Literaturfestival lit.Cologne Ukraine-Krieg: Schriftsteller Navid Kermani gegen Boykott russischer Kultur

Ukraine-Konflikt
Navid Kermani bei der Eröffnungsveranstaltung der Lit.Cologne, welche mit einer Solidaritätsveranstaltung im Rahmen des Ukraine-Konflikts begonnen hat. Die Lit.Cologne findet vom 15. bis 26. März 2022 statt und umfasst 180 Veranstaltungen.
© Oliver Berg / DPA
Der Schriftsteller Navid Kermani hat sich bei der Eröffnungsveranstaltung der Lit.Cologne gegen einen Boykott russischer Kultur im Rahmen des andauernden Ukraine-Kriegs ausgesprochen. Ein Austausch mit der russischen Zivilgesellschaft sei wichtig, um der Eskalationsspirale entgegenzuwirken. 

Der Schriftsteller Navid Kermani hat sich gegen einen Boykott russischer Kultur ausgesprochen. "Das kann nicht die Antwort sein", sagte der Friedenspreisträger der Deutschen Presse-Agentur in Köln. "Wir brauchen weiterhin einen Austausch mit der russischen Zivilgesellschaft. Jetzt auch noch die russische Kultur zu boykottieren, Tschaikowski nicht aufzuführen, ist das Idiotischste, was man machen kann."

Kermani äußert sich nachdenklich und selbstkritisch zum Ukraine-Krieg

Kermani hat viele Städte, die jetzt bombardiert werden, in seinen Büchern beschrieben. "Das ist natürlich gespenstisch und einfach katastrophal, auch emotional erschütternd, wenn man selbst durch diese Städte gelaufen ist." Er sei 2016 in der Ukraine gewesen, und viele Menschen hätten ihm damals schon den jetzigen Angriff "beängstigend genau" vorhergesagt.

Kermani äußerte sich am Dienstagabend bei der Eröffnungsveranstaltung des Literaturfestivals Lit.Cologne nachdenklich und selbstkritisch. "Natürlich ist da auch so eine Art von Bitterkeit oder Traurigkeit dabei, weil es diese große Solidarität, wie es sie jetzt zum Glück gibt, nicht gab, auch unter uns Intellektuellen und Schriftstellerinnen und Schriftstellern nicht, als zum Beispiel Grosny Ende der 90er Jahre laut UN-Angaben die am meisten zerstörte Stadt der Welt war." Ebenso wenig Solidarität habe es gegeben, als Aleppo zerstört worden sei. "Und als der Donbass überfallen worden ist und die Krim besetzt worden ist, das waren die Jahre, als Deutschland sein Gasgeschäft mit Russland erst richtig ausgebaut hat. Jetzt ist es 2022, und jetzt ist der Krieg halt hier."

Die Menschen in den von Krieg und Gewalt betroffenen Gebieten in der Ukraine brauchen unsere Hilfe. Die Stiftung stern arbeitet mit Partnerorganisationen vor Ort zusammen, die von uns geprüft wurden. Wir leiten Ihre Spende ohne Abzug weiter. Über diesen Link kommen Sie direkt zu unserem Spendenformular.
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Jetzt nicht "auf Teufel komm raus die maximale Eskalation suchen"

Kermani sprach sich für weitgehende Solidarität mit der Ukraine, jedoch gegen die Einrichtung einer Flugverbotszone aus. "Ich bin nicht der Meinung, dass man auf Teufel komm raus jetzt die maximale Eskalation suchen sollte." Denn das würde bedeuten, dass die Nato russische Flugzeuge abschießen und russische Luftwaffenstützpunkte bombardieren müsste. Die Folge: "Wir würden in einen anderen Konflikt geraten." Stattdessen sei er für einen Komplettboykott von russischem Gas und Öl. "Das wäre ein ganz klarer Hebel, der sofort Auswirkungen hätte." Er könne sich in dem Zusammenhang auch wieder autofreie Sonntage wie in den 70er Jahren vorstellen. "Das effektivere Mittel ist, nicht die Eskalationsspirale mitzumachen, sondern an der Quelle anzusetzen, wo dieser Krieg finanziert wird."

DPA
stz

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