Was ist los in der Polizeiwache im Hauptbahnhof von Hannover? Nachdem am Wochenende bekannt wurde, dass die Staatsanwaltschaft wegen mutmaßlicher Misshandlung von Flüchtlingen gegen einen Bundespolizisten ermittelt, werden nun neue Vorwürfe gegen den Beamten laut.
Nach Recherchen des NDR-Fernsehmagazins "Hallo Niedersachsen" und des Nachrichtensenders NDR Info soll der 39-Jährige im August 2013 im Aufenthaltsraum der Wache seine Dienstwaffe gezogen und einem Kollegen an die Schläfe gehalten haben. Dabei soll er ihn zu sexuellen Handlungen aufgefordert haben. Die NDR-Sender berufen sich bei ihren Vorwürfen auf einen Insider, der anonym bleiben wolle. Demnach seien fünf Beamte Zeugen des Vorfalls gewesen.
Ein weiterer Insider, der ebenfalls nicht namentlich genannt werden wolle, habe erklärt, dass ein derart "lockerer Umgang" mit den Regeln des Waffengebrauchs über einen längeren Zeitraum zu beobachten gewesen sein soll, berichtet der NDR weiter. Auch auf ihn sei in mehreren Fällen eine Waffe gerichtet worden. "Das waren Vorfälle wie: Jemandem eine Waffe an den Kopf halten. Die Waffe einfach auf Beamte richten. Oder Vorfälle wie: Die Waffe einfach aus dem Holster zu nehmen und reinzupusten", zitiert der Sender den Insider.
"Strafbar und menschenverachtend"
Für die Gewerkschaft der Polizei (GdP) ist eine derartige Verwendung der Dienstwaffe ein eindeutiger Verstoß gegen die Waffenvorschriften. "So etwas ist strafbar und menschenverachtend", sagte der niedersächsische GdP-Landesvorsitzende Dietmar Schilff dem NDR.
Bundespolizeipräsident Dieter Romann hatte vor Bekanntwerden der neuen Anschuldigungen bereits Konsequenzen aus der mutmaßlichen Affäre angekündigt: "Sollten sich die zum Teil erheblichen Vorwürfe gegen den oder die Beamten einer bestimmten Dienstgruppe der Inspektion Hannover auch nur ansatzweise bestätigen, wird die Bundespolizei gegen den oder die betreffenden Beamten mit aller Konsequenz vorgehen", sagte Romann der "Bild"-Zeitung.
Gleichzeitig warnte der Polizeichef vor pauschalen Vorverurteilungen. "Unabhängig von dem aktuellen Vorwurf hätte ein solches Verhalten jenseits der Rechtsordnung in der Bundespolizei keinen Platz." Mehr als 40.000 Beamte und Angestellte mühten sich "jeden Tag und jede Nacht, ihre schwierigen Aufgaben im In- und Ausland mit voller Hingabe für das Allgemeinwohl trotz widriger Umstände bestmöglich zu bewältigen". Dadurch hätten sie der Bundespolizei eine "hohe Reputation" verschafft. "Das lassen wir uns nicht von einigen wenigen zunichte machen."
Die Staatsanwaltschaft Hannover ermittelt gegen den 39-jährigen Bundespolizisten unter anderem wegen des Verdachts der Körperverletzung im Amt. Er soll in mindestens zwei Fällen inhaftierte Männer aus Afghanistan und Marokko gedemütigt und geschlagen und damit im Kurznachrichtendienst Whatsapp geprahlt haben. Für Körperverletzung im Amt drohen laut Strafgesetzbuch bis zu fünf Jahre Haft.