Asien Welle der Angst - vor Meeresfrüchten

Sinkende Absätze, fallende Preise, verwaisende Märkte: Nach der Flut lässt sich in Asien kaum noch Fisch verkaufen. Wegen der vielen Leichen im Wasser glauben viele Menschen, der Verzehr könnte ihre Gesundheit gefährden.

Nach der Flutkatastrophe in Asien ist vielen Menschen in der Region der Appetit auf Fisch vergangen. Die Umsätze auf den Fischmärkten zwischen Peking und Singapur, Bangkok und Kalkutta sind dramatisch eingebrochen. Gegen jeden Expertenrat hat sich bei vielen Konsumenten die Ansicht durchgesetzt: Fische und Meerestiere, die sich von den vielen Leichen im Wasser ernährt hätten, seien eine Gefahr für die Gesundheit. "Ich fühle mich, als wenn ich totes Fleisch esse", sagt Hausfrau Lee Kim Eng in Singapur.

Fischabsatz eingebrochen

"Welle der Angst - vor Meeresfrüchten", schreibt die "Straits Times" in Singapur, und bemüht sich um fachliche Aufklärung: "Vollständig ausnehmen, gründlich waschen, lange genug kochen, nicht roh essen." Wer sich daran hält, habe nichts zu befürchten. Doch der gute Rat verhallt ungehört - die Angst bleibt. In Singapur ist der Fischabsatz um 30 Prozent eingebrochen, die Preise auf die Hälfte gefallen. "Ich liebe Fisch und Krabben, aber jetzt esse ich eben Hühnchen", sagt Janet Tan der Zeitung.

In China wird zwar weiter Fisch gegessen, aber Krebse, Krabben und Muscheln aus Südostasien werden verschmäht. Die Leute wollen wissen, woher das Meeresgetier kommt. Auf dem Großmarkt in Peking ist der Absatz von Krebsen aus Birma von 2500 Kilogramm pro Tag auf 1000 Kilo gefallen. In Restaurants lässt sich Fisch aus Südostasien nicht mehr verkaufen. Stattdessen steigt der Absatz von Süßwasserfisch und von Importen aus Europa und Nordamerika.

In der indischen Metropole Madras ist der Verkauf von 50 Tonnen auf weniger als eine Tonne Fisch pro Tag gesunken, in Bangalore von 70 auf unter zwei Tonnen. Fischmärkte sind verwaist, viele Fischer stehen vor der Arbeitslosigkeit. Auch hier erleben Restaurants einen Geschäftsrückgang und haben aufgehört, Fisch zu servieren.

Übertragung von Hepatitis A möglich

Alles grundlose Panik? Es gibt keinen gesundheitlichen Grund, in den Überflutungsgebieten keine Fische mehr zu essen, sagt Helmut Jäger, Leiter des Reisemedizinischen Zentrums des Hamburger Tropeninstituts. Eine besondere Seuchengefahr gehe von gekochten oder gebratenen Fischen nicht aus. Mit Fäkalien verseuchte rohe Muscheln und Krabben könnten auch in gewöhnlichen Zeiten die Gelbsucht Hepatitis A übertragen.

Neben der eher irrationalen Furcht vor Fisch angesichts der vielen tausend Leichen gibt es auch Bedenken wegen einer möglichen Verseuchung des Meeres durch Gifte und Schwermetalle. Aber auch hier wird Entwarnung gegeben. "Wir haben keine erhöhte Belastung festgestellt", berichtet Ramlee Rahmat, der Chef der Seuchenkontrolle in Malaysia. Und der Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation WHO, Lee Yong-Wook, geht mit gutem Beispiel voran und sagt: "Seitdem ich auf Sri Lanka eingetroffen bin, esse ich jeden Tag Fisch."

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Thomas Lanig/DPA

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