Drei Tage nach dem Flugzeugabsturz in Madrid hat sich die Zahl der Todesopfer weiter erhöht. Wie der staatliche spanische Rundfunk RNE berichtete, erlag eine Frau im Krankenhaus ihren schweren Verletzungen. Damit kamen beim Absturz der zweistrahligen Maschine vom Typ MD-82 am Mittwoch auf dem Madrider Flughafen Barajas insgesamt 154 Menschen ums Leben, nur 18 der Insassen überlebten.
Trauer, Wut und Verzweiflung bei den Hinterbliebenen: Nach Katastrophe haben Angehörige Toten schwere Vorwürfe gegen Spanair und die spanische Regierung erhoben. Auf einem spannungsgeladenen Treffen warfen sie Vertretern der Fluggesellschaft mangelnde Sorgfalt bei der Wartung der Maschinen vor. "Viele von uns erhielten vor dem Absturz von unseren Verwandten SMS aus dem Flugzeug, dass mit der Maschine etwas nicht stimmte", sagte einer der Hinterbliebenen.
Eine Überlebende sagte, die Maschine der Spanair habe nur langsam an Höhe gewonnen und sei dann plötzlich zur Seite gekippt. Ligia Palomino Riveros erklärte, nach dem Abbruch eines ersten Startversuchs sei sie davon ausgegangen, dass die Fluggesellschaft die Maschine austauschen werde. So seien zwei Busse vorgefahren, von denen sie angenommen habe, dass sie die Passagiere zu einem Ersatzflugzeug bringen sollten.
Mehrere Angehörige äußerten nach Presseberichten vom Samstag die Befürchtung, dass es bei der Identifizierung der Toten zu Verwechselungen kommen könne. 50 Todesopfer wurden bislang identifiziert. Einige verbrannten bis zur Unkenntlichkeit und müssen mit Hilfe von DNA-Proben identifiziert werden. Die Befürchtung rührt daher, dass im Jahr 2003 nach dem Tod von 62 spanischen Soldaten bei einem Flugzeugabsturz in der Türkei einem großen Teil der Hinterbliebenen die falschen Leichen übergeben wurden.
"Wollen wissen, was passiert ist"
Javier Nuñez, der in Madrid vier Verwandte verlor, verließ aufgebracht ein Treffen mit der Vize-Regierungschefin María Fernàndez de la Vega und schimpfte: "Wir wollen hier keine Politiker mehr sehen. Wir wollen endlich wissen, was wirklich passiert ist." Am Mittwoch war beim schlimmsten Unglück in der spanischen Luftfahrt seit 25 Jahren eine Spanair-Maschine unmittelbar nach dem Start in Madrid abgestürzt.
Die Verzweiflung unter den Angehörigen erreichte ein solches Ausmaß, dass Polizisten und Psychologen einschreiten mussten, um eine Prügelei zu verhindern. Die Verantwortlichen von Spanair wurden als "Lügner" und "Halsabschneider" beschimpft. Die Angehörige eines Opfers sagte: "Am Ende wird man die Schuld dem Piloten geben. Der ist tot, und die Sache wird im Sande verlaufen."
Polizei vernimmt Techniker
Bei der Untersuchung der Unglücksursache wurde ein Techniker, der die Unglücksmaschine zum Start freigegeben hatte, von einer Expertenkommission und von der Polizei vernommen. Er sagte nach Medienberichten aus, dass das Flugzeug vor dem Unglück einen Start wegen einer Panne an einem Fühler der Außentemperatur abgebrochen habe. Daraufhin sei der Fühler gemäß den Vorschriften abgestellt worden. Mit dem Absturz könne dies nichts zu tun haben.
Aufgrund von Augenzeugenberichten war man davon ausgegangen, dass beim Start ein Triebwerk der zweistrahligen Maschine in Brand geraten war. Diese Annahme wurde durch ein Video infrage gestellt. Nach Angaben der Zeitung "El Mundo" erwägen die Experten nun zwei andere Hypothesen: Entweder lösten sich von einem Triebwerk beim Start Teile, die das Leitwerk beschädigten; oder die Maschine erlitt an beiden Motoren einen plötzlichen Leistungsabfall. Das Flugzeug vom Typ MD-82 hatte laut Wetteramt beim Start leichten Rückenwind, was das Abheben erschwert.
Die ersten Opfer wurden in ihren Heimatorten in verschiedenen Regionen Spaniens beigesetzt. Tausende von Menschen erwiesen den Toten die letzte Ehre. Ärger gab es um die offizielle Trauerfeier, die am 1. September in der Madrider Almudena-Kathedrale stattfinden wird. Protestanten und Muslime beklagten, dass die Feier als katholischer Gottesdienst abgehalten werden soll.