Heusgen: Vance wird vermutlich US-Truppenabzug aus Europa verkünden

JD Vance mit seiner Familie bei der Ankunft in München
JD Vance mit seiner Familie bei der Ankunft in München
© AFP
US-Vizepräsident JD Vance wird bei der Münchner Sicherheitskonferenz (MSK) nach Einschätzung von Veranstaltungschef Christoph Heusgen vermutlich einen massiven Abzug von US-Truppen aus Europa verkünden. "Ich vermute, heute wird auch der amerikanische Vizepräsident verkünden, dass ein großer Teil der amerikanischen Truppen aus Europa zurückgezogen wird, dass Europa die Aufgaben übernehmen soll", sagte Heusgen am Freitag im Deutschlandfunk.  

In der Nato wird damit gerechnet, dass US-Präsident Donald Trump in einem ersten Schritt Kräfte der 82. Luftlandedivision abziehen könnte. Nach Angaben aus der Allianz handelt es sich um rund 20.000 Soldaten. US-Präsident Joe Biden hatte sie nach dem russischen Angriff auf die Ukraine vor drei Jahren nach Europa verlegt. Die Gesamtzahl der US-Kräfte in Europa stieg damit auf 100.000. Davon sind nach Angaben des US-Verteidigungsministeriums alleine fast 35.000 in Deutschland stationiert.

Ein Nato-Diplomat sagte, er wäre nicht überrascht, wenn Trump die 82. Division auf ihren Heimatstützpunkt in Fort Liberty im US-Bundesstaat North Carolina zurückbeordern würde. "Wir sollten das nicht dramatisieren", mahnte der Diplomat. Für Europa seien diese Zusatzkräfte nicht unabdingbar. Kräfte der 82. Luftlandedivision waren unter anderem in Polen stationiert.

US-Vizepräsident Vance hält am Freitagnachmittag eine Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz. Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) sagte vorab im ZDF, er erwarte von Vance eine "brutal harte Ansage" an Deutschland und Europa. "Das wird eine konfrontative Rede", sagte Merz und berief sich auf Angaben aus US-Kreisen. Er fügte hinzu: "Diese Sicherheitskonferenz wird uns noch lange in Erinnerung bleiben." 

Merz sollte Vance am frühen Nachmittag in München treffen. Zuvor sprachen am Vormittag bereits Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) mit dem US-Vizepräsidenten. Ein wichtiges Thema dabei dürfte die Ukraine gewesen sein. Angaben zum Gesprächsinhalt wurden aber nicht gemacht.

Nach Nato-Generalsekretär Mark Rutte rief auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die EU-Länder zu "erheblich" höheren Verteidigungsausgaben auf. "Wir sehen, wie rasant sich insgesamt die Welt verändert und Europa muss sich ebenfalls mit Tempo verändern", sagte sie am Rande einer CSU-Veranstaltung in München. Trump fordert von den Verbündeten Investitionen in Höhe von fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP), die bisherige Nato-Quote liegt bei mindestens zwei Prozent. Deutschland erfüllt dies knapp.

US-Verteidigungsminister Pete Hegseth hatte am Donnerstag bei der Nato zu einem möglichen Rückzug konventioneller Truppen aus Europa gesagt, die USA hätten noch "keine Entscheidungen hinsichtlich der Truppenstärke getroffen". Dies müsse Trump als Oberbefehlshaber entscheiden, und damit sei erst später zu rechnen. "Wir haben in keiner Weise gesagt, dass wir unsere Verbündeten in Europa im Stich lassen", betonte Hegseth. 

Am Freitag sagte er dann aber bei einem Besuch in Warschau, die Europäer könnten nicht damit rechnen, dass die US-Truppenpräsenz in Europa "für immer" andauern werde. Er rief die europäischen Verbündeten in dem Zusammenhang erneut zu verstärkten Investitionen in ihre Verteidigung auf.

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) sagte in München, dass immer klar gewesen sei, dass ein US-Truppenabzug von den Europäern "kompensiert" werden müsse. "Das kann aber nicht von jetzt auf gleich gelingen", betonte er und fügte hinzu: "Zu glauben, wir könnten innerhalb von einem Jahr kompeniseren, was die Amerikaner in wenigen Monaten weniger machen, ist illusorisch, das wird nicht funktionieren." Hegseth sehe das genauso. Pistorius hat deshalb nach eigenen Angaben einen Fahrplan vorgeschlagen, an dem entlang "die Veränderung der Lastenverteilung" so vorgenommen werden könne, "dass in der Zeit keine gefährlichen Fähigkeitslücken entstehen".

Pistorius hatte es zuvor am Rande des ersten Nato-Treffens mit Hegseth "völlig absehbar" genannt, dass die USA ihren Fokus künftig stärker auf den Indopazifik legen. Dort versucht China seinen Einfluss zu vergrößern.

Nach letzten Angaben des US-Verteidigungsministeriums vom Juni 2024 hatten die Vereinigten Staaten rund 65.000 Soldaten fest in Europa stationiert. Weitere 35.000 werden nach US-Medienangaben rotierend entsandt. 

In Deutschland waren von den fest stationierten Kräften laut US-Verteidigungsministerium zuletzt 34.894 Soldaten. Größter US-Stützpunkt ist die Luftwaffenbasis Ramstein bei Kaiserslautern in Rheinland-Pfalz. Weitere der mehr als 20 US-Stützpunkte sind in Stuttgart, Wiesbaden oder Grafenwöhr in Bayern. 

AFP