Entwarnung an vielen Hochwasserfronten: Das Schlimmste scheint überstanden, in vielen Regionen Deutschlands sinken die Pegelstände. Die Wassermassen kosteten vermutlich vier Menschen das Leben und verursachten Schäden in Millionenhöhe. Die noch bevorstehenden Flutwellen der Flüsse Elbe, Main und Saale fallen voraussichtlich niedriger aus als befürchtet. Weiter angespannt blieb die Lage am Sonntag im Norden Thüringens sowie in Teilen Bayerns, Sachsens und im baden-württembergischen Wertheim. Dort wurde ein Jahrhunderthochwasser erwartet. Frost und Schnee sollen in den nächsten Tagen für Entspannung sorgen.
Eine 75-jährige Rentnerin ertrank am Samstagmorgen im Ort Kallmünz bei Regensburg in der Naab, nachdem sie mit ihrem Fahrrad gestürzt war. Ein 71-jähriger, der bereits am Freitag bei Echternacherbrück in Rheinland-Pfalz mit seinem Auto vom Fluss Sauer mitgerissen worden war, blieb unauffindbar. In Nordrhein-Westfalen waren am Neujahrstag ein sechsjähriger Junge und seine Mutter umgekommen. Der Sechsjährige war beim Rodeln in einen Hochwasser führenden Bach gestürzt und wird seitdem vermisst. Seine Mutter starb beim Rettungsversuch.
Umkehr in der Hochwasserpolitik
Angesichts der bundesweiten Fluten forderte die Umweltschutzorganisation WWF eine radikale Umkehr in der Hochwasserpolitik. Die aktuellen Überschwemmungen seien nur ein Vorgeschmack auf künftige Fluten, erklärte der WWF in Frankfurt. Derzeit räche sich die verfehlte Hochwasserpolitik der vergangenen 150 Jahre mit begradigten Flüssen, verbauten Bachtälern und besiedelten Überschwemmungsgebieten. Der thüringische Umweltminister Volker Sklenar (CDU) verlangte einen Bebauungsstopp in Überschwemmungsgebieten. «Bei der Genehmigung von Neubauten in Flussauen oder Überschwemmungsgebieten müssen wir härter sein», sagte er der dpa. Er appellierte an Kommunalpolitiker «noch so schöne Gewerbegebiete in gefährdeten Regionen nicht zuzulassen».
Keine Schäden in Schweinfurt
In Bayern passierte der Scheitel der Flutwelle auf dem Main in der Nacht zum Sonntag Schweinfurt, ohne größere Schäden zu verursachen. Nun rüstete sich die Stadt Würzburg für die am Sonntagabend erwartete Mainwelle. Die von Helfern errichteten Polder, die die Innenstadt schützen sollen, würden vermutlich ausreichen, sagte ein Sprecher. Am Montagmittag wird die Flutwelle dann Wertheim erreichen. Mit 6,50 Metern wird wahrscheinlich der höchste Pegelstand seit 1920 erreicht. Das wäre aber immer noch fast ein halber Meter weniger als am Samstag vorhergesagt. Insgesamt könne von einer Entwarnung in der Stadt aber nicht die Rede sein, sagte eine Stadtsprecherin. Teile der historischen Altstadt standen teilweise zwei Meter unter Wasser.
«Land unter» herrschte am Sonntag noch im oberpfälzischen Kallmünz, doch die Fluten gingen zurück. Dafür gab es neue Probleme:«In vielen Häusern ist die Heizung ausgefallen, da haben die Leute jetzt nichts zu lachen», sagte Bürgermeister Siegfried Bauer.
Vermutlich keine Gefahr für Dresden
Da die Elbe recht langsam anstieg, bleibt das noch vom August- Hochwasser arg gebeutelte Dresden vermutlich von größeren Schäden verschont. «Vielleicht kommen wir mit einem blauen Auge davon», sagte Gerd Künzel vom Presseamt der Stadt. Der für Montag erwartete Maximalpegelstand wird voraussichtlich mindestens zehn Zentimeter unter der kritischen Marke von sieben Meter liegen.
In Sachsen-Anhalt entspannte sich die Lage trotz steigender Pegelstände an Saale und Elbe. «An allen anderen Flüssen stagnieren oder sinken die Wasserstände», sagte Jürgen Rose vom Landesbetrieb für Hochwasserschutz. Dazu hätten vor allem die nur noch geringen Schneefälle und die frostigen Temperaturen beigetragen.
1300 Helfer sichern Deich in Thüringen
In Thüringen konnten 1300 Helfer mit Hilfe von Tauchern und Hubschraubern einen Deich sichern, der durch das Hochwasser des kleinen Flusses Lossa bei Leubingen zu brechen drohte. «Der Deich hält, wir waren schneller», sagte Rüdiger Dohndorf, Landrat im Landkreis Sömmerda. Ein Teil des 1000-Seelen-Dorfes Leubingen war evakuiert worden. Ein Deich an einem Flutkanal zwischen Reinsdorf und Artern war wegen steigender Pegelstände am Samstagabend nach Angaben des Krisenstabes auf einer Länge von drei Metern gesprengt worden. Rund 250 Hektar unbewohntes Gebiet wurden damit geflutet. Mit sinkenden Temperaturen und nachlassenden Niederschlägen entspannte sich die Hochwasserlage in Rheinland-Pfalz und im Saarland, wo die Pegelstände der Flüsse bereits sinken. Die «große Flut» in Köln bleibt nach Angaben der Hochwasserschutzzentrale aus. «Wir sind mit dem blauen Auge davon gekommen. Die Altstadt ist gerettet», sagte ein Sprecher der Hochwasserschutzzentrale.
Auch das niedersächsische Städtchen Hann. Münden blieb verschont. Am Zusammenfluss von Werra und Fulda, aus denen die Weser entsteht, blieb der Pegel unter der für die Altstadt kritischen Marke. Allerdings riss sich bei Bad Karlshafen ein Weser-Ausflugsdampfer los und verkleilte sich im Treibgut an einer Uferböschung, bevor die Feuerwehr das Boot sichern konnte. In Frankfurt am Main hielten die Deiche und Sandsackbarrieren den Mainfluten bislang stand.
Für Tschechien und Belgien erwarteten die Experten eine weitere Entspannung der Lage. In Nordböhmen stieg die in Richtung Dresden fließende Elbe am Sonntag zwar weiter, sie sollte aber schon am Abend bei Usti nad Labem (Aussig) mit rund 7,60 Meter ihren Höchststand erreichen, berichtete die Agentur CTK. Das wären 4,30 Meter unter dem Maximalstand vom August. Dennoch flutete die Elbe am Sonntagmorgen bereits viele Keller und Erdgeschosse der Region. In Belgien sanken die Pegelstände der angeschwollenen Flüsse, auch wenn in zahlreichen Ortschaften noch Wasser in den Straßen stand.