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"Sing meinen Song" in Südafrika Das perfekte Promi-Wimmern

Xavier Naidoo im Tränental am Tafelberg: Der Mann mit der Mütze hat zum Vor- und Nachsingen ans Kap geladen. Im Fokus der ersten Sendung stand die wackere Yvonne Catterfeld.
Von Ingo Scheel

Jeder kennt so einen. Im Stadtpark kramt er leere Boonekamp-Flaschen unter der Bank hervor und schmeisst sie in den Papierkorb. Er füttert Tauben, hat ein kleines Transistorradio am Fahrradlenker baumeln, aus dem leise Ricky King oder Tina York dringen, seine kaputte Brille flickt er mit Silberfolie und Gummiband. Fährt er zur Abwechslung mal mit dem Bus, dann sitzt er vorn rechts beim Fahrer, sagt ihm die Haltestellen vor und murmelt zwischendurch unverständlich in die Krümmung seines Spazierstocks. Bei Vox heißt er Naidoo und seine Ballonseiden-Jacke war schon zerbeult, da spielte Dynamo Dresden noch in der Fußball-Bundesliga.

Gut, dass die Prinzen modisch ähnlich gelagert sind. Auch sie haben sich seit ihrem letzten Hit nicht umgezogen, das muss so circa 1997 gewesen sein, und so wirkt das wunderliche Opa-Outfit von Naidoo, Sebastian Krumbiegel und dem anderen Prinzen denn auch fast schon wieder gewollt. Was soll es auch, man ist ja unter sich. Hier werden "Leute aufeinander clashen", die eine "Intimität miteinander haben", wie man sie so im Fernsehen noch nicht gesehen hat. Ganz so schlimm wird es dann doch nicht, es wird schlussendlich nur gesungen. Und geflennt.

"Klatsch ab, Alter"

"Sing meinen Song", die musikalische Tauschbörse, hat den ebenso unerklärlichen wie immensen Erfolg der ersten Staffel aus dem Vorjahr zum Anlass genommen, eine Neuauflage über die Rampe zu bringen. Die Vorzeichen sind dieselben wie bei der Erstausgabe: Ein Grüppchen Sänger und Sängerinnen wird nach Wohinduwillst ans Ende der Welt gekarrt, um einander nach ausreichend Zufuhr von tschechischem Bier, Fanta mit Eierlikör und eimerweise Hugo die Liedchen des anderen um die Ohren zu trällern.

In der ersten Folge arbeitete man sich an der tapferen Yvonne Catterfeld ab. Andreas Bourani hakte aus dem Stand "Für Dich" ab, mit einer Version, die an ZDF-Fernsehgarten und Dieter Thomas Heck gemahnte. "Klatsch ab, Alter, vielen Dank fürs Eisbrechen", pflaumte Naidoo das Giovane-Elber-Double nach getaner Arbeit an. Genau darum geht es hier: Das Eis soll gebrochen werden und nicht nur das, nein, Menschen sollen am besten auch gleich noch, wenn schon nicht gebrochen, dann zumindest ein wenig angeditscht werden. Tränen sollen fließen, denn die lügen nicht. Die machen es echt. Authentisch. So intim, bis alles durch und durch "Wow" ist.

H&M-Punk und Christina Stürmer

Als wenn die wässrigen Augen der wirklich sympathischen Frau Catterfeld nicht genug wären, bohrte der Mann mit der Sonnenbrille nochmal nach. "Mal ganz ehrlich, wie lange ist das her, dass Du mit Deiner Musik das letzte Mal im Mittelpunkt gestanden hast?" File under Karriereknick. Ein echter Kumpel, der Xavier. Wer jetzt nicht nach den Tempotaschentüchern griff, hatte wohl schon zum ESC-Halbfinale ins Erste geschaltet.

Wer bei Vox geblieben war, bekam Ex-Stars on 45 im Freiluft-Ringelreihen: Daniel Wirtz hatte sich aus dem Wäschepuff von MC Fitti die schönsten Stücke rausgesucht und war auch sonst relativ schmerzfrei. Mit seiner Band Sub7even ist er einst durch "Verbotene Liebe" gehoppelt, später sind die Jungs als Support für die Böhse Onkelz durch deutsche Lande getingelt. Auf seinen H&M-Punk folgten Christina Stürmer, die klang wie die Catterfeld selbst, Hartmut Engler, der klang wie Pur, Naidoo, der gar nicht klang und Die Prinzen, die … aber lassen wir das.

"Deutschland braucht Deine Musik"

Durchaus gelungen kamen die Arrangements der Hausband daher, die sich zwischen Schrebergarten-Fackeln und Strandsand ins Zeug legte und deren Bläser tatsächlich an zwei, drei Stellen nach Bacharach’scher Cocktaillounge klang. Mindestens ebenso bewundernswert das Nervenkostüm von Yvonne Catterfeld, die in diesem Karaoke-Clearing durchweg Würde bewahrte. "Deutschland braucht Deine Musik", hob Naidoo dann noch kurz zur Pop-Predigt an. Das mag ja vielleicht stimmen. Dann aber bitte doch lieber wieder selbst singen, Yvonne, der Bourani hat doch schon ein eigenes Lied.

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