolgreich den Philosophen Averroes und Fred Astaire zusammen gebracht? Und darum soll es im Kino doch gehen", so Müller.
Bleibt abzuwarten, ob der Wettbewerb dem hohen Anspruch genügt. Das Programm, in dem sich auch noch die neuen Werke von Abbas Kiarostami, Jonathan Demme, Hayao Miyasaki und Agnes Varda finden, klingt zumindest spannend. Und für den Widerspruch gibt es außer Konkurrenz auch noch den neuen Film von Adriano Celentano zu sehen: "Juppi Du". Celentano ist es auch, der den Goldenen Löwen fürs Lebenswerk überreichen wird. Der geht in diesem Jahr an den italienischen Regie-Altmeister Ermanno Olmi.
Die 65. Internationalen Filmfestspiele von Venedig beginnen am 27. August und enden am 6. September
sal